VwGH vom 30.09.2015, Ro 2014/15/0018

VwGH vom 30.09.2015, Ro 2014/15/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Univ. Prof. Dr. F Z in L, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1089-L/10, miterledigt RV/1090-L/10, RV/1345-L/10, betreffend Einkommensteuer 2005, 2006 und 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Revision und dem mit ihr vorgelegten Bescheid geht hervor:

Der Revisionswerber ist Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät einer österreichischen Universität. Neben Einkünften aus dem Dienstverhältnis und Vermietungen erzielte er in den Streitjahren selbständige Einkünfte aus Rechtsberatungen bzw. Rechtsgutachten.

In den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 sowie in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 beantragte der Revisionswerber, bei den selbständigen Einkünften einen Forschungsfreibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 ("Frascati-Freibetrag") gewinnmindernd in Ansatz zu bringen. Nach den Angaben eines Beraters entspreche ein Großteil seiner Tätigkeit den Begriffsbestimmungen der Verordnung BGBl. II Nr. 506/2002.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen des Revisionswerbers betreffend Einkommensteuer 2005, 2006 und 2008 ab und änderte den Bescheid betreffend Einkommensteuer 2008 ab. Der jeweils geltend gemachte "Frascati-Freibetrag" wurde von der belangten Behörde nicht gewinnmindernd berücksichtigt.

Die belangte Behörde führte - nach Schilderung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, die zu beurteilenden Rechtsgutachten würden Feststellungen und Lösungsansätze zur Geltung, Anwendbarkeit und Interpretation von nationalen, europarechtlichen und völkerrechtlichen Rechtsnormen für spezifische Gestaltungsakte der jeweiligen Auftraggeber (vorwiegend öffentliche Hand bzw. Betriebe in deren Einflussbereich) zu folgenden Themen betreffen:


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Gestaltungsmöglichkeiten Maastricht-neutraler PPP-Modelle betreffend bestimmte Infrastrukturvorhaben der öffentlichen Hand;
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Optimierungen bei dem Vergaberecht unterliegenden Auftragsvergaben öffentlicher Unternehmen;
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Spielräume bei der Umsetzung bestimmter EU-Richtlinien;
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Gestaltung von gesetzlichen Rahmenbedingungen für Bauführungen in Bergbaugebieten;
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Zusammenfassung der internationalen, europarechtlichen und innerstaatlichen Rahmenbedingungen für mögliche Beteiligungen eines Auftraggebers an Privatisierungen in Osteuropa;
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Aufbereitung der völkerrechtlichen Rechtsgrundlagen und Darstellung der Möglichkeiten von Schadenersatzansprüchen gegen die USA infolge der "von dieser ausgelösten Wirtschaftskrise" für einen Bankenkonzern.
Dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Bearbeitung dieser Aufträge neue Erkenntnisse erlangt habe, sei ebenso wie die Tatsache, dass die Rechtsgutachten auf höchstem wissenschaftlichem Standard und unter Zugrundelegung des vom Revisionswerber auf den betreffenden Gebieten angesammelten Wissens ausgearbeitet worden seien, völlig unstrittig.
Die Verordnung BGBl. II Nr. 506/2002 sowie das zur Auslegung heranzuziehende "Frascati-Manual 2002" legten als Grundsatz fest, dass Forschung und Entwicklung nur dann vorliege, wenn primäres Ziel die Gewinnung neuer Produkte oder von allgemein anwendbaren Verfahren sei. Neben dem Hervorkommen signifikanter Neuerungen und/oder der Beseitigung wissenschaftlicher und technologischer Unsicherheiten komme insbesondere dem Umstand besondere Bedeutung zu, ob die aus einer angewandten Forschung neu gewonnenen Erkenntnisse/Lösungen von allgemeiner Gültigkeit und insbesondere für mehr als eine Organisation von Interesse seien.
Das Manual unterstelle Arbeiten in den Sozialwissenschaften (zu denen auch die Rechtswissenschaften gehörten) von routinemäßiger Natur, die bestehende Grundsätze, Methoden und Modelle auf ein bestimmtes Teilproblem zur Anwendung brächten, nicht dem Forschungsbegriff, sondern beurteile diese als an die Forschung angrenzende Tätigkeiten. Auch Studien zur Unterstützung politischer Entscheidungen bzw. der Firmenpolitik sowie Machbarkeitsstudien klassifiziere das Manual als an Wissenschaft und Technologie angrenzende Tätigkeiten.
Für die Beurteilung der Auftragsgutachten als Forschung komme in Anbetracht des Umstandes, dass diesen eher der Charakter von Entscheidungshilfen für die Auftraggeber zukomme, zur geforderten Allgemeingültigkeit der gewonnenen Erkenntnisse und dem daraus erzielbaren Nutzen für weitere Anwender den Kriterien der Veröffentlichung/Präsentation und den Bewertungen durch den facheinschlägigen Kollegenkreis erhöhte Bedeutung zu.
Die Gutachten seien beinahe ausschließlich den Auftraggebern und diesen nahestehenden Institutionen überlassen worden. Bei den Tätigkeiten handle es sich nach Angaben des Revisionswerbers um Arbeiten iSd § 26 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, für die aber keine Sachmittel und Personal der Universität in Anspruch genommen worden seien. Die belangte Behörde habe den Revisionswerber um Beibringung einer Bestätigung bzw. Meldung nach § 26 Universitätsgesetz 2002 ersucht; eine Vorlage sei aber nicht erfolgt. Für die belangte Behörde sei somit nicht erwiesen, ob es sich tatsächlich um Forschung iSd § 26 leg. cit. gehandelt habe.
Die belangte Behörde habe den Revisionswerber weiter aufgefordert, Nachweise zu den von ihm angegebenen Verwertungen (Gegenstand von Lehrveranstaltungen, Tagungen, Publikationen) vorzulegen; derartige Nachweise seien nicht vorgelegt worden. Für die belangte Behörde sei somit nicht nachvollziehbar, welche Ergebnisse und Erkenntnisse konkret in die angegebenen Präsentationen und Publikationen Eingang gefunden hätten und insbesondere welche Verfahren abstrakt auf vergleichbare Sachverhalte übertragbar seien.
Die belangte Behörde sehe es nicht als erwiesen an, dass die Rechtsgutachten zu den spezifischen Fragestellungen der jeweiligen Auftraggeber primär zum Ziel gehabt hätten, neue, allgemein anwendbare Verfahren zu gewinnen, sondern diese Entscheidungshilfen für die jeweiligen Auftraggeber darstellen sollten und somit als an die Forschung angrenzende wissenschaftliche Tätigkeiten anzusehen seien. Insbesondere sei die allgemeine Gültigkeit und Anwendbarkeit nicht nachgewiesen worden.
Aus den vorgelegten Unterlagen ließen sich weder die signifikanten Neuerungen gegenüber dem Ausgangsstand des Wissens klar abgrenzen noch könnten allgemein gültige Verfahren, die nicht nur für den Auftraggeber von Nutzen seien, in der gebotenen Deutlichkeit identifiziert werden. Untermauert werde dies auch mit dem im Berufungsverfahren eingeholten Befund der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), die ebenfalls zur Ansicht gelangt sei, dass keine Forschung und Entwicklung (iSd § 108c EStG 1988) vorliege und dies auf die unzureichende Erläuterung der konkreten Anwendbarkeit und auch der wissenschaftlichen Methoden stütze.
Zusammenfassend gelange die belangte Behörde daher zum Ergebnis, dass es sich bei den erstellten Rechtsgutachten um eine an die Forschung angrenzende Tätigkeit handle. Die Projekte seien Studien zur Unterstützung unternehmens- und rechtspolitischer Entscheidungen. Auf die (Höhe der) Forschungsausgaben sei daher nicht mehr näher einzugehen.
Der Einkommensteuerbescheid 2008 sei insoweit abzuändern gewesen, als im Hinblick auf die Nicht-Berücksichtigung des Forschungsfreibetrages ein höherer Gewinnfreibetrag anzusetzen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Revision wird geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Anerkennung der Aufwendungen als Forschungsfreibetrag gemäß "Frascati-Manual" lägen vor. Die Tätigkeiten des Revisionswerbers erfüllten sowohl aufgrund ihrer Methodik als auch aufgrund ihrer Zielsetzungen den Begriff der angewandten Forschung mit Ausrichtung auf die vom jeweiligen Auftraggeber vorgegebenen Zwecke. Ziel sämtlicher Rechtsgutachten sei die Feststellung und Erarbeitung von Lösungsansätzen zu spezifischen rechtlichen Fragen gewesen, wobei insbesondere die Auslegung von nationalen, unionsrechtlichen und völkerrechtlichen Rechtsvorschriften bezogen auf konkrete Fragestellungen der Auftraggeber Gegenstand der Tätigkeiten des Revisionswerbers gewesen sei. Sämtliche Projekte des Revisionswerbers hätten die ausführliche Auseinandersetzung mit bestehenden Rechtsvorschriften zur Ermittlung spezifischer Auslegungsvarianten der rechtlichen Grundlagen zum Inhalt. Es handle sich dabei jedenfalls um eine schöpferische Tätigkeit, zumal jeder Sachverhalt eine für diesen Sachverhalt neue Auslegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften erforderlich mache. Erfolge die Beurteilung komplexer Sachverhalte in Bezug auf die einzelnen Projekte unter Berücksichtigung wissenschaftlicher methodischer Standards zur Interpretation und Rechtsfortbildung, handle es sich dabei um geisteswissenschaftliche Forschungstätigkeit. Die Tatsache, dass Forschungstätigkeit im rechtswissenschaftlichen Bereich nicht zu einem physisch greifbaren neuen Objekt führe, stehe der Definition dieser Tätigkeit als Forschung nicht entgegen. Die Erarbeitung neuer Ansätze, Ideen und Anwendungsmöglichkeiten der Rechtsauslegung unter Wahrung methodischer Grundlagen stelle eine kreative Tätigkeit dar, die in den relevanten Fällen auch zu neuen Ergebnissen geführt habe. Der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen komme entgegen der belangten Behörde keine erhöhte Bedeutung zu, sehe doch das Frascati-Manual sogar ausdrücklich vor, dass die Forschungsergebnisse auch geheim gehalten werden könnten. Die meisten Forschungsergebnisse des Revisionswerbers seien aber ohnehin veröffentlicht worden. Die von der belangten Behörde vorgenommene Abgrenzung zu "an die Forschung angrenzende wissenschaftliche Tätigkeit" sei weder § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 (idF BGBl. I Nr. 161/2005) noch der Verordnung über die Kriterien zur Festlegung förderbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen noch dem Frascati-Manual zu entnehmen. Eine "Bestätigung" gemäß § 26 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 sei für die Klassifizierung als Forschungstätigkeit irrelevant. § 26 Universitätsgesetz 2002 habe ausschließlich arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen und die Budgetkoordination der Universität zum Regelungsgegenstand. Als Verfahrensmangel macht der Revisionswerber geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht ihrer Entscheidung die Stellungnahme der FFG über die Klassifizierung der Aufwendungen als Forschungsfreibeträge zugrunde gelegt. Die Stellungnahme der FFG erfülle nicht die Kriterien eines Sachverständigengutachtens.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
§ 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 (in der Fassung des AbgÄG 2005, BGBl. I Nr. 161/2005) lautete:
"Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:
4.
Ein Forschungsfreibetrag in Höhe von 25% für Aufwendungen (Ausgaben) zur Forschung und experimentellen Entwicklung, die systematisch und unter Einsatz wissenschaftlicher Methoden durchgeführt wird. Zielsetzung muss sein, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Kritierien zur Festlegung der förderbaren Forschungsaufwendungen (-ausgaben) mittels Verordnung festzulegen. Der Freibetrag kann von jenen Aufwendungen nicht geltend gemacht werden, die Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß Z 4a sind. Die Geltendmachung kann auch außerbilanzmäßig erfolgen. Voraussetzung ist, dass der Freibetrag in der Steuererklärung an der dafür vorgesehenen Stelle ausgewiesen wird. Eine Berichtigung einer unrichtigen oder unterlassenen Eintragung ist bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich."
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl. I Nr. 24/2007, wurde der vierte Satz dieser Bestimmung geändert und lautete sodann:
"Der Freibetrag kann von Aufwendungen nicht geltend gemacht werden, die einem Betrieb oder einer Betriebsstätte außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zuzurechnen sind oder die Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß Z 4a sind."
Der Forschungsfreibetrag wurde - damals als § 4 Abs. 4 Z 4a EStG 1988 - mit dem Konjunkturbelebungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 68/2002, eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (977 BlgNR 21. GP, 12 f) wurde hiezu ausgeführt:
"Im Vergleich zu der in § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 derzeit gebrauchten Definition von 'Forschungsaufwendungen' ist dieser Begriff nach der OECD-Definition weiter gefasst. Es zählen dazu - auf der Grundlage des so genannten 'Frascati Manual' - Aufwendungen für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die über die nach der derzeit primär am Erfindungsbegriff orientierten Abgrenzung hinausgehen. Im Hinblick auf eine stärkere Ausrichtung der Forschungsförderung auf international gebräuchliche Standards, soll neben dem - weiter bestehen bleibenden - bisherigen Forschungsfreibetrag ein neuer Forschungsfreibetrag auf Basis des weiter gefassten Begriffes von Forschungsaufwendungen eingeführt werden.
Unter Forschung und Entwicklung ist nach der in der OECD gebräuchlichen Definition schöpferische Tätigkeit zu verstehen, welche auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Dies umfasst ua. auch Forschungen im Bereich von Dienstleistungen. Nicht unter Forschung und Entwicklung fallen weiterhin zB Versuchsproduktionen und erforderliche Werkzeugausrüstung, die Marktentwicklung von Produkten bzw. die Vorproduktionsplanung, nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit F
E-Projekten stehende administrative und juristische Patent- und Lizenzarbeiten, routinemäßige Qualitäts- und Produktionskontrollen sowie Materialprüfungen, Datensammlung und Dokumentation (außer direkt für ein bestimmtes Forschungsprojekt), Marktforschung und routinemäßige Herstellung von Software.
(...)
Um Betrieben, die eine ungünstige Ertragslage haben, ebenfalls eine steuerliche Forschungsförderung zuteil werden zu lassen, wird für Forschungsaufwendungen im Sinne der weiten Definition nach dem Frascati Manual wahlweise eine Forschungsprämie in Höhe von 3% eingeführt (siehe dazu § 108c)."
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Kriterien zur Festlegung förderbarer Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (-ausgaben) gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a bzw. § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988, BGBl. II Nr. 506/2002, lautet auszugsweise:
"Anhang I
Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen
A. Allgemeine Begriffsbestimmungen
1.
Forschung und experimentelle Entwicklung im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 4a EStG 1988 ist eine schöpferische Tätigkeit, die auf systematische Weise unter Verwendung wissenschaftlicher Methoden mit dem Ziel durchgeführt wird, den Stand des Wissens zu vermehren sowie neue Anwendungen dieses Wissens zu erarbeiten. Forschung und experimentelle Entwicklung in diesem Sinne umfasst Grundlagenforschung (Z 2) und/oder angewandte Forschung (Z 3) und/oder experimentelle Entwicklung (Z 4). Sie umfasst sowohl den naturwissenschaftlich-technischen als auch den sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich.
2.
Grundlagenforschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens ohne Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel zu vermehren.
3.
Angewandte Forschung umfasst originäre Untersuchungen mit dem Ziel, den Stand des Wissens zu vermehren, jedoch mit Ausrichtung auf ein spezifisches praktisches Ziel.
4.
Experimentelle Entwicklung umfasst den systematischen Einsatz von Wissen mit dem Ziel, neue oder wesentlich verbesserte Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Methoden oder Systeme hervorzubringen.
5.
Fehlgeschlagene Forschung und experimentelle Entwicklung:
Unter den Voraussetzungen der Punkte 1. bis 4. sind auch Aufwendungen (Ausgaben) für eine fehlgeschlagene Forschung und experimentelle Entwicklung begünstigt.
Als Grundsatz gilt, dass Forschung und experimentelle Entwicklung (Z 1) in Tätigkeiten besteht, deren primäres Ziel die weitere technische Verbesserung des Produktes oder des Verfahrens ist. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung der experimentellen Entwicklung von Produktionstätigkeiten. Sind hingegen das Produkt oder das Verfahren im Wesentlichen festgelegt und ist das primäre Ziel der weiteren Arbeiten die Marktentwicklung oder soll durch diese Arbeiten das Produktionssystem zum reibungslosen Funktionieren gebracht werden, können diese Tätigkeiten nicht mehr der Forschung und experimentellen Entwicklung (Z 1) zugerechnet werden."
Die Verordnung enthält in der Folge "weitere Abgrenzungen".
Juristische Arbeiten werden in folgenden Punkten angeführt:
"5.
Lizenzarbeiten: Administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Lizenzen stehen, fallen nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1), wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen. (...)
8.
Patentarbeiten: Administrative und juristische Arbeiten, die im Zusammenhang mit Patenten stehen, fallen nur dann unter Forschung und experimentelle Entwicklung (Teil A, Z 1), wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit konkreten Forschungs- und Entwicklungsprojekten (Teil A, Z 1) stehen."
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sollte der Begriff der Forschung und Entwicklung über die bisherige - am Erfindungsbegriff orientierte - Abgrenzung hinausgehen. Die Forschungsförderung solle auf international gebräuchliche Standards ausgerichtet werden. Hiezu wurde die OECD-Definition im "Frascati Manual" genannt. Es entspricht also offenkundig der Absicht des Gesetzgebers, dieses "Frascati Manual" zur Auslegung des Begriffes Forschung und Entwicklung (ergänzend) heranzuziehen (vgl. nunmehr die ausdrückliche Regelung in Anhang I, Allgemeine Begriffsbestimmungen, der Forschungsprämienverordnung, BGBl. II Nr. 515/2012).
Das "Frascati-Manual 2002" ("The Measurement of Scientific and Technological Activities - Proposed Standard Practice for Surveys on Research and Experimental Development"), herausgegeben von der OECD, definiert Forschung und Entwicklung als (Tz 63):
"Research and experimental development (R
D) comprise creative work undertaken on a systematic basis in order to increase the stock of knowledge, including knowledge of man, culture and society, and the use of this stock of knowledge to devise new applications."
Bereits in Tz 19 Frascati-Manual wird darauf verwiesen, dass die UNESCO einen weiteren Begriff der wissenschaftlichen und technologischen Aktivitäten ("Scientific and Technological Activities") entwickelt habe. Dieser umfasse - über Forschung und Entwicklung hinaus - etwa auch Beratungsleistungen ("client counselling and advisory services").
In Tz 65 Frascati-Manual wird darauf verwiesen, dass Forschung und Entwicklung unterschieden werden müsse von verwandten Tätigkeiten mit einer wissenschaftlichen und technologischen Grundlage. Dies betreffe u.a. "policy-related studies" (Tz 76), die etwa bestehende Programme analysierten und bewerteten.
Das grundlegende Kriterium für die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung von verwandten Tätigkeiten sei das Vorhandensein eines nennenswerten Elementes der Neuheit sowie die Lösung einer wissenschaftlichen oder technologischen Unsicherheit (Tz 84). Im Bereich der "Social Sciences" - die Rechtswissenschaften zählen nach der im Frascati Manual dargelegten Klassifizierung zu den "Social Sciences" (vgl. Tabelle 3.2; ebenso die Österreichische Systematik der Wissenschaftszweige 2012 der Statistik Austria) - sei es häufig der Zweck einer Studie, eine Entscheidung (von Regierungsstellen oder auch von Unternehmen) vorzubereiten. Üblicherweise würden solche Studien bereits vorhandene Methoden verwenden. Manchmal sei es aber notwendig, vorhandene Methoden zu modifizieren oder neue zu entwickeln. Diese Modifikationen und Entwicklungen sollten als Forschung und Entwicklung beurteilt werden (Tz 109; hiezu wird verwiesen auf Abschnitt 2.4.2 des Manuals).
In jenem Abschnitt (Tz 143 f) wird sodann ausgeführt, im Bereich der "Social Sciences" sei wiederum der Umstand, dass ein nennenswertes Element der Neuheit oder die Lösung einer wissenschaftlichen oder technologischen Unsicherheit vorliege, ein nützliches Kriterium für die Abgrenzung von Forschung und Entwicklung. Das Element der Neuheit könne sich auf den konzeptionellen, methodischen oder empirischen Teil des Projektes beziehen. Routineprojekte, in denen Sozialwissenschaftler vorhandene Methoden, Grundsätze und Modelle ihrer Wissenschaft auf ein bestimmtes Problem anwenden, könnten nicht als Forschung qualifiziert werden. Als Beispiel wird ein Kommentar zu den wahrscheinlichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Änderung der Steuerstruktur unter Verwendung vorhandener wirtschaftlicher Daten angeführt.
Daraus erhellt, dass die aufgrund bestehender Methoden angewandte Forschung im Bereich der Sozialwissenschaften einen Freibetrag iSd § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 nicht vermittelt.
Auf die Ausführungen in der Stellungnahme der FFG kommt es sohin nicht an, sodass eine Relevanz des in der Revision behaupteten Verfahrensmangels nicht erkennbar ist.
Da der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG - mit der dort angeführten Maßgabe - iVm § 28 Abs. 5 BFGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am