VwGH vom 01.09.2015, Ro 2014/15/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision der D GmbH in L, vertreten durch Mag. Dr. Josef Vergeiner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 9900 Lienz, Tiroler Straße 30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0506-I/11, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
DI W übte die Tätigkeit als Ziviltechniker - Ingenieurkonsulent in der Rechtsform eines Einzelunternehmens aus. Mit Einbringungsvertrag vom wurde das nicht protokollierte Einzelunternehmen nach Art. III UmgrStG in die Revisionswerberin eingebracht. Vertraglich wurde festgehalten, dass die Voraussetzung des § 19 Abs. 2 Z 5 UmgrStG (Unterbleiben der Gewährung neuer Anteile) vorliege, weil der Einbringende (DI W) Alleingesellschafter der Revisionswerberin sei. Weiters wurde festgehalten, dass der Wert des Einbringungsvermögens einer Kapitalrücklage zugeführt werde. In der Einbringungsbilanz zum "nach Steuerrecht" wird das Eigenkapital mit 1.992,09 EUR ausgewiesen. In der Einbringungsbilanz zum "nach Handelsrecht" wird das Eigenkapital mit 291.255,19 EUR ausgewiesen. Im Anlagevermögen ist in dieser Einbringungsbilanz ein Firmenwert in Höhe von 300.000 EUR ausgewiesen (weiters sind andere Sachanlagen geringfügig anders bewertet).
Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde der ausgewiesene Bilanzgewinn des Jahres 2008 in Höhe von 566.589,10 EUR genehmigt. Ferner wurde folgender Umlaufbeschluss gefällt:
"Aus dem Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2008 wird ein Betrag von EUR 291.255,19 an die Gesellschafter ausgeschüttet, der Restbetrag in Höhe von EUR 275.333,91 wird auf neue Rechnung vorgetragen. In der Gewinnausschüttung ist eine Einlagenrückzahlung gemäß § 4 Z 12 EStG in Höhe von EUR 291.255,19 enthalten."
Am wurde dem Finanzamt eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung übermittelt. Darin wurden Kapitalerträge von 291.255,19 EUR ausgewiesen, die keinem KESt-Abzug unterliegen würden. Begründend wurde ausgeführt, es sei eine Einlagenrückzahlung gemäß § 4 Abs. 12 EStG 1988 vorgenommen worden.
Nach Durchführung einer Außenprüfung erließ das Finanzamt am einen Haftungsbescheid; der Revisionswerberin wurde Kapitalertragsteuer in Höhe von 72.315,78 EUR (25 % von 289.263,10 EUR) vorgeschrieben. Nach Ansicht der Finanzbehörde handle es sich bei der Rückzahlung der Kapitalrücklage im Wege der Ausschüttung um steuerabzugspflichtige Kapitalerträge gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988. Eine Befreiung vom Kapitalertragsteuerabzug trete nur hinsichtlich jenes Teiles ein, der anlässlich der Umgründung dem Kapitalrücklagensubkonto zuzuweisen gewesen sei (1.992,09 EUR). Die unternehmensrechtlich durch den Umgründungsvorgang mit Einstellung des Firmenwertes generierte Kapitalrücklage sei einer steuerfreien Einlagenrückzahlung gemäß § 4 Abs. 12 EStG 1988 nicht zugänglich. Vielmehr sehe § 235 Z 3 UGB eine Ausschüttungsbeschränkung derartiger ungebundener Kapitalrücklagen vor bzw. beschränke sich deren Verwendung auf eine Verrechnung mit Verlusten.
Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte - nach Schilderung des Verfahrensganges - zusammengefasst aus, nach Meinung der Finanzverwaltung richte sich die Bewertung von Einlagen nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften, wobei Einlagen im Anwendungsbereich des UmgrStG mit den umgründungssteuerrechtlichen Werten anzusetzen seien. Der unternehmensrechtliche Sacheinlagewert sei hingegen unmaßgeblich. In der Literatur würden hiezu - wie sodann näher ausgeführt wurde -
unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Zutreffend möge sein, dass § 4 Abs. 12 Z 1 EStG 1988 dem Wortlaut nach an den unternehmensrechtlichen Begriff der Kapitaleinlagen anknüpfe. Das Ertragsteuerrecht sei vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Unternehmensbilanz für die Steuerbilanz geprägt. Hinsichtlich der Bewertung gehe allerdings die steuerliche Bewertung vor. Dies bedeute, dass die steuerliche Bewertung der Einlagen nach den Bestimmungen des UmgrStG zu erfolgen habe. Die belangte Behörde komme zum Ergebnis, dass der Stand der rückzahlbaren Einlagen iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften zu ermitteln sei. Die belangte Behörde schließe sich weiter der im jüngeren Schrifttum verbreiteten Meinung an, wonach gemäß § 235 Z 3 UGB eine Ausschüttungssperre auf Erträge aus der Auflösung von Kapitalrücklagen bestehe, die im Zuge von Umgründungen mit Buchwertfortführung dotiert worden seien. Voraussetzung dabei sei, dass solche Buchwertumgründungen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit dem beizulegenden Wert bewertet worden seien.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch das Bundesfinanzgericht erwogen hat:
Gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1988 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Einlagen und Beiträge jeder Art insoweit außer Ansatz, als sie von Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, Mitglieder oder in ähnlicher Eigenschaft geleistet werden.
§ 4 Abs. 12 EStG 1988 in der im Streitjahr geltenden Fassung (BGBl. Nr. 797/1996) lautet:
"(12) Die Einlagenrückzahlung von Körperschaften gilt, auch wenn sie im Wege einer Einkommensverwendung erfolgt, als Veräußerung einer Beteiligung und führt beim Anteilsinhaber (Beteiligten) sowohl bei einem Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5) als auch bei einer Einnahmen - Ausgabenrechnung (§ 4 Abs. 3) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu einer Minderung und Erhöhung von Aktivposten des Betriebsvermögens:
1. Einlagen im Sinne dieser Vorschrift sind das aufgebrachte Grund-, Stamm- oder Genossenschaftskapital und sonstige Einlagen und Zuwendungen, die als Kapitalrücklage auszuweisen sind oder bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften auszuweisen waren einschließlich eines Partizipations- und Genußrechtskapitals im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988, sowie jene Verbindlichkeiten denen abgabenrechtlich die Eigenschaft eines verdeckten Grund-, Stamm- oder Genossenschaftskapitals zukommt.
2. Nicht zu den Einlagen gehören Beträge, die unter § 32 Z 3 fallen oder die infolge einer Umgründung im Sinne des Umgründungssteuergesetzes die Eigenschaft einer Gewinnrücklage oder eines Bilanzgewinnes verloren haben.
3. Die Körperschaft hat den Stand der Einlagen im Sinne dieser Vorschrift im Wege eines Evidenzkontos zu erfassen und seine Erhöhungen durch weitere Einlagen und Zuwendungen und Verminderungen durch Ausschüttungen oder sonstige Verwendungen laufend fortzuschreiben. Das Evidenzkonto ist in geeigneter Form der jährlichen Steuererklärung anzuschließen."
Diese Bestimmung wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996 eingefügt (und mit dem Abgabenänderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 797/1996 im ersten Satz geändert). In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 und Zu 72 BlgNR 20. GP, 257) wurde hiezu u.a. ausgeführt:
"Mit der gesetzlichen Verankerung der Steuerneutralität der Einlagenrückzahlung soll den Entwicklungen im Abgabenrecht Rechnung getragen werden. Im Gegensatz zu der der seinerzeitigen Judikatur zum KStG 1966 entsprechenden Behandlung sämtlicher Ausschüttungserträge als Beteiligungserträge unabhängig von ihrer Herkunft hat sich die Judikatur inzwischen zur Behandlung der Einlagenrückgewähr als logisches Gegenstück zur Einlage hinentwickelt. Die vorgesehene gesetzliche Verankerung der Einlagenrückzahlung stellt damit im wesentlichen eine Klarstellung dar und ersetzt die bisherige Teilregelung in § 31 Abs. 2 Z 2.
Der Begriff der Einlagenrückzahlung ist ein steuerlicher nicht mit dem handelsrechtlichen Begriff der Einlagenrückgewähr übereinstimmender Terminus. Der für eine Rückzahlung in Betracht kommende Einlagentatbestand soll auf die Positionen beschränkt werden, die in den Jahresabschlüssen unter das Eigenkapital fallen sowie mit dem Partizipations- und dem Substanzgenußrechtskapital jenes Surrogatkapital einschließen, das abgabenrechtlich die Eigenschaft eines Eigenkapitals annimmt. Als rückzahlungsfähiges Eigenkapital soll auch verdecktes Grund-, Stamm- oder Genossenschaftskapital gelten, das nach Lehre und Rechtsprechung dann vorliegt, wenn Anteilsinhaberdarlehen bzw. -kredite unter bestimmten Voraussetzungen die Eigenschaft als Fremdkapital verlieren und auf Anteilsinhaberebene zu einer Zuschreibung der Forderung zu den Anschaffungskosten oder dem Buchwert der Beteiligung führen. Die Beschränkung des Einlagenrückzahlungstatbestandes auf die im Gesetz genannten Formen hat zur Folge, daß andere handelsrechtlich unter den Begriff der (unzulässigen) Einlagenrückgewähr fallende Zuwendungen der Körperschaft an ihre Anteilsinhaber unverändert als verdeckte Ausschüttungen im Sinne des § 8 Abs. 2 KStG 1988 zu erfassen sind. Vom Einlagentatbestand ausgenommen sind jene Nennkapitalteile, die infolge einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln - soweit sie aus Gewinnrücklagen stammen - zehn Jahre steuerhängig im Sinne des § 32 Z 3 EStG 1988 sind, und jene Kapitalrücklagenteile, die aus Umgründungen entstanden sind und vor der Umgründung Gewinnbestandteile waren.
(...)
Zwecks Erfassung und Evidenthaltung soll die Körperschaft verpflichtet werden, außerbilanzmäßig ein steuerliches Evidenzkonto einzurichten und laufend weiterzuführen. Im Normalfall wird das Evidenzkonto der Summe von Nennkapital und Kapitalrücklagen entsprechen. Sollte ein Kapitalrücklagenteil ertragswirksam aufgelöst werden und damit im Bilanzgewinnkonto Eingang finden, ohne daß er durch Saldierung mit einem Jahresfehlbetrag oder einem Bilanzverlust des Vorjahres untergeht, muß er weiterhin in Evidenz gehalten werden, bis er durch spätere Verwendung im Wege der Verrechnung gegen einen künftigen Jahresfehlbetrag oder einer offenen Ausschüttung untergeht. Es soll der Disposition der Körperschaft und ihrer Vertreter überlassen bleiben, ob dabei primär Gewinnteile oder Kapitalrücklagenteile als verwendet gelten."
Was einer Kapitalgesellschaft im Wege einer Einlage, also societatis causa zugewendet wird, führt bei ihr nicht zur Ertragsbesteuerung, beim Gesellschafter aber zu Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Einlagenrückzahlungen sind das Gegenstück, der contrarius actus, zu Einlageleistungen der Gesellschafter. Kapitalrückzahlungen sind bei der Gesellschaft nichsteuerbare Vermögensabflüsse und bewirken beim Gesellschafter eine Minderung der auf die Beteiligung aktivierten Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (vgl. das Erkenntnis vom , 96/13/0175, VwSlg. 7488/F).
Der Begriff der Einlagenrückzahlung ist - wie auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt - ein steuerlicher, nicht handelsrechtlicher Terminus. Wenn auch in § 4 Abs. 12 Z 1 EStG 1988 zum Teil Begriffe verwendet werden, die aus dem Handelsrecht (Unternehmensrecht) stammen (worauf auch die Erläuterungen verweisen, wenn sie sich auf "Positionen", die in den "Jahresabschlüssen unter das Eigenkapital fallen" beziehen), so sind aber nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes darüber hinaus auch Positionen zu berücksichtigen, denen bloß abgabenrechtlich die Eigenschaft eines (verdeckten) Eigenkapitals zukommt. Schon daraus ist - entgegen dem Revisionsvorbringen - ableitbar, dass es sich hier um steuerrechtlich, und nicht unternehmensrechtlich definierte Einlagen (Eigenkapital) handelt. Auch der Umstand, dass nach § 4 Abs. 12 Z 3 EStG 1988 die Körperschaft den Stand der Einlagen im Sinne dieser Vorschrift im Wege eines Evidenzkontos zu erfassen hat (nach den Erläuterungen: "außerbilanzmäßig"), deutet darauf hin, dass die Bewertung der Einlagen nach steuerrechtlichen (und nicht unternehmensrechtlichen) Normen zu erfolgen hat.
Damit ist aber - entgegen Hügel in Hügel/Mühlehner/Hirschler, Umgründungssteuergesetz,§ 18 Tz 46 sowie § 3 Tz 55; und Rabel in Helbich/Wiesner/Brucker, Handbuch Umgründungen, § 18 Tz 40 - schon nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 12 EStG 1988 abzuleiten, dass die Einlagen steuerrechtlich definiert und zu bewerten sind (dass ein derartiges Ergebnis "steuersystematisch sinnvoll" ist, räumt auch Hügel , aaO, ein).
Die Bewertung der Einlage erfolgt sohin nach steuerlichen Bestimmungen (vgl. auch Doralt , EStG11, § 4 Tz 453). Auch bei einer Buchwerteinbringung nach Art. III UmgrStG (dass die Voraussetzungen für eine derartige Einbringung im vorliegenden Fall erfüllt sind, ist im Revisionsverfahren nicht strittig) ist das steuerliche Einbringungskapital entscheidend, das unternehmensrechtliche Einbringungskapital ist hingegen ohne Bedeutung (vgl. Huber in Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, Umgründungssteuergesetz4,§ 18 Tz 61 ff; Jakom/ Marschner EStG, 2015, § 4 Tz 499).
Ob einer Ausschüttung des handelsrechtlichen (unternehmensrechtlichen) umgründungsbedingten Unterschiedsbetrages auch eine unternehmensrechtliche Ausschüttungsbeschränkung (§ 235 Z 3 UGB; vgl. nunmehr § 235 Abs. 1 UGB idF des Rechnungslegungs-Änderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 22/2015, und hiezu die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 367 BlgNR 25. GP, 11 f) entgegensteht, muss im vorliegenden Fall nicht geprüft werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch eine allenfalls (unternehmensrechtlich) widerrechtliche Rückgewähr von Einlagen eine Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs. 12 EStG 1988 darstellen kann ( Marschner , aaO, § 4 Tz 489, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 87/14/0136, VwSlg. 6582/F).
Entgegen den Ausführungen in der Revision ist die Bestimmung des § 4 Abs. 12 EStG 1988 auch iSd Art. 18 Abs. 1 B-VG ausreichend determiniert, sodass sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst sieht, ein Normprüfungsverfahren einzuleiten.
Der Revision gelingt es schließlich auch nicht, einen relevanten Verfahrensmangel darzulegen, da es nicht darauf ankommt, ob die Sacheinlage (Firmenwert) zukünftigen steuerlichen Gewinnen entspricht.
Die Revision war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-AufwErsV.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG - mit der dort angeführten Maßgabe - iVm § 28 Abs. 5 BFGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am