VwGH vom 04.09.2014, Ro 2014/15/0011

VwGH vom 04.09.2014, Ro 2014/15/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Revision der J GmbH in G, vertreten durch die BFP Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 8010 Graz, Schubertstraße 62, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0359-G/08, betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2001 bis 2003 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2001 bis 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Revision und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid geht hervor:

Bei der revisionswerbenden GmbH fand eine abgabenbehördliche Prüfung statt, die Anlass zur Erlassung geänderter Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 2001 bis 2003 gab. Weiters wurde die Revisionswerberin zur Haftung für Kapitalertragsteuer der genannten Jahre mit der Begründung herangezogen, dass der Verzicht auf ausständige Mietforderungen als verdeckte Ausschüttung zu werten sei.

Die Revisionswerberin erhob Berufung gegen die genannten Bescheide. Zugleich beantragte sie die Aussetzung der Einhebung näher angeführter (berufungsgegenständlicher) Abgaben.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde über die Berufung ab. Dabei trat sie der Ansicht der Revisionswerberin entgegen, dass die Berufungssache bereits durch eine (rechtskräftig gewordene) Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes abgeschlossen worden sei. Die Revisionswerberin beziehe sich mit ihrem Einwand auf die Erledigung des Finanzamtes vom , die auszugsweise wie folgt laute:

"BERUFUNGSVORENTSCHEIDUNG

Ihrer am eingebrachten Berufung gegen den Bescheid vom wird stattgegeben. Die Einhebung der nachstehend angeführten Abgaben wird gemäß § 212a der Bundesabgabenordnung ausgesetzt:


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Abgabe
Fälligkeit
Betrag in Euro
Kapitalertragsteuer 2001
39.752,04
Kapitalertragsteuer 2002
19.883,29
Kapitalertragsteuer 2003
19.883,29
Umsatzsteuer 2001
19.534,46
Umsatzsteuer 2002
9.767,23
Umsatzsteuer 2003
9.767,23
Körperschaftsteuer 2003
1.671,75
Anspruchszinsen 2003
211,12

Diese Aussetzung der Einhebung gilt bis zu dem bescheidmäßig

zu verfügenden Ablauf bzw. bis zu ihrem Widerruf.

Eine Buchungsmitteilung liegt bei."

Dieser Bescheid stelle keine Erledigung der von der Revisionswerberin erhobenen Berufung gegen die Abgaben- und Haftungsbescheide dar, weil im zweiten Satz des Spruches ausdrücklich und unmissverständlich davon die Rede sei, dass die in der Tabelle angeschlossenen Abgaben gemäß § 212a BAO ausgesetzt werden. Diese Erledigung folge hinsichtlich der ausgesetzten Abgabenbeträge vollinhaltlich dem im gleichen Schriftsatz wie die überreichte Berufung eingebrachten Aussetzungsantrag. Warum die Abgabenbehörde diesen Antrag mit "Berufungsvorentscheidung" statt mit einem Erstbescheid erledigt habe, könne der Aktenlage nicht entnommen werden. Jedenfalls sei die Revisionswerberin durch die verfahrensrechtlich unrichtige Erledigung ihres Aussetzungsantrages nicht beschwert. Die strittigen Abgaben seien nicht neu festgesetzt worden, sondern es sei lediglich die Einhebung der vorgeschriebenen Mehrbeträge ausgesetzt worden. Außerdem sei im Bescheid noch von einem gesondert zu verfügenden künftigen Ablauf bzw. Widerruf die Rede. Daraus sei unschwer zu entnehmen, dass es sich bei dieser Erledigung lediglich um ein Provisorialverfahren gehandelt habe.

Aus der fehlerhaften Erstellung des Vorlageberichtes vom , in dem das falsche Kästchen angekreuzt worden sei ("Eine Berufungsvorentscheidung erlassen wurde"), könne die Revisionswerberin keine Rechte ableiten, zumal andere Eintragungen im Vorlagebericht klar erkennen ließen, dass in der Abgabensache tatsächlich keine Berufungsvorentscheidung ergangen sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Die Revisionswerberin erachtet sich in ihrem Vertrauen auf Rechtssicherheit in einem mittels Berufungsvorentscheidung rechtskräftig erledigten Berufungsverfahren verletzt, weil der unabhängige Finanzsenat außerhalb seiner Zuständigkeit über eine bereits von der Abgabenbehörde erster Instanz rechtswirksam entschiedene Berufung neuerlich entschieden habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG für die Behandlung der vorliegenden Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß gelten.

Gemäß § 276 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012 kann die Abgabenbehörde erster Instanz, wenn die Berufung weder zurückzuweisen noch als zurückgenommen oder als gegenstandslos zu erklären ist, die Berufung durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.

Die Berufungsvorentscheidung wirkt wie eine Entscheidung über die Berufung, trifft somit eine als abschließende Erledigung in der Sache geeignete Entscheidung (vgl. Stoll , BAO, S 2711). Die Entscheidungsbefugnis bei Berufungsvorentscheidungen umfasst


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-
die (ersatzlose) Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn kein Bescheid zu erlassen gewesen wäre,
-
die Abweisung der Berufung,
-
die Abänderung des angefochtenen Bescheides.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Abweisung der Berufung als unbegründet so zu werten, als ob die Behörde einen mit dem angefochtenen Bescheid im Spruch übereinstimmenden Bescheid erlassen hätte (vgl. die bei
Ritz , BAO4, § 289 Tz 47, angeführte Judikatur).
Die Revision befasst sich mit der Frage des Bescheidcharakters der "Berufungsvorentscheidung" und kommt nach Prüfung sämtlicher erforderlicher Merkmale zu dessen Bejahung. Mit diesen Ausführungen verkennt die Revisionswerberin allerdings, dass auch die belangte Behörde - zu Recht - von einem wirksamen Bescheid ausgegangen ist. In Bezug auf das Vorliegen einer entschiedenen Sache ist jedoch ausschließlich von Relevanz, worüber das Finanzamt mit dem streitgegenständlichen Bescheid abgesprochen hat.
Der Inhalt der "Berufungsvorentscheidung" ergibt sich - wie die belangte Behörde zu Recht erkannt hat - aus dem Spruch des Bescheides, mit dem iSd § 212a BAO die Aussetzung bestimmter im Einzelnen bezeichneter Abgaben verfügt wurde. Dass die Aussetzung von Abgaben tatsächlich nicht Gegenstand eines Berufungsverfahrens (insbesondere des Berufungsbegehrens) sondern eines erstmals gestellten Antrags war, bewirkt entgegen der der Revision implizit zu Grunde liegenden Ansicht nicht, der "Berufungsvorentscheidung" einen anderen Inhalt beizumessen. Den Ausspruch, der Berufung werde stattgegeben, als Abgabenfestsetzung im Sinne der Berufungsanträge zu werten, steht gegenständlich schon der Umstand entgegen, dass die "Berufungsvorentscheidung" ohne jeden Zweifel die Aussetzung der Einhebung bestimmter streitgegenständlicher Abgaben und nicht eine abändernde Abgabenfestsetzung zum Inhalt hatte.
Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass mit der "Berufungsvorentscheidung" vom nicht über die Berufung betreffend Umsatz-, Körperschaft und Kapitalertragsteuer 2001 bis 2003 abgesprochen wurde und der belangten Behörde daher noch keine entschiedene Sache vorlag.
Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am