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VwGH vom 05.07.2012, 2011/21/0252

VwGH vom 05.07.2012, 2011/21/0252

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-401129/5/Gf/Mu, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: B, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Feststellung, dass die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft seit dem ab 7.15 Uhr rechtswidrig ist, sowie im Kostenausspruch) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über Beschwerde des Mitbeteiligten vom , in der dieser beantragte, die Rechtswidrigkeit seiner Festnahme, der Schubhaftbescheide vom 26. August und sowie der Anhaltung in Haft ab festzustellen, aus, die auf § 76 Abs. 2a Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG gestützte Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft sei "seit dem ab 7.15 Uhr rechtswidrig". Außerdem gab sie einem entsprechenden Antrag des Mitbeteiligten insofern statt, als sie feststellte, dass zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung die Voraussetzungen für dessen weitere Anhaltung in Schubhaft "durch die belangte Behörde" nicht vorlägen. Sie verhielt den Bund zum Aufwandersatz.

Begründend stellte sie fest, der am geborene Mitbeteiligte, ein libanesischer Staatsangehöriger, sei erstmals am illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe die Gewährung von internationalem Schutz beantragt. Dabei habe er fälschlich behauptet, israelischer Staatsangehöriger und minderjährig zu sein. Im Zuge des Asylverfahrens sei hervorgekommen, dass er schon davor in fünf verschiedenen Staaten der Europäischen Union - erstmals in Spanien - gleichartige Anträge gestellt habe. Mit Bescheid vom habe das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen und zugleich die Ausweisung des Mitbeteiligten nach Spanien verfügt. Eine dagegen erhobene Beschwerde habe der Asylgerichtshof am zurückgewiesen. Am selben Tag sei der Mitbeteiligte auf dem Luftweg nach Spanien abgeschoben worden.

Bereits am sei er wiederum illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe neuerlich die Gewährung von internationalem Schutz beantragt. Unter Berücksichtigung der erwähnten Falschangaben, der bisherigen Reisebewegungen, seiner örtlichen Ungebundenheit, der Nichtbeachtung österreichischer Vorschriften sowie einer Verschleierung und Unterdrückung von Dokumenten habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am über ihn gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG die Schubhaft verhängt, in der er bis zu seiner (neuerlichen) Abschiebung am angehalten worden sei. Eine Schubhaftbeschwerde habe die belangte Behörde am als unbegründet abgewiesen.

Ungeachtet dieser Umstände sei der Mitbeteiligte am neuerlich nach Österreich eingereist und am Tag darauf nach Italien rücküberstellt worden.

Die nächste - mit der Stellung eines Asylfolgeantrages verbundene - Einreise in das Bundesgebiet sei am erfolgt. Am Tag darauf habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck neuerlich über ihn (zur Sicherung der Abschiebung und des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung nach § 10 AsylG 2005) gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG die Schubhaft verhängt.

Seine in der Folge für den auf dem Luftweg - über Wien nach Spanien - vorgesehene neuerliche Abschiebung habe er nach Betreten des Flugzeuges einer spanischen Linie (um 7.15 Uhr) dadurch vereitelt, dass er der Flugzeugbesatzung gegenüber androhte, er werde während des Fluges Probleme verursachen. Daraufhin sei er vom Kapitän zum Verlassen des Flugzeuges verhalten und von Sicherheitsorganen "des Postens Schwechat in das PAZ Wien verbracht" worden.

Rechtlich argumentierte die belangte Behörde, eine Anhaltung in Schubhaft ende "nach § 70 FPG mit dem Beginn der Abschiebung formlos", ab diesem Zeitpunkt gelte auch der ihr zu Grunde liegende Schubhaftbescheid als widerrufen. Eine darüber hinausgehende, zur zwangsweisen Durchführung der Abschiebung allenfalls erforderliche Anhaltung des Fremden sei gemäß § 13 FPG vielmehr als eine eigenständige Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, wobei die behördliche Zuständigkeit nach § 6 Abs. 4a FPG bis zur Ausreise des Fremden, also gemäß § 2 Abs. 4 Z. 2a FPG bis zum Verlassen des Bundesgebietes bestehe, und es insoweit auch unerheblich sei, ob die Abschiebung bzw. Ausreise erfolgreich gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe durch das unbestrittene Betreten eines nach dem "Flaggenstaatsprinzip" dem "Hoheitsbereich des spanischen Staates" unterliegenden spanischen Flugzeuges am - unbeschadet ob dessen Türen bereits geschlossen waren oder nicht - im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 2a FPG das Bundesgebiet verlassen. Die spätere Wegweisung aus dem Flugzeug und die sich daran anschließende Übernahme durch die Sicherheitsorgane des Stadtpolizeikommandos Schwechat stelle "analog einer Zurückschiebung (vom Ausland nach Österreich) dar". Dies ändere aber nichts daran, dass seine Abschiebung - wenngleich nicht erfolgreich - beendet sei.

Damit habe die gemäß § 6 Abs. 4a dritter Satz FPG begründete Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Besorgung der weiteren fremdenpolizeilichen Angelegenheiten geendet. Die örtliche Zuständigkeit nach dem Verlassen des Flugzeuges habe sich gemäß § 6 Abs. 4a erster Satz FPG wieder nach dem Aufenthaltsort des Mitbeteiligten (in Wien) gerichtet, sodass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Unrecht neuerlich mit Bescheid vom (gemäß § 76 Abs. 2a Z 1 FPG) die Schubhaft über den Mitbeteiligten verhängt habe. Die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft seit dem (ab 7.15 Uhr) erweise sich daher insgesamt als rechtswidrig.

Darüber hinaus sei festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung in Schubhaft "durch die belangte Behörde" nicht vorlägen. Die davor erfolgte Anhaltung ab dem sei dagegen aus den bereits dargestellten Gründen nicht zu beanstanden. Eine effektive Umsetzung der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme der Außerlandesschaffung habe angesichts der mehrfachen illegalen Wiedereinreisen offensichtlich nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit in Verbindung mit einer durch Sicherheitsorgane begleiteten Abschiebung sichergestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich insoweit, als die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft "seit dem " (ab 7.15 Uhr) als rechtswidrig festgestellt wurde, sowie im Ausspruch über den Aufwandersatz die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage sowie Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten erwogen:

§ 6 Abs. 4a FPG idF des FrÄG 2011 lautet:

"(4a) Die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel richtet sich nach dem Aufenthalt. Die örtliche Zuständigkeit zur Abschiebung richtet sich nach der Behörde, welche die Schubhaft verhängt oder das gelindere Mittel angeordnet hat. Die Zuständigkeit zur weiteren Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2) verbleibt bei jener Behörde, welche die Abschiebung veranlasst hat. Diese Zuständigkeit endet


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1.
mit der Ausreise des Fremden;
2.
zwei Monate nach der ursprünglichen Veranlassung der Abschiebung gemäß § 46 oder
3.
mit dem Ende der Schubhaft oder des gelinderen Mittels, sofern diese Maßnahme über den Zeitraum gemäß Z 2 hinaus andauert."
Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, der Mitbeteiligte habe allein durch das Betreten eines spanischen Flugzeuges am das Bundesgebiet verlassen. Damit sei gemäß § 6 Abs. 4a vierter Satz Z. 1 FPG auch die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zur Besorgung der weiteren fremdenpolizeilichen Angelegenheiten beseitigt worden, weshalb sie zur (neuerlichen) Verhängung von Schubhaft am nicht zuständig gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, eine Ausreise liege erst dann vor, wenn sich der Fremde (unfreiwillig oder nicht) ins Ausland begebe und nicht etwa schon dann, wenn eine "erzwungene Rückkehr" infolge Nichtübernahme im Zielstaat vorliege. Es sei daher auch unerheblich, in welchem Staat ein vom Fremden bereits betretenes, für die Durchführung der Abschiebung bestimmtes Luftfahrzeug registriert sei.
Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 2a FPG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 157/2005) ist die Ausreise das Verlassen des Bundesgebietes. Das hat mit dem von der belangten Behörde in ihrer Begründung herangezogenen "Flaggenstaatsprinzip" aber nichts zu tun: Demnach unterliegen etwa Flugzeuge der ausschließlichen Jurisdiktion des Staates, in dem sie registriert sind. Das gilt aber nur für den Fall, dass sich das Flugzeug im Gebiet des Registerstaates oder außerhalb der Gebietshoheit anderer Staaten (Antarktis, Hohe See) befindet. Ansonsten unterliegt ein Flugzeug (auch) der Jurisdiktion des Gebietsstaates (vgl. zum Ganzen etwa
Neuhold/Hummer/Schreuer, Handbuch des Völkerrechts (4. Auflage) Rz 2171; Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht (5. Auflage) Rz 555 und 557).
Das "Flaggenstaatsprinzip" bietet daher keine taugliche Grundlage dafür, das Betreten eines ausländischen, noch in Österreich befindlichen Flugzeuges durch einen Fremden als dessen Ausreise im Sinn eines geographischen Verlassens des Bundesgebietes gemäß § 2 Abs. 4 Z. 2a FPG zu werten. Allein auf ein derartiges Verlassen kommt es im gegebenen Zusammenhang aber an.
Hieraus folgt, dass die belangte Behörde zu Unrecht von einer Ausreise des Mitbeteiligten am und - darauf aufbauend - vom Fehlen einer fortdauernden Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gemäß § 6 Abs. 4a Z 1 FPG ab diesem Tag ausgegangen ist.
Der Bescheid war daher im Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am