VwGH vom 28.04.2011, 2009/11/0116

VwGH vom 28.04.2011, 2009/11/0116

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des G K in D, vertreten durch Winkler - Heinzle Rechtsanwaltspartnerschaft, in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-411-070/E4-2009, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom entzog die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH) dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A und B auf die Dauer von fünf Monaten ab Bescheidzustellung. Unter einem wurde für die selbe Dauer ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) ausgesprochen. Überdies wurde der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 3 FSG zur Absolvierung einer Nachschulung verpflichtet und ihm die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Untersuchung aufgetragen. Ausschlaggebend war, dass der Beschwerdeführer am ein Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,22 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft) gelenkt habe.

Die vom Beschwerdeführer beigebrachte verkehrspsychologische Stellungnahme vom (Untersuchung am ) kam zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer über ausreichende kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfüge. Bei der Abklärung der verkehrsrelevanten Persönlichkeitsmerkmale ergebe sich das Bild einer sozial äußerst verantwortungsbewussten Person, die Aggressivitätswerte erschienen unterdurchschnittlich. Im Bereich "kulturell bedingte soziale Maskierung des Alkoholkonsums" ergebe sich ein überdurchschnittlicher Wert, es bestünden deutliche Hinweise auf ein abhängiges Trinkverhalten. Zusammenfassend wurde ausgeführt, im Hinblick auf die sowohl testpsychologisch als auch explorativ erfassten deutlichen Hinweise auf eine Alkoholproblematik, konkret auf den hohen Promillewert von 2,4 beim letzten Alkoholdelikt sowie das Fehlen von wahrnehmbaren Veränderungen im Zuge einer angegebenen deutlichen Alkoholreduktion, das bezüglich Alkoholkonsum nur mangelhafte Problembewusstsein bzw. die zwar angegebene Veränderung der Trinkmuster, welche jedoch weder motivational gefestigt noch zeitlich stabil erscheine, sei "derzeit" ein enormes Risiko der Rückfälligkeit in frühere Konsummuster und damit der Wiederauffälligkeit mit Alkohol im Straßenverkehr gegeben, weshalb die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung "derzeit" nicht als ausreichend befunden werden könne. Unter der Voraussetzung einer positiven fachärztlichen Stellungnahme samt eventueller Abstinenzerfordernisse und deren regelmäßiger Kontrolle wäre eine neuerliche, vorgezogene verkehrspsychologische Untersuchung bereits nach Ablauf von sechs Monaten zu erwägen.

Bereits am hatte sich der Beschwerdeführer einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen. Laut Befund des Amtsarztes Dr. G. vom habe der klinische Gesamteindruck keinen Hinweis auf eine Alkoholkrankheit ergeben. Gutachtensanlass sei der Vorfall vom gewesen, mittlerweile habe der Beschwerdeführer ohne gültige Lenkberechtigung erneut alkoholisiert (Alkoholgehalt der Atemluft 0,32 mg/l) ein Kfz gelenkt. In seinem Gutachten vertrat der Amtssachverständige unter Bezugnahme auf die verkehrspsychologische Stellungnahme die Auffassung, in den standardisierten Fragebogentests seien deutliche Hinweise auf ein abhängiges Trinkverhalten nachweisbar, ebenso hätten Hinweise für einen schädlichen Alkoholgebrauch bzw. eine Alkoholerkrankung festgestellt werden können, ebenso Verharmlosungstendenzen bezüglich des Alkoholkonsums. Auch die exzessive Alkoholisierung von 2,44 Promille spreche für einen Kontrollverlust beim Trinken und für eine Alkoholgewöhnung. Aufgrund dieser Befunde sei ohne nervenfachärztliche Betreuung und kontrollierte Alkoholreduktion bzw. -abstinenz mit einer neuen Wiederauffälligkeit mit Alkohol im Straßenverkehr zu rechnen. Vorerst sei die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht gegeben.

Im Rahmen des Parteiengehörs legte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom vor. Dieser kommt zusammenfassend nach Wiedergabe insbesondere der verkehrspsychologischen Stellungnahme zum Ergebnis, eine Einsicht des Beschwerdeführers und ein alkoholbezogenes Problembewusstsein seien "derzeit" prinzipiell gegeben. Die psychiatrische Untersuchung habe keine psychische Erkrankung oder schwere Persönlichkeitsstörung von Krankheitswertigkeit ergeben, die "momentan" eine Eignung zum Lenken von Kfz ausschließen würden. Beim Beschwerdeführer bestehe eingeschränkte Eignung zum Lenken von Kfz der Klassen A und B, empfohlen werde reduzierter Alkoholkonsum, im Idealfall völlige Abstinenz, alle drei Monate ein nervenfachärztlicher Kontrollbefund unter Einbeziehung einer "aktuellen GGT" sowie Alkoholabstinenz im Straßenverkehr.

In seiner Stellungnahme vom hiezu führte der Amtsarzt Dr. G. aus, die vorgelegte private Stellungnahme sei "nicht geeignet, die negative verkehrspsychologische Untersuchung zu konterkarieren". Die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung stelle einen psychologischen Teilbereich der Lenkeignung dar. Die private Stellungnahme bestätige die amtsärztliche Untersuchung, in der weder klinisch noch laborchemisch eine Alkoholkrankheit diagnostiziert worden sei. Die verkehrspsychologische Untersuchung habe zwar ergeben, dass die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen des Beschwerdeführers unbeeinträchtigt seien, es habe jedoch aus psychologischer Sicht ein abhängiges Trinkverhalten und Hinweise für einen schädlichen Alkoholgebrauch gefunden werden können, weiters Verharmlosungstendenzen bezüglich des Alkoholkonsums und ein Kontrollverlust beim Trinken. Dem Beschwerdeführer werde ein enormes Risiko der Rückfälligkeit in frühere Konsummuster und der Wiederauffälligkeit mit Alkohol im Straßenverkehr attestiert. Dies sei eine psychologische und keine medizinische Feststellung bzw. Prognose. Vor Wiedererteilung der Lenkberechtigung müsse der Beschwerdeführer seine Lenkeignung durch eine positive verkehrspsychologische Untersuchung nachweisen.

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom entzog der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen A und B auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung. Unter einem wurde ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 FSG ausgesprochen.

Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte der UVS aus, sowohl die verkehrspsychologische Stellungnahme als auch die amtsärztlichen Gutachten seien schlüssig und nachvollziehbar. Eine Zuweisung des Beschwerdeführers zu einer neuerlichen verkehrspsychologischen Untersuchung sei "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht opportun. Der vom Beschwerdeführer herangezogene Facharzt habe diesen nur einer nervenfachärztlichen Untersuchung unterzogen, verkehrspsychologische Aspekte seien nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Die Beurteilung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung falle jedoch zweifelsfrei in den Bereich der Verkehrspsychologie. Die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung sei beim Beschwerdeführer "derzeit" nicht gegeben. Bei diesem bestehe ein enormes Rückfallrisiko. Es sei davon auszugehen, dass er auch einer Auflage, sich beim Lenken von Kraftfahrzeugen jeglichen Alkoholkonsums zu enthalten, nicht entsprechen würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 31/2008 lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...


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2.
verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3.
gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
...
Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten hat auszusprechen, für welche Klassen von Lenkberechtigungen der Antragsteller gesundheitlich geeignet ist, darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als 18 Monate sein und ist von einem in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt gemäß § 34 zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

...

(6) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat nach den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit, dem jeweiligen Stand der medizinischen und psychologischen Wissenschaft und der Technik entsprechend, durch Verordnung die näheren Bestimmungen festzusetzen über:

1. die ärztliche Untersuchung und die Erstellung des ärztlichen Gutachtens (Abs. 1 und 2); ...

2. die verkehrspsychologische Untersuchung (Abs. 2) und die zu erfüllenden Mindesterfordernisse für den Nachweis der verkehrspsychologischen Eignung;

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit


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1.
die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2.
die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.
..."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der FSG-GV lauten (auszugsweise):

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

1. ärztliches Gutachten: ein von einem Amtsarzt oder von einem gemäß § 34 FSG bestellten sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin gemäß der Anlage erstelltes Gutachten, das in begründeten Fällen auch fachärztliche Stellungnahmen, gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt gemäß § 9 FSG oder erforderlichenfalls auch eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu umfassen hat.

2. fachärztliche Stellungnahme: diese hat ein Krankheitsbild zu beschreiben und dessen Auswirkungen auf das Lenken von Kraftfahrzeugen zu beurteilen und ist von einem Facharzt des entsprechenden Sonderfaches abzugeben. In dieser ist gegebenenfalls auch die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit mitzubeurteilen.

3. verkehrspsychologische Untersuchung eines Bewerbers um eine Lenkberechtigung oder eines Führerscheinbesitzers: diese besteht aus

a) der Prüfung seiner kraftfahrspezifischen verkehrspsychologischen Leistungsfähigkeit und

b) der Untersuchung seiner Bereitschaft zur Verkehrsanpassung.

4. amtsärztliche Nachuntersuchung: Grundlage für ein von einem Amtsarzt erstelltes ärztliches Gutachten über die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen eines Besitzers einer Lenkberechtigung; sie umfasst sowohl das Aktenstudium als auch die Beurteilung allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen sowie gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt und hat sich auf die gesundheitlichen Mängel zu beschränken, auf Grund derer die Nachuntersuchung vorgeschrieben wurde, es sei denn, anlässlich der Nachuntersuchung treten andere Auffälligkeiten auf.

...

Allgemeines

§ 2. ...

(2) Die verkehrspsychologische Untersuchung hat, je nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, den Gesichtspunkt der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besonders zu berücksichtigen. Sie kann in den Fällen des § 17 Abs. 3 Z 1 und 2 auf Grund einer positiven Kurzuntersuchung (Screening) abgekürzt werden.

...

Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

(3) Ergibt sich aus der Vorgeschichte oder anlässlich der Untersuchung der Verdacht auf das Vorliegen eines Zustandes, der die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, so ist gegebenenfalls die Vorlage allfälliger fachärztlicher oder verkehrspsychologischer Stellungnahmen zu verlangen. Diese Stellungnahmen sind bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im Gutachten in geeigneter Weise zu bewerten, wobei die zusätzlichen Risiken und Gefahren, die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 verbunden sind, besonders zu berücksichtigen sind.

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:


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a)
Alkoholabhängigkeit oder
b)
andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,
...
Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

(2) Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, haben ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.

(3) Personen, die ohne abhängig zu sein, in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, darf eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.

...

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

...

Verkehrspsychologische Stellungnahme

§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht


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1.
auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
2.
auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken. Mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung dreimal entzogen wurde, oder wenn ein Lenker wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 bestraft wurde.
Verkehrspsychologische Untersuchung

§ 18. (1) Die Überprüfung der einzelnen Merkmale ist nach dem jeweiligen Stand der verkehrspsychologischen Wissenschaft mit entsprechenden Verfahren vorzunehmen. Die Relevanz dieser Verfahren für das Verkehrsverhalten muss durch Validierungsstudien wissenschaftlich nachgewiesen werden.

(3) Für die Erfassung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist insbesondere das soziale Verantwortungsbewusstsein, die Selbstkontrolle, die psychische Stabilität und die Risikobereitschaft des zu Untersuchenden zu untersuchen sowie zu prüfen, ob eine Tendenz zu aggressiver Interaktion im Straßenverkehr besteht und ob sein Bezug zum Autofahren kritisch von der Norm abweicht. Zur Überprüfung der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung ist neben einem verkehrsbezogenen Persönlichkeitstest auch ein ausführliches Explorationsgespräch durchzuführen. Dieses darf nur von einem gemäß § 20 für Verkehrspsychologie qualifizierten Psychologen geführt werden oder, unter seiner Verantwortung und in seinem Beisein, von einem in Ausbildung zum Verkehrspsychologen befindlichen Psychologen.

..."

2. Die Beschwerde ist begründet.

2.1. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0095 mwN.) ist gemäß § 24 Abs. 4 erster Satz FSG im Falle des Fehlens der gesundheitlichen Eignung, zu der auch die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung zählt (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0217 mwN.), auf Grund des Gutachtens eines Amtsarztes gemäß § 8 FSG die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

§ 8 FSG regelt in seinem Abs. 2 die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens auf Grund der Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle und ordnet im Abs. 3 leg. cit. an, dass das ärztliche Gutachten "abschließend" auszusprechen hat, ob der Betreffende geeignet ist. Stützt sich das amtsärztliche Gutachten daher, wie gegenständlich, auf die Stellungnahmen von verkehrspsychologischen Untersuchungsstellen, so hat es sich mit diesen Stellungnahmen - nachvollziehbar - auseinander zu setzen (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/11/0287, und vom , Zl. 2003/11/0318).

2.2. Im Beschwerdefall ist der oben zusammengefasst wiedergegebenen verkehrspsychologischen Stellungnahme zu entnehmen, dass sich beim Beschwerdeführer das Bild einer sozial äußerst verantwortungsvollen Person mit unterdurchschnittlichen Aggressivitätswerten ergebe, dass es jedoch deutliche Hinweise auf ein abhängiges Trinkverhalten gebe und Verharmlosungstendenzen bezüglich der früheren bzw. aktuellen Konsumgewohnheiten "nicht ausgeschlossen" werden könnten. Es gebe Hinweise auf eine "Alkoholproblematik" sowie ein nur mangelndes Problembewusstsein bezüglich des Alkoholkonsums. Überdies wird - ohne nähere Begründung - ausgeführt, dass "derzeit ein enormes Risiko der Rückfälligkeit in frühere Konsummuster" bestehe, weshalb die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung nicht gegeben sei.

Aus dieser - wenngleich unzureichend begründeten und primär aus Mutmaßungen bestehenden - verkehrspsychologischen Stellungnahme ergaben sich für den Amtsarzt der Erstbehörde immerhin Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit des Beschwerdeführers oder zumindest eine mangelnde Fähigkeit, den Konsum von Alkohol so weit einschränken zu können, dass er beim Lenken von Kraftfahrzeugen nicht beeinträchtigt ist (§ 14 Abs. 1 FSG-GV).

Das Gutachten des Amtsarztes vom spricht zwar davon, dass sich aus dem klinischen Gesamteindruck kein Hinweis auf eine Alkoholkrankheit ergebe, übernimmt aber dennoch, ohne dies seinerseits zu begründen, die diesbezüglichen Ausführungen der verkehrspsychologischen Stellungnahme.

Nachdem der Beschwerdeführer eine Stellungnahme eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt hatte, derzufolge der Beschwerdeführer frei von psychischen Erkrankungen oder schweren Persönlichkeitsstörungen von Krankheitswertigkeit sei und eine beschränkte Eignung zum Lenken von Kfz aufweise (unter dem Vorbehalt der Vorlage periodischer nervenfachärztlicher Kontrollbefunde unter Einbeziehung aktueller GGT-Werte), bestätigte der Amtsarzt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom zwar, dass keine Alkoholkrankheit vorliege, hielt aber unter Hinweis darauf, dass die Ausführungen der psychologischen Stellungnahme zum Rückfallrisiko psychologische und nicht medizinische Feststellungen seien, die durch die Ausführungen des psychiatrischen Facharztes nicht entkräftet worden seien, an seiner ursprünglichen Einschätzung fest.

Mit diesen Ausführungen verkennt aber der Amtsarzt ebenso wie die den angefochtenen Bescheid darauf abstützende belangte Behörde, dass die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung einen Teil der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kfz darstellt und die Ausführungen einer verkehrspsychologischen Stellungnahme nicht schon deshalb, weil sie von einem Psychologen stammen, der näheren Beurteilung durch den ärztlichen Sachverständigen der Behörde sowie anderer Ärzte, insbesondere Fachärzte, entzogen sind. Es wäre vielmehr geboten gewesen, sich mit den Ausführungen der verkehrspsychologischen Stellungnahme, die auf eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung abzielten, im Detail auseinanderzusetzen und in diese Auseinandersetzung auch die abweichenden Beweisergebnisse der vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme, die von einer Einsicht des Beschwerdeführers in sein bisheriges Trinkverhalten ausgeht, einzubeziehen (vgl. zB. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom ). Insbesondere wäre es geboten gewesen zu begründen, weshalb nicht, wie vom Facharzt angenommen, mehr als ein halbes Jahr nach der letzten aktenkundigen Alkoholfahrt, im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde eine zumindest eingeschränkte gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers vorliege.

Indem es die belangte Behörde, auf der Basis einer unrichtigen Rechtsansicht, unterließ, eine Ergänzung des amtsärztlichen Gutachtens zu veranlassen, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am