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VwGH vom 22.12.2009, 2007/08/0245

VwGH vom 22.12.2009, 2007/08/0245

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Dipl. Ing. S B Y in Wien, vertreten durch Dr. Franz Thienen-Adlerflycht, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 9/Bäckerstraße 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2007-0566-9-000065, betreffend Zuerkennung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einem im Akt befindlichen Ausdruck über ihren Leistungsbezug bezog die Beschwerdeführerin ab Notstandshilfe.

Aus einer von der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten "Mitteilung über den Leistungsanspruch" des Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle D (in der Folge: AMS D), vom geht hervor, dass der Beschwerdeführerin Notstandshilfe bis gewährt werde. Die Mitteilung enthielt unter anderem folgenden Hinweis:

"Leistungsende

Bitte beachten Sie das umseitig angeführte voraussichtliche Ende Ihres Leistungsbezuges. Die Weitergewährung einer Leistung kann erst - sofern Sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen - aufgrund einer neuerlichen Antragstellung erfolgen. Für eine lückenlose Zahlung setzen sie sich bitte zeitgerecht mit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice in Verbindung."

Am stellte die Beschwerdeführerin einen weiteren Antrag auf Notstandshilfe.

Mit Bescheid des AMS Dresdner Straße vom wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin Notstandshilfe ab dem gebühre. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Notstandshilfe nicht innerhalb der gesetzten Frist, sondern erst am eingebracht habe.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie ab einer Maßnahme zugewiesen worden sei. Sie habe am eine Vorsprache beim AMS gehabt, bei welcher der nächste Vorsprachetermin "nach Kursende" festgesetzt worden sei. Der Kurs sei für fünf Wochen angesetzt gewesen, somit bis . Da der ein Feiertag sei, habe sie angenommen, dass der nächste Vorsprachetermin der sei. Dennoch sei sie am wieder beim AMS erschienen. Bei beiden Terminen sei ihr kein Antragsformular ausgehändigt worden. Im Bescheid erster Instanz sei die "festgesetzte Frist" nicht angegeben, es sei, abgesehen von der Wiederbestellung "nach Kursende", keine Frist festgesetzt gewesen. Dementsprechend habe sie am , obwohl sie im Krankenstand gewesen sei, beim AMS vorgesprochen. An diesem Termin sei ihr ein Antragsformular mit einer Frist bis ausgehändigt worden. Den Antrag habe sie fristgerecht eingebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung - abgesehen von den (hier nicht relevanten) in § 17 Abs 1 erster Satz AlVG vorgesehenen Fällen - frühestens ab der persönlichen Geltendmachung anfallen könne. Das Gesetz sehe für die Geltendmachung des Anspruchs - im Gegensatz zur Antragsrückgabe - keine Ausnahmen vor. Es sei nicht Aufgabe des AMS, Leistungsbezieher an ihre Antragstellung zu erinnern, sondern die Antragstellung liege in der Eigenverantwortung der Leistungsbezieher.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass, da ihr anlässlich ihrer persönlichen Vorsprachen vom 19. und kein Antragsformular ausgehändigt worden sei, die Wiederbestellung nach Ende des zugewiesenen Kurses als Setzung einer Frist für die neuerliche Geltendmachung zu werten sei. Da sie insofern rechtzeitig ihren Antrag eingebracht habe, sei ihr die Notstandshilfe rückwirkend mit zu gewähren. Im Übrigen wäre auch eine Verlängerung der Gewährung der Notstandshilfe über den hinaus möglich gewesen, da sich die Bezugsdauer durch ihre Teilnahme an einer Maßnahme im Sinne des § 12 Abs. 5 AlVG gemäß § 38 iVm § 18 Abs 4 AlVG verlängert habe.

§ 18 AlVG idF BGBl. I Nr. 71/2003 lautet auszugsweise:

"§ 18. (1) Das Arbeitslosengeld wird für 20 Wochen gewährt. Es wird für 30 Wochen gewährt, wenn in den letzten fünf Jahren vor Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen in der Dauer von 156 Wochen nachgewiesen werden.

...

(4) Die Bezugsdauer verlängert sich um die Dauer der Teilnahme an Maßnahmen gemäß § 12 Abs. 5.

..."

Gemäß § 35 Abs. 1 AlVG wird die Notstandshilfe jeweils für einen bestimmten, jedoch 52 Wochen nicht übersteigenden Zeitraum gewährt.

Gemäß § 38 AlVG, sind, soweit im Abschnitt 3 (Notstandshilfe) nichts anderes bestimmt ist, auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnitts 1 des AlVG sinngemäß anzuwenden.

§ 46 Abs. 1 und 3 AlVG lauten:

"§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die arbeitslose Person zum Zweck der Geltendmachung des Anspruches bereits persönlich vorgesprochen und können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so kann die regionale Geschäftsstelle vom Erfordernis der persönlichen Abgabe des Antrages absehen. Eine persönliche Abgabe des Antrages ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.

...

(3) Abweichend von Abs. 1 gilt:

1. Hat der Arbeitslose zwecks Geltendmachung von Arbeitslosengeld bei einer regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen und stellt sich später heraus, dass hiefür nicht diese, sondern eine andere regionale Geschäftsstelle zuständig ist, so gilt als Tag der Geltendmachung der Tag der Vorsprache bei der erstgenannten regionalen Geschäftsstelle, sofern der Arbeitslose seinen Antrag binnen angemessener Frist bei der an sich zuständigen regionalen Geschäftsstelle einbringt.

2. Hat der Arbeitslose zwecks Geltendmachung von Arbeitslosengeld bei einem Amtstag der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen, so gebührt das Arbeitslosengeld bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sofern die Vorsprache an dem auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit nächstfolgenden Amtstag erfolgt ist.

3. Hat der Arbeitslose seinen Wohnsitz (Aufenthaltsort) nach Eintritt der Arbeitslosigkeit in den Zuständigkeitsbereich einer anderen regionalen Geschäftsstelle verlegt, so gebührt das Arbeitslosengeld bei Erfüllung, der sonstigen Voraussetzungen ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sofern der Arbeitslose binnen angemessener Frist bei der nunmehr zuständigen regionalen Geschäftsstelle zwecks Geltendmachung des Arbeitslosengeldes vorspricht."

Gemäß § 58 AlVG sind auf das Verfahren in Angelegenheiten der Notstandshilfe die Verfahrensbestimmungen über das Arbeitslosengeld anzuwenden.

Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs 1 AlVG kommt es für die Qualifizierung eines Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die das Gesetz den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, auf die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars innerhalb der in § 46 Abs 1 AlVG genannten Fristen an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0115, mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nimmt § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterlassener fristgerechter Antragstellungen vor. Diese abschließende Normierung lässt es - selbst im Falle des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst in jenen Fällen, in denen ein Arbeitsloser auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, dieser auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen ist und die Fiktion einer dem Gesetz entsprechenden Antragstellung keine gesetzliche Grundlage findet. Die formalisierte Antragstellung im Sinne des § 46 AlVG, der eine abschließende Regelung enthält, schließt also selbst eine Bedachtnahme auf Fälle unverschuldet unterbliebener Antragstellung aus (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0330, mwN).

Gemäß § 35 Abs. 1 AlVG wird die Notstandshilfe jeweils für einen bestimmten, jedoch 52 Wochen nicht übersteigenden Zeitraum gewährt. Nach Ablauf dieser Zeit bedarf es eines neuerlichen Antrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 15.699 A, mwN). § 35 AlVG enthält eine spezielle Bestimmung hinsichtlich der Dauer der Zuerkennung von Notstandshilfe, sodass die von der Beschwerdeführerin geforderte Anwendung der Bestimmung des § 18 Abs. 4 AlVG auf die Notstandshilfe gemäß § 38 AlVG nicht in Frage kommt.

Die Beschwerdeführerin bezog seit Notstandshilfe, sodass die Bezugsdauer von 52 Wochen am erschöpft war und sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht gemäß § 18 Abs. 4 AlVG verlängerte. Die Wiederbestellung "nach Kursende" stellt keine Fristsetzung im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG dar, da diese Frist nach dem Wortlaut der Bestimmung zur "Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars" einzuräumen ist und der Beschwerdeführerin auch nach ihrem eigenen Vorbringen im Rahmen ihrer Vorsprachen gar kein Formular ausgehändigt worden war. Die neuerliche Antragstellung erfolgte erst am . Da § 46 AlVG nach dem Gesagten eine abschließende Regelung darstellt, ist die von der Beschwerdeführerin geforderte analoge Anwendung von § 46 Abs. 3 AlVG auf den vorliegenden Fall ausgeschlossen. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, dass ihr am 19. und am kein Antragsformular zur Verfügung gestellt und ihr somit keine Möglichkeit zur Antragstellung eingeräumt worden sei, ist sie auf die oben zitierte Judikatur zu verweisen, dass selbst eine falsche Auskunft durch das AMS nicht zur Fiktion rechtzeitiger Antragstellung, sondern allenfalls nur zu Amtshaftungsansprüchen führt.

Wenn die Beschwerdeführerin moniert, dass über den hier streitgegenständlichen Zeitraum vor dem nicht abgesprochen worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass, wie sich auch aus dem Bescheidspruch im Zusammenhalt mit der Begründung ergibt, mit der Zuerkennung der Leistung ab dem in einem ein Anspruch auf eine Leistung für den davor liegenden Zeitraum verneint worden ist. Dass dies von der Beschwerdeführerin auch so verstanden worden ist, zeigt sich schon aus ihrer Berufung, die sich nicht gegen die Zuerkennung oder die Höhe der Leistung ab dem richtete, sondern gegen die damit materiell erfolgte Abweisung eines Leistungsanspruches für die hier streitgegenständliche Zeit davor (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0179).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am