VwGH vom 19.03.2013, 2011/21/0179

VwGH vom 19.03.2013, 2011/21/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des AU in W, vertreten durch Mag. Dr. Thomas Bollmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 01/6/10271/2010-11, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer sowie dessen Anhaltung vom 2. September bis für rechtmäßig erklärt, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom vollinhaltlich abgewiesen, außerdem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 ausgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Asylgerichtshof.

Der Asylgerichtshof stellte das Verfahren zweimal ein, zuletzt am .

Am wurde der Beschwerdeführer aus Anlass einer fremdenrechtlichen Kontrolle festgenommen. In der Folge verhängte die Bundespolizeidirektion Wien (BPD) gegen ihn mit Bescheid vom gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) und der Abschiebung (§ 46 FPG). Dabei ging die BPD u.a. davon aus, dass gegen den Beschwerdeführer vom Bundesasylamt "eine durchsetzbare, wenn auch nicht rechtskräftige Ausweisung gem. § 10 AsylG 2005 erlassen" worden sei.

Der Beschwerdeführer, der im Übrigen bereits 2009 wegen strafgerichtlicher Verurteilungen mit einem zehnjährigen Rückkehrverbot belegt worden war, verblieb bis in Schubhaft. Nach seiner infolge Haftunfähigkeit (Hungerstreik) erfolgten Entlassung erhob er Schubhaftbeschwerde. Er brachte vor, dass das eingestellte Asylverfahren spätestens am wieder fortgesetzt worden sei, weshalb er beantrage, der unabhängige Verwaltungssenat möge die Rechtswidrigkeit der Schubhaft "ab bis Ende" feststellen.

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom sprach der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) aus, dass der Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 Abs. 1, 2 und 4 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG keine Folge gegeben werde; die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer mit Bescheid der BPD vom sowie dessen Anhaltung vom bis zur Entlassung am werde für rechtmäßig erklärt.

Außerdem sprach die belangte Behörde dem Bund Aufwandersatz zu und wies das Kostenbegehren des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - nach Aktenvorlage seitens der belangten Behörde erwogen:

Die belangte Behörde ging - wie auch schon die BPD - davon aus, dass gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung ergangen sei. Diese Annahme hat indes keine Grundlage.

Wie eingangs dargestellt, war der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz erstinstanzlich abgewiesen worden. Damit war zwar eine Ausweisung verbunden. Dass es überdies zu einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gekommen wäre, lässt sich aber weder dem bekämpften Bescheid noch dem Inhalt der Verwaltungsakten entnehmen. Im Grunde des § 36 Abs. 2 iVm Abs. 4 AsylG 2005 lag daher bei Schubhaftverhängung noch keine durchsetzbare Ausweisung vor, und zwar ungeachtet dessen, dass es bereits zweimal zu einer Einstellung des Asylverfahrens durch den Asylgerichtshof gekommen war. Im Hinblick darauf war zwar - vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt - auf Grundlage des § 27 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 die weitere Annahme der belangten Behörde gerechtfertigt, es sei ex lege zu einer Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gekommen. Auch das machte die erstinstanzlich ergangene Ausweisung jedoch nicht durchsetzbar und vermochte den im Fall der Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz für das Vorliegen einer durchsetzbaren Ausweisung erforderlichen Ausspruch des Bundesasylamtes nach § 38 Abs. 1 AsylG 2005 (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde) nicht zu ersetzen.

Lag nach dem Gesagten keine durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung vor, so war auch der von der BPD herangezogene Schubhafttatbestand nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG nicht erfüllt. Die darauf gegründete Schubhaft erweist sich somit als rechtswidrig. Das hat die belangte Behörde nicht beachtet. Sie hat überdies übersehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Schubhaftbeschwerde nur seine Anhaltung ab bekämpft hatte. Soweit sich der bekämpfte Bescheid auf die Schubhaftanordnung selbst und auf die Anhaltung des Beschwerdeführers bis bezieht, ist er daher antragslos ergangen. Insoweit war der bekämpfte Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im Übrigen aber nach den obigen Ausführungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am