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VwGH vom 24.11.2016, Ro 2014/13/0045

VwGH vom 24.11.2016, Ro 2014/13/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103354/2012, betreffend Einkommensteuer 2010 (mitbeteiligte Partei: B in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Strittig ist die Anerkennung von Aufwendungen für Opern-, Konzert- und Theaterkarten als Werbungskosten.

2 Der Mitbeteiligte erzielte im Jahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Betriebsdirektor eines Opernhauses und machte in der Einkommensteuererklärung u.a. Aufwendungen für Opern-, Konzert- und Theaterkarten als Werbungskosten geltend, welche das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2010 - unter Hinweis auf § 20 EStG 1988 - nicht anerkannte.

3 Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung legte der Mitbeteiligte u.a. eine Bestätigung seines Dienstgebers wie folgt vor:

"Fortbildungs-, Ausbildungs- und Umschulungskosten (‚Karten für Oper, Theater, Kino etc.')

Herr (Mitbeteiligter) hat in unserem Betrieb die Funktion des Betriebsdirektors inne. Da ein wesentlicher Teil seiner Tätigkeit die Besetzungen und Umbesetzungen umfasst, ist es unerlässlich, dass sich Herr (Mitbeteiligter) im Rahmen dieser Tätigkeit auch selbständig über den internationalen Sänger- und Dirigentenmarkt informiert. Dafür anfallende Kosten können wir lediglich tragen, wenn der Vorstellungsbesuch in unmittelbarem Zusammenhang mit Projekten der Opernhaus (...) GmbH steht. Selbstverständlich ist Herr (Mitbeteiligter) jedoch angehalten, in privater Initiative Vorstellungen sowohl in (...) als auch auswärts zu besuchen."

4 Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, woraufhin der Mitbeteiligte deren Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde - nach einem Vorhalteverfahren - teilweise Folge und begründete seine Entscheidung wie folgt:

"Gem. § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Die private Mitveranlassung (das ‚private Interesse') am Besuch der Kulturveranstaltungen wird vom (Mitbeteiligten) nicht bestritten.

Demgegenüber ist die berufliche Veranlassung aufgrund des Berufsbildes eines Betriebsdirektors und der Stellungnahme des Dienstgebers, wonach der Besuch solcher Veranstaltungen vom (Mitbeteiligten) erwartet werde und aus Sicht des (Mitbeteiligten) auch für die von ihm zu treffende Besetzungsauswahl unerlässlich sei, gegeben.

Zu entscheiden ist, ob aufgrund der Frequenz der besuchten Veranstaltungen eine private Mitveranlassung völlig in den Hintergrund tritt und solcherart das Abzugsverbot nicht zur Anwendung gelange (vgl. ).

Im Hinblick sowohl auf die Höhe der diesbezüglich beantragten Aufwendungen als auch auf die Frequenz der besuchten

(63) Veranstaltungen und unter Bedachtnahme auf die beruflichen Erfordernisse des (Mitbeteiligten) ist davon auszugehen, dass die private Mitveranlassung nahezu völlig in den Hintergrund tritt.

Die beantragten Aufwendungen (3.162,20) sind daher unter Ausscheidung der gemischt (repräsentativ) veranlassten Aufwendungen (Euro 70,70) in Höhe von EUR 3.055,50 als Werbungskosten anzuerkennen."

6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Lösung der Rechtsfrage, ob das Abzugsverbot zur Anwendung gelangt, für zulässig.

7 Gegen das Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verfahrensakten - der Mitbeteiligte hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt - erwogen hat:

8 Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

9 Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

10 Die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 enthält als wesentliche Aussage ein Verbot des Abzuges gemischt veranlasster Aufwendungen (so genanntes Aufteilungs- und Abzugsverbot), dem der Gedanke der Steuergerechtigkeit insoweit zu Grunde liegt, als vermieden werden soll, dass ein Steuerpflichtiger auf Grund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und dadurch Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abzugsfähig machen kann, was unsachlich gegenüber jenen Steuerpflichtigen wäre, die eine Tätigkeit ausüben, die eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Tätigkeiten nicht ermöglicht, und die derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen. Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der Lebensführung gilt die typisierende Betrachtungsweise (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. das Erkenntnis vom , 2011/13/0119, mwN, und das auch im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis vom , 2001/13/0238). Auch hat derjenige, der typische Aufwendungen der privaten Lebensführung als Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend macht, im Hinblick auf seine Nähe zum Beweisthema von sich aus nachzuweisen, dass diese Aufwendungen entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung (nahezu) ausschließlich die berufliche bzw. betriebliche Sphäre betreffen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 2006/14/0020, VwSlg. 8206/F, mwN, sowie das Erkenntnis vom , 2011/13/0048).

11 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts bestreitet der Mitbeteiligte "die private Mitveranlassung (das ‚private Interesse')" am Besuch der in Rede stehenden Kulturveranstaltungen nicht. Die im Berufungsverfahren vorgelegte Bestätigung des Dienstgebers, wonach ein wesentlicher Teil der vom Mitbeteiligten ausgeübten Tätigkeit Besetzungen und Umbesetzungen umfasse, weshalb es unerlässlich sei, dass sich der Mitbeteiligte auch selbständig über den internationalen Sänger- und Dirigentenmarkt informiere, zeigt daher nur auf, dass der Erwerb der gegenständlichen Opern-, Konzert- und Theaterkarten auch beruflich veranlasst war. Ein zu bejahender Aspekt beruflicher Teilveranlassung der Opern-, Konzert- und Theaterbesuche ändert aber am gesetzlich statuierten Abzugsverbot gemischt veranlasster Aufwendungen nichts (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis vom , 2001/13/0214, VwSlg 8055/F, das u. a. Aufwendungen eines Berufsmusikers für Konzertkarten betraf). Entgegen der vom Bundesfinanzgericht vertretenen Auffassung ist auch aus der "Höhe der diesbezüglich beantragten Aufwendungen" und der "Frequenz der besuchten (63) Veranstaltungen" (laut Revision auf das Streitjahr bezogen "also ungefähr wöchentlich") allein nicht ableitbar, dass die strittigen Aufwendungen des Mitbeteiligten entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung (nahezu) ausschließlich die berufliche bzw. betriebliche Sphäre betrafen. Der als Werbungskosten geltend gemachte Gesamtaufwand und die Frequenz des Besuches von Kulturveranstaltungen lassen im Übrigen von vornherein keine objektiv nachvollziehbaren Rückschlüsse darauf zu, dass der Besuch jeder einzelnen Veranstaltung (nahezu) ausschließlich beruflich bzw. betrieblich veranlasst war, was vom Mitbeteiligte nachzuweisen wäre (worauf übrigens der - insoweit unbeantwortet gebliebene - Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom offenbar abzielte).

12 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am