VwGH vom 20.10.2011, 2009/11/0045

VwGH vom 20.10.2011, 2009/11/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der I A in J, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark vom , Zl. UVS 34.12-4/2008-27, UVS 30.12-7/2008-27, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und Arbeitsruhegesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der B. Transport GmbH nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für schuldig befunden, sie habe es zu verantworten, dass der Arbeitnehmer T. zu näher genannten Zeitpunkten zwischen dem und dem als Lenker von Lastkraftwagen im internationalen Straßenverkehr beschäftigt gewesen sei und dabei gegen näher genannte Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoßen habe (Überschreitung der zulässigen Lenkzeiten und Nichteinhaltung der Ruhezeiten und Pausen). Über die Beschwerdeführerin wurden nach den entsprechenden Ziffern des § 28 Abs. 1a und 1b des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und nach § 27 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes (ARG), jeweils idF BGBl. I Nr. 138/2006, sieben Geldstrafen im Ausmaß von EUR 100,-- bis EUR 1.815,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die festgestellten Lenk- und Ruhezeiten des Lenkers T. beruhten auf einer Auswertung der digitalen Daten aus der Fahrerkarte und dem Kontrollgerät durch das Arbeitsinspektorat. Konkrete Fehler dieser Auswertung seien von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt worden; sie habe lediglich Aktivitätsprotokolle mit unzulänglichen Auswertungen und nur für drei Kalenderwochen vorgelegt. Ein effektives Kontrollsystem habe die Beschwerdeführerin für ihren Betrieb nicht darlegen können. So habe sie etwa den zwischen den Abgabeterminen der Fahrerkarte liegenden Zeitraum von 28 Tagen nicht genützt, um den Fahrer während der Fahrten auf Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften überprüfen zu lassen, obwohl ein Kontakt per Funk oder Telefon jederzeit möglich gewesen wäre. Überdies sei zur Tatzeit im Betrieb der Beschwerdeführerin ein Auswertungsprogramm verwendet worden, das eine Überprüfung der Ruhezeiten und Pausen gar nicht ermöglicht hätte. Das Berufungsvorbringen, die Beschwerdeführerin hätte alles getan um den Fahrer einzuschulen und die Einhaltung von Weisungen sicherzustellen, treffe daher nicht zu, weshalb nicht von einer Schuldlosigkeit der Beschwerdeführerin iSd § 5 Abs. 1 VStG auszugehen sei.

Zu den Strafhöhen verwies die belangte Behörde auf die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Die Beschwerdeführerin lässt in der Beschwerde die Erfüllung des Tatbestandes in objektiver Hinsicht unbestritten und wendet sich ausschließlich gegen den Vorwurf, sie habe im konkreten Fall durch mangelnde Einrichtung eines effektiven Kontrollsystems fahrlässig gehandelt.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Arbeitgeber (der Verantwortliche gemäß § 9 Abs. 1 VStG) hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften verpflichtet, ein dem konkreten Betrieb entsprechendes, wirksames Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es etwa gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, dass sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber (der Verantwortliche gemäß § 9 Abs. 1 VStG) glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im Einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm ein Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/11/0289, vom , Zl. 2003/11/0231, und vom , Zl. 2007/11/0256, jeweils mwN).

1.3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und dem Verwaltungsakt zunächst, dass sich die belangte Behörde mit der "Frage des Kontrollsystems" auseinandergesetzt und dazu ausreichende Feststellungen getroffen hat.

1.4. Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin in einer - auf Aufforderung der belangten Behörde erstatteten - Berufungsergänzung behauptet, sie "erteile sowohl den Fahrern als auch den zuständigen Disponenten die ausdrückliche Weisung, sämtliche Lenk- und Ruhezeiten genauestens einzuhalten", und überprüfe dies auch. Bei Nichteinhaltung der Weisungen setze sie "umgehend Maßnahmen"; Mitarbeitern, die die Lenkzeiten überschritten, drohe "sogar die fristlose Entlassung". Sämtliche Mitarbeiter würden "regelmäßig eingeschult" und seien über ihre Pflichten "genauestens informiert". Der Lenker T. hatte in der Berufungsverhandlung vorgebracht, er habe mit der Beschwerdeführerin nie zu tun gehabt. Der Disponent K. oder der Personalchef W. hätten mit ihm gesprochen, wenn beim Auslesen der Fahrerkarte (alle 28 Tage) und des Tachografen (alle drei bis vier Monate) Verstöße ersichtlich geworden seien. Unterwegs sei der Lenker T. von seiner Firma nie angerufen worden. Wenn er dem Disponenten K. die durch die Verkehrssituation in Italien verursachten Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten geschildert habe, habe dieser nur gemeint: "Ihr wisst doch wie es läuft", was für den Lenker geheißen habe, man könne daran nichts ändern. Der Lenker T. brachte nicht vor, dass ihm jemals eine "Maßnahme" oder gar die "fristlose Entlassung" angedroht worden sei. Über die Arbeitszeitvorschriften sei er nicht eingeschult worden, da er sie bereits vorher gekannt habe. Der Disponent K. gab an, er habe alle 28 Tage die Fahrerkarten mit einem Computerprogramm ausgewertet, das allerdings nur geeignet gewesen sei, Lenk-, Arbeits- und Bereitschaftszeiten zu errechnen, nicht jedoch Verstöße gegen die Einhaltung von Ruhezeiten und Pausen anzuzeigen. Wenn er Überschreitungen der Lenkzeiten festgestellt habe, habe er mit den Fahrern darüber gesprochen und den Personalchef W. per E-Mail über die Verstöße innerhalb bestimmter Zeiträume informiert.

Vom Verwaltungsgerichtshof ist im Rahmen der ihm zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung den übereinstimmenden - unter Wahrheitspflicht erstatteten - Angaben der Zeugen T. und K. zum behaupteten Kontrollsystem Glauben schenkte. Dem steht das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsergänzung und jenes ihres Vertreters in der Verhandlung schon deshalb nicht entgegen, weil es (entgegen der zitierten Rechtsprechung) keine konkreten Angaben zur Ausgestaltung des Kontrollsystems im Einzelnen enthält. Insbesondere wurden weder die mangelhaften Auswertungsmöglichkeiten des im Betrieb verwendeten Computerprogramms noch das Fehlen einer (etwa telefonischen) Überwachung des Lenkers T. in den vierwöchigen Zeiträumen zwischen der Auslesung der Fahrerkarten (trotz der bekannten Probleme mit der Verkehrssituation in Italien) bestritten. Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie vom Mangel eines wirksamen Kontrollsystems ausging.

2. Soweit die Beschwerdeführerin weiters vorbringt, die belangte Behörde habe ihre Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verletzt, weil sie die Beschwerdeführerin nicht "zu weiterem Vorbringen zum funktionierenden Kontrollsystem" angeleitet habe, genügt es darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin während des gesamten Berufungsverfahrens anwaltlich vertreten war und überdies § 13a AVG nach der ständigen hg. Judikatur keine Anleitung in materiellrechtlicher Hinsicht verlangt (vgl. etwa die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 13a, Rz 6).

3. Dem Beschwerdevorbringen schließlich, die erstinstanzliche und die belangte Behörde hätten die Strafen auf "nicht mehr existierende Gesetzesbestimmungen, nämlich die Absätze 1a und b des § 28 AZG" gestützt, ist zu entgegnen, dass nach § 1 Abs. 2 VStG die Anwendung der zur Zeit der Tatbegehung geltenden Vorschriften geboten war und beide Behörden daher - jedenfalls betreffend die zwischen und begangenen Übertretungen - zu Recht die (laut BGBl. I Nr. 61/2007, Art. 1 Z 20 und Art. 2 Z 4) von bis in Kraft gewesenen Strafbestimmungen idF BGBl. I Nr. 138/2006 ihren Bescheiden zugrunde legten. Hinsichtlich der zwischen 6. und begangenen Verstöße wäre sogar § 28 Abs. 1a AZG in der davor in Kraft gewesenen Fassung BGBl. I Nr. 175/2004 anzuwenden gewesen. Dass die Anwendung dieser Bestimmung auf die vor dem begangenen Verstöße oder insgesamt die Heranziehung der im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in Kraft gewesenen (§ 1 Abs. 2 VStG), somit ab geltenden Strafbestimmungen des § 28 Abs. 3 und 4 AZG idF BGBl. I Nr. 61/2007 für die Beschwerdeführerin günstiger gewesen wäre, wurde jedoch weder in der Beschwerde vorgebracht noch ist solches - angesichts des substanziell unverändert gebliebenen Inhaltes der relevanten Strafbestimmungen und der gleich gebliebenen Strafsätze - für den Verwaltungsgerichtshof ersichtlich.

4. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am