VwGH vom 22.12.2009, 2007/08/0228
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2007/08/0230
2007/08/0229
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des JE in W, vertreten durch Dr. Kurt-Heinrich Wolfmair, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 7, gegen die auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , 1.) Zl. LGSOÖ/Abt.4/2007-0566-4-000349/2007-2 (protokolliert zu 2007/08/0228), 2.) Zl. LGSOÖ/Abt.4/2007-0566-4- 000350/2 (protokolliert zu 2007/08/0229) und
3.) Zl. LGSOÖ/Abt.4/2007-0566-4-000348/2007-2 (protokolliert zu 2007/08/0230), betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist laut einem dem Akt angeschlossenen Firmenbuchauszug mit einem Anteil von 25 v.H. an der M GmbH beteiligt und seit ihrer Gründung im Jahre 1992 deren handelsrechtlicher Geschäftsführer. Die M GmbH führt einen Hotelbetrieb; mit der jährlichen winterbedingten Einstellung dieses Hotelbetriebes meldete sich der Beschwerdeführer jeweils beim Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Regionale Geschäftsstelle S (in der Folge: AMS S), arbeitslos. Das organschaftliche Verhältnis zur M GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer blieb allerdings durchgehend aufrecht.
In den Antragsformularen für die Gewährung von Arbeitslosengeld vom , , , , und kreuzte der Beschwerdeführer bei den Punkten "Ich war bzw. bin selbständig erwerbstätig" sowie "Ich stehe derzeit in Beschäftigung (z.B. Dienstnehmer, Hausbesorger, Mitarbeiter im Familienbetrieb, Geschäftsführer)" jeweils "Nein" an. Aus den den Anträgen beigelegten Arbeitsbestätigungen geht hervor, dass der Beschwerdeführer jeweils von März bzw. April bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses am 31. Oktober des selben Jahres als Geschäftsführer der M GmbH beschäftigt war.
Auf Grund eines Ausdrucks aus der Firmendatenbank C vom wurde das AMS S darauf aufmerksam, dass der Beschwerdeführer ohne Unterbrechung handelsrechtlicher Geschäftsführer der M GmbH war.
Am erließ das AMS S drei Bescheide betreffend den Beschwerdeführer. Mit dem ersten Bescheid wurde das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers für die Zeiträume vom
26. bis zum , vom bis zum , vom bis zum , vom bis zum , vom bis zum , vom bis zum sowie vom bis zum widerrufen und unberechtigt empfangene Leistungen in der Höhe von EUR 22.919,22 rückgefordert. Mit dem zweiten Bescheid wurde festgestellt, dass im Zeitraum vom bis zum mangels Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestand. Mit dem dritten Bescheid wurde das Arbeitslosengeld für den Beschwerdeführer mit eingestellt.
Mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurde den Berufungen des Beschwerdeführers gegen diese Bescheide des AMS S keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer handelsrechtlicher und laut Auskunft der BH K seit auch gewerberechtlicher Geschäftsführer der M GmbH sei. Es liege im Falle eines Geschäftsführers einer GmbH, solange dieser im Organverhältnis zur GmbH stehe, keine Arbeitslosigkeit vor. Dies gelte auch für Zeiträume, in denen der Betrieb vorübergehend - etwa saisonbedingt - geschlossen sei.
Im Hinblick auf die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Leistungen führte die belangte Behörde im erstangefochtenen Bescheid darüber hinaus aus, der Beschwerdeführer habe anlässlich seiner Antragstellung dem AMS nicht bekannt gegeben, dass er die Funktion eines handelsrechtlichen Geschäftsführers innehabe. Dem AMS sei unter Zugrundelegung der Arbeitsbescheinigungen zu keiner Zeit erkennbar gewesen, dass ein durchgehend aufrechtes Organverhältnis des Beschwerdeführers zur M GmbH bestanden habe. Der Beschwerdeführer habe beim Punkt "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" in seinen Antragsformularen immer "Nein" angekreuzt. Die Tätigkeit als Geschäftsführer sei im Antragsformular immer mit einem Zeitraum, welcher mit den Arbeitsbescheinigungen übereinstimme, angegeben worden. Das AMS habe daher annehmen können, dass eine Tätigkeit als Geschäftsführer nach dem angegebenen Beschäftigungsende nicht mehr aufrecht gewesen sei. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liege unter anderem dann vor, wenn die Behörde im Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stelle und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet werde. Das Risiko des Rechtsirrtums, aus welchem heraus eine arbeitslose Person meine, eine Angabe nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, sei von ihr selbst zu tragen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AlVG ist eine der Voraussetzungen des Anspruches auf Arbeitslosengeld die Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 leg. cit. Nach dieser Bestimmung ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.
Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf dieses wegfällt.
Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengelds zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt .
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Geschäftsführern von Gesellschaften mit beschränkter Haftung muss zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dem Anstellungsvertrag unterschieden werden. Durch die Bestellung wird die gesellschaftsrechtliche Funktion des Geschäftsführers mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten begründet. Durch den Anstellungsvertrag werden die zusätzlichen, rein schuldrechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zur Gesellschaft geregelt. Sein Hauptinhalt auf Seiten des Geschäftsführers ist die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgezeichneten Verpflichtungen zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung. Bereits durch den wirksamen gesellschaftsrechtlichen Bestellungsakt ergibt sich im Wesentlichen die Pflicht des Geschäftsführers zur Geschäftsführung, sodass der Anstellungsvertrag eine bloße Ergänzung des Organverhältnisses bewirkt. Durch die Beendigung des Anstellungsverhältnisses wird nicht einmal die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers (soweit sie mit der Innehabung der Funktion nach dem GmbH-Gesetz zwingend verbunden ist) zur Gänze ausgesetzt, sondern es wird nur die nähere Ausgestaltung der durch das Organschaftsverhältnis vorgeschriebenen Verpflichtung zur Dienstleistung und zur Geschäftsbesorgung, also das "Wie" der Ausübung derselben aufgehoben. Die bloße Beendigung des Anstellungsverhältnisses allein vermag daher die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG nicht zu bewirken und den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu begründen. Da die Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers nach wie vor besteht, ist es auch gleichgültig, ob er für seine Geschäftsführertätigkeit weiterhin ein Entgelt erhält oder nicht. Auch auf die tatsächliche Tätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses kommt es nicht an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2006/08/0270, mwN, ebenfalls betreffend die Arbeitslosigkeit eines Geschäftsführers eines Saisonbetriebes).
Der Beschwerdeführer war somit, da er seit der Gründung der M GmbH durchgehend deren handelsrechtlicher Geschäftsführer war, nicht im Sinne des § 12 AlVG arbeitslos. Daher erfolgte der Widerruf des Arbeitslosengelds im erstangefochtenen Bescheid, die Feststellung des Nichtbestehens des Anspruches auf Arbeitslosengeld vom bis zum im zweitangefochtenen Bescheid sowie die Einstellung des Arbeitslosengelds mangels Arbeitslosigkeit im drittangefochtenen Bescheid zu Recht.
Hinsichtlich der Rückforderung der unberechtigt empfangenen Leistungen in der Höhe von EUR 22.919,22 im erstangefochtenen Bescheid ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass objektiv unrichtige Angaben im Antrag auf Arbeitslosengeld allein noch nicht die Rückersatzverpflichtung nach § 25 Abs. 1 AlVG wegen "unwahrer Angaben" oder "Verschweigung maßgebender Tatsachen" begründen. Schon die Verwendung der Begriffe "unwahr" (und nicht bloß "unrichtig") bzw. "verschweigen" deutet nämlich auf eine subjektive Komponente hin, das heißt, dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv falsche Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Der Beschwerdeführer kannte allerdings den wahren Sachverhalt, nämlich dass er handelsrechtlicher Geschäftsführer der M GmbH war. Auf Grund der ausdrücklichen Nennung von "Geschäftsführer" im Klammerausdruck bei der Frage "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" im Antragsformular musste ihm auch klar sein, dass er seine Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer anzugeben hatte.
Die sich aus der in § 25 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung von Antragstellern auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liegt daher jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Antragsteller meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen . Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist. Maßgeblich ist nur, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem Arbeitsmarktservice gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruchs in einer zumindest gleichwertigen Weise (zum Beispiel durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde (vgl. wiederum das schon zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Der Beschwerdeführer hat zwar angegeben, dass er in den aus den Arbeitsbescheinigungen hervorgehenden Zeiträumen Geschäftsführer der M GmbH gewesen ist, er hat aber nicht offengelegt, dass seine Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen weiterhin aufrecht war. Insofern waren seien Angaben im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung unvollständig. Es war im konkreten Fall weder auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers im Antragsformular noch auf Grund der vorgelegten Arbeitsbescheinigungen erkennbar, dass der Beschwerdeführer über die dort angegebenen Zeiträume hinaus durchgehend handelsrechtlicher Geschäftsführer der M GmbH war. Angesichts der klaren und in sich widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers war die Behörde auch nicht veranlasst, amtswegig weitere Ermittlungen vorzunehmen.
Die Rückforderung der unberechtigt empfangenen Leistungen erfolgte somit ebenfalls zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am