VwGH vom 20.10.2016, Ro 2014/13/0032

VwGH vom 20.10.2016, Ro 2014/13/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision des W J in L, vertreten durch die Prof. Dr. Thomas Keppert Wirtschaftsprüfung GmbH Co KG in 1060 Wien, Theobaldgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7100623/2013, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der im Jahr 1945 geborene Revisionswerber beendete im Streitjahr 2010 sowohl seine nichtselbständige Erwerbstätigkeit als auch seine streitgegenständliche Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter einer Leasing GmbH und Mitgesellschafter. Er blieb u.a. Kommanditist zweier Kommanditgesellschaften.

2 Das Finanzamt und - in Erledigung der dagegen noch als Berufung eingebrachten Beschwerde - das Bundesfinanzgericht versagten dem Revisionswerber die Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 1 iVm Abs. 5 Z 3 EStG 1988 auf den Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende, vom Bundesfinanzgericht für zulässig erklärte Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

4 § 37 Abs. 1 und 5 EStG 1988 lauten in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung:

"§ 37. (1) Der Steuersatz ermäßigt sich für

(...)

- außerordentliche Einkünfte (Abs. 5),

(...)

auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden

Durchschnittssteuersatzes.

(...)

(5) Außerordentliche Einkünfte sind Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn die Betriebsveräußerung oder -aufgabe aus folgenden Gründen erfolgt:

1. Der Steuerpflichtige ist gestorben und es wird dadurch eine Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe veranlasst.

2. Der Steuerpflichtige ist wegen körperlicher oder geistiger Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist auf Grundlage eines vom Steuerpflichtigen beigebrachten medizinischen Gutachtens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zu beurteilen, es sei denn, es liegt eine medizinische Beurteilung durch den für den Steuerpflichtigen zuständigen Sozialversicherungsträger vor.

3. Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. Eine Erwerbstätigkeit liegt nicht vor, wenn der Gesamtumsatz aus den ausgeübten Tätigkeiten 22.000 Euro und die gesamten Einkünfte aus den ausgeübten Tätigkeiten 730 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen.

Für Veräußerungs- und Übergangsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind."

5 Zweck der in den Fällen des § 37 Abs. 5 EStG 1988 statt nur einer Verteilungsbegünstigung (vgl. § 37 Abs. 2 EStG 1988) gewährten Steuersatzbegünstigung ist die Begünstigung der zwangsweisen Beendigung einer betrieblichen Tätigkeit (vgl. Fraberger/Papst in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 37 Tz 38, m.w.N). Davon und von dem für das Jahr 2000 maßgeblichen Wortlaut der Bestimmung ausgehend sprach der Verwaltungsgerichtshof in dem zu Einkommensteuer für das Jahr 2000 ergangenen Erkenntnis vom , 2003/13/0077, VwSlg 8341/F, aus, die Veräußerung einer bloß "kapitalistischen" Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter, die in keinem Zusammenhang damit steht, dass der Steuerpflichtige, der das 60. Lebensjahr vollendet hat, seine Erwerbstätigkeit einstellt, zähle nicht zu den "Ausnahmsfällen", in denen der Hälftesteuersatz nach dem (im Zusammenhang mit dem Steuerreformgesetz 1993 zunächst nur für Übergangsgewinne) erklärten Willen des Gesetzgebers nur mehr zur Anwendung kommen solle. Im Einzelnen kann dazu gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen werden (vgl. seither auch die - Einkommensteuer für die Jahre 1998 und 1999 betreffenden - Erkenntnisse vom , 2008/15/0094, vom , 2006/15/0358, VwSlg 8579/F, und vom , 2008/15/0242; Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 37 Tz 23).

6 Nach § 37 Abs. 5 dritter Fall EStG 1988 in der für die erwähnten Erkenntnisse maßgeblichen Fassung waren Veräußerungs- und Übergangsgewinne außerordentliche Einkünfte, "wenn der Betrieb deswegen veräußert oder aufgegeben wird, weil der Steuerpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt". Die oben wiedergegebene, insoweit auf dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180, beruhende und für den vorliegenden Fall maßgebliche Formulierung ("wenn die Betriebsveräußerung oder -aufgabe aus folgenden Gründen erfolgt") bedeutet keine inhaltliche Änderung.

7 Im vorliegenden Fall besteht jedoch der - vom Bundesfinanzgericht als Grund für die Zulässigkeit der Revision angesehene - enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beendigung der (nichtselbständigen) Erwerbstätigkeit und der Veräußerung der Beteiligung, der in dem mit dem Erkenntnis vom entschiedenen Fall fehlte und zu dessen möglicher Relevanz in dem Erkenntnis daher nicht abschließend Stellung genommen werden musste. Auszugehen ist auch im Fall einer solchen zeitlichen Verbindung mit der Einstellung der Erwerbstätigkeit vom erwähnten Gesetzeszweck der Begünstigung der zwangsweisen Beendigung einer betrieblichen Tätigkeit. Das Gesetz setzt typisierend die Unfreiwilligkeit des altersbedingten Ausscheidens aus dem Erwerbsleben voraus, verlangt aber die Prüfung im Einzelfall, ob die Einstellung der Erwerbstätigkeit der Grund für die Entstehung des Veräußerungsgewinnes war. Ein bloß zeitliches Zusammentreffen reicht dafür weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Regelung aus.

8 Ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Aufgabe der nichtselbständigen Erwerbstätigkeit und der Entstehung des Veräußerungsgewinns (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Lenneis , UFSjournal 2008, 66) wird im vorliegenden Fall auch in der Revision nicht behauptet. Die Revision macht in Anknüpfung an die Erläuterungen (72 BlgNR 20. GP 265 f) zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, geltend, die "zwangsweise Beendigung" auch einer Beteiligung wie der hier vorliegenden werde vom Gesetz im Sinne einer gesetzlichen Vermutung unterstellt, "wenn" das 60. Lebensjahr vollendet ist und die Erwerbstätigkeit eingestellt wird. Auch die Revision erwähnt jedoch, dass "der Grund für den Veräußerungsgewinn in der Einstellung der Erwerbstätigkeit liegen muss". Die Veräußerung einer Beteiligung, die ihrerseits keine Erwerbstätigkeit begründet (vgl. in diesem Zusammenhang die zitierten Erkenntnisse vom und vom ; Fraberger/Papst , a. a.O., Tz 76 ff), kann diese Voraussetzung nicht erfüllen, wenn die Veräußerung mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in keinem sachlichen Zusammenhang steht.

9 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

10 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz für die vom Finanzamt erstattete Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am