VwGH vom 11.09.2008, 2007/08/0216
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/08/0253 E
2008/08/0033 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des I in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2007-1307, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Guinea, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte am einen Asylantrag beim Bundesasylamt. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde er wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Während der Haft erwarb er im Zeitraum vom bis Anwartschaftszeiten gemäß § 66a AlVG. Mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde über den Beschwerdeführer auf Grund der gerichtlichen Verurteilung ein unbefristetes Rückkehrverbot gemäß § 62 FPG erlassen.
Am stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes, welcher mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Dresdner Straße, vom mangels Verfügbarkeit des Beschwerdeführers am Arbeitsmarkt gemäß § 7 AlVG mit der Begründung abgewiesen wurde, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines bestehenden Aufenthaltsverbotes über keine Aufenthaltsberechtigung verfüge.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte darin im Wesentlichen aus, dass er als Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens, welches sich im Berufungsstadium befinde, berechtigt sei, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, da er über einen Abschiebeschutz verfüge.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass gegen den Beschwerdeführer ein seit rechtskräftiges Rückkehrverbot erlassen worden sei, auf Grund dessen dem Asylwerber das vorläufige Aufenthaltsrecht entzogen worden sei und ihm bis zur Beendigung des Asylverfahrens (lediglich) faktischer Abschiebeschutz zukomme. Auch mangels Aufenthaltstitels auf Grund anderer Bundesgesetze verfüge der Beschwerdeführer daher über keine ausreichende aufenthaltsrechtliche Position zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung und stehe der Arbeitsvermittlung somit nicht zur Verfügung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. hilfsweise auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer (u.a.) eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf.
§ 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 102/2005 lautet:
"Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person, ...
2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben ...".
Nach § 62 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z.1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2); das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechts; § 13 AsylG 2005 gilt.
Soweit die Beschwerde aus der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG 1997 bzw. § 13 AsylG 2005 die Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme und daraus wiederum die Verfügbarkeit des Beschwerdeführers im Sinne von § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG ableitet, verkennt sie, dass über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Rückkehrverbot verhängt wurde und ihm daher lediglich faktischer Abschiebeschutz im Sinn des § 21 Abs. 2 AsylG 1997 zukommt (so auch § 13 AsylG 2005).
Mit dem weiteren Vorbringen bezieht sich der Beschwerdeführer zusammengefasst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfügbarkeit im Sinn des § 7 AlVG und bringt vor, dass auch die - durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 102/2005 erfolgte - Neufassung des § 7 Abs. 3 AlVG verfassungskonform so interpretiert werden müsse, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld für Ausländer im Fall der Z. 2 dieser Gesetzesbestimmung nur für den Fall beschränkt werden dürfe, dass sich die betreffende Person nicht im Inland aufhalten darf und ihre Verschaffung in das Ausland rechtlich auch durchsetzbar ist.
Diesen Ausführungen ist zu entgegen, dass sich die vom Beschwerdeführer damit offenbar - ohne konkrete Zitierung - angesprochene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0314) auf § 7 Abs. 3 Z. 1 und 2 AlVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, bezog. Der Gesetzgeber hat durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes jedoch eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 59, BlgNR 22. GP, S. 346).
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. G 61/05, die vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken gegen die Neufassung dieser Bestimmung verworfen und ausgeführt, dass durch die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 71/2003 das versicherte Risiko jedenfalls sachlich abgegrenzt sei.
Mit der - weiteren - Modifikation des § 7 Abs. 3 AlVG in der im vorliegenden Fall geltenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 (durch Änderung des Passus "die aufenthaltsrechtlich berechtigt ist ..."
in Z. 2 auf "die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält ...") erfolgte (lediglich) eine Klarstellung der Verfügbarkeit zur Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe im Hinblick auf die vorgenommenen Neuordnungen im Aufenthaltsrecht (vgl. dazu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1010, BlgNR 22. GP, S. 115, sowie auch Krapf/Keul, AlVG, Praxiskommentar, Rz 177 zu § 7).
Darüber hinaus vermag auch der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten (im Weiteren: Aufnahme-Richtlinie) der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen:
Art. 3, 11 und 26 der Aufnahme-Richtlinie lauten (auszugsweise):
"Art. 3
Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie gilt für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats Asyl beantragen, solange sie als Asylbewerber im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, sowie für ihre Familienangehörigen, wenn sie nach nationalem Recht von diesem Asylantrag erfasst sind.
..."
"Art. 11
Beschäftigung
(1) ...
(3) Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden.
..."
"Art. 26
Umsetzung
(1) Die Mitgliedsstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, um dieser Richtlinie bis zum nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
..."
Die Richtlinie wurde im Anwendungsbereich von Titel IV EGV auf der Grundlage des Art. 63 EGV erlassen. Wie sich aus Art. 64 EGV ergibt, berührt Titel IV EG nicht die Wahrnehmung der Zuständigkeiten der Mitgliedsstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit. Vor diesem Hintergrund fällt auch die Setzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen, die dem Asylbewerber das Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit entziehen - hier in der Weise, dass über den Beschwerdeführer ein Rückkehrverbot verhängt wurde und damit das Aufenthaltsrecht als entzogen gilt -, nicht in den Regelungsbereich der Richtlinie; vielmehr stellt die Richtlinie in der Definition ihres Anwendungsbereiches ausdrücklich darauf ab, dass sie für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates Asyl beantragen, nur solange gilt, als sie im Hoheitsgebiet verbleiben dürfen, worunter das Vorhandensein einer (nicht entzogenen) Aufenthaltsberechtigung zu verstehen ist. Gerade eine solche liegt aber im vorliegenden Fall auf Grund des rechtskräftigen Rückkehrverbotes nicht vor, da der Beschwerdeführer lediglich faktischen Abschiebeschutz bis zur rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens genießt. Die weitere Argumentation der Beschwerde zu den Fragen der Rechtzeitigkeit und der Vollständigkeit der innerstaatlichen Umsetzung der Aufnahme-Richtlinie sowie deren allfälliger direkten innerstaatlichen Anwendbarkeit geht daher ins Leere.
Vor diesem Hintergrund erweist sich daher die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung, der Beschwerdeführer sei mangels eines entsprechenden Aufenthaltstitels für die Arbeitsvermittlung nicht verfügbar, als zutreffend (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/08/0211, und vom , Zl. 2007/08/0317). Auf Grund der eindeutigen Definition des Anwendungsbereiches der Aufnahme-Richtlinie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, der Anregung der Beschwerde zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft nachzukommen, ob Art. 11 Abs. 3 der Aufnahme-Richtlinie der von der belangten Behörde in der konkreten Fallkonstellation vorgenommenen Auslegung von § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG entgegensteht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am