VwGH vom 20.10.2016, Ro 2014/13/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision des Finanzamtes Baden Mödling in 2340 Mödling, Dipl. Ing. Wilhelm Haßlinger Straße 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7100658/2011, betreffend Feststellung Gruppenträger für die Jahre 2007 und 2008 (mitbeteiligte Partei: Z GmbH in B, vertreten durch die KPMG Austria AG, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 8010 Graz, Joanneumring 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte österreichische GmbH ist Gruppenträgerin einer Gruppe, der eine Gesellschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten angehört. Diese Gesellschaft, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten von der Körperschaftsbesteuerung befreit ist, erzielte in den Jahren 2007 und 2008 Verluste. Streitgegenstand ist das Recht der Mitbeteiligten auf ergebnismindernde Zurechnung dieser Verluste gemäß § 9 Abs. 1 KStG 1988 in den beiden Streitjahren.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den (noch als Berufungen eingebrachten) Beschwerden der Mitbeteiligten gegen Bescheide des Finanzamtes vom August und Oktober 2010, mit denen der Mitbeteiligten die Zurechnung der Verluste versagt worden war, Folge. Sie begründete dies mit dem Wortlaut der hier noch maßgeblichen Fassung des § 9 KStG 1988 vor dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22, und mit dem Zweck der Gruppenbesteuerung, die steuerlichen Ergebnisse der Gruppenmitglieder zusammenzufassen. Dem Argument des Finanzamtes, künftige Gewinne, mit denen die Verluste in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegenverrechnet werden könnten, seien "de facto steuerfrei", hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, die Nachversteuerung bei Eintritt einer Möglichkeit zur Verrechnung der ausländischen Verluste mit ausländischen Gewinnen sei nicht Voraussetzung für die Zurechnung der Verluste, sondern bloß deren Folge. Eine Nichtzurechenbarkeit der Verluste würde nicht dem vom Gesetz mit der Nachversteuerung verfolgten Ziel der nur einmaligen Verlustverwertung dienen, sondern dazu führen, dass die Verluste weder im Ausland noch im Inland Berücksichtigung fänden. Nach der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesetzes habe es u.a. auch zur Zurechnung von Verlusten kommen können, die sich nur durch Umrechnung aus ausländischen Gewinnen ergeben hätten. Es sei nicht erkennbar, dass der vorliegende Sachverhalt anders zu behandeln sei. Eine endgültige steuermindernde Auswirkung der Verluste in Österreich trete insofern nicht ein, als es beim Ausscheiden des Gruppenmitgliedes aus der Gruppe zur Nachversteuerung komme. Das Bundesfinanzgericht schließe sich daher der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung an, dass eine für das ausländische Gruppenmitglied im Ausland bestehende Befreiung von der Körperschaftsteuer kein Hindernis für eine Zurechnung der vom ausländischen Gruppenmitglied erzielten Verluste sei (Hinweise auf Tröszter , SWI 2011, 308, Wiesner/Kirchmayr/Mayr , Gruppenbesteuerung2, 2009, K 98a, und Damböck/Galla , taxlex 2011, 459; vgl. nun auch die Nachweise bei Pinetz/Stefaner in Lang/Rust/Schuch/Staringer, KStG2, 2016, § 9 Rz 185, sowie die bei Dziurd? , SWI 2015, 113, wiedergegebenen, unterschiedlichen Meinungsäußerungen).
3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts, die sich zunächst auf Ausführungen von Atzmüller , RdW 2011, 44 (45 f), zu § 2 Abs. 8 EStG 1988 stützt (vgl. in diesem Sinn u.a. zu "Tax Holidays" auch Rz 211 der EStR 2000). Eine Berücksichtigung ausländischer Verluste, die im Ausland nicht steuerwirksam sind, würde "im Verhältnis zu Gewinnen zu einem seltsam alinearen Ergebnis" führen, weil die Gewinne sowohl im Ausland als auch in Österreich unbesteuert blieben, die im Ausland nicht steuerwirksamen Verluste aber in Österreich zu einer endgültigen Steuerminderung führen würden. Ein "Mehr" an Verlustwirkung in Österreich gegenüber dem ausländischen Besteuerungsregime zu erzeugen, könne aber nicht Zielsetzung des § 2 Abs. 8 EStG 1988 sein, "wonach sich Verluste einmal, und zwar primär im Quellenstaat, auswirken sollen und Österreich Verluste nur subsidiär übernimmt".
4 Daran anschließend vertritt die Revision - in Abwandlung von Atzmüller wiedergegebener Ausführungen in den EStR 2000, Rz 210, zu Fällen einer ausländischen Pauschalbesteuerung - die Ansicht, bei einer ausländischen "Besteuerung", die in einer umfassenden Befreiung bestehe, sei davon auszugehen, dass von ihr "nicht nur die aus der Auslandstätigkeit erzielten Gewinne, sondern auch die hierbei erlittenen Verluste erfasst" seien. Bei den Verlusten handle es sich daher nicht um "im Ausland nicht berücksichtigte Verluste" im Sinne des § 2 Abs. 8 Z 3 EStG 1988.
5 Schließlich wird - wieder unter unmittelbarer Berufung auf Atzmüller - dargelegt, es bedürfe einer teleologischen Reduktion des § 2 Abs. 8 EStG 1988 in dem Sinn, dass man "Verluste" als "steuerpflichtige Verluste" verstehe. Entsprechendes müsse auch für die gleich gestaltete Berücksichtigung ausländischer Verluste im Rahmen der Gruppenbesteuerung gelten.
6 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie u.a. hervorhebt, dass es zu keiner doppelten Verlustverwertung komme.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 § 9 Abs. 1 KStG 1988 lautet:
"§ 9. (1) Abweichend von § 7 können finanziell verbundene Körperschaften (Abs. 2 bis 5) nach Maßgabe des Abs. 8 eine Unternehmensgruppe bilden. Dabei wird das steuerlich maßgebende Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitglieds (Abs. 6 und Abs. 7) dem steuerlich maßgebenden Ergebnis des beteiligten Gruppenmitglieds bzw. Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres zugerechnet, in das der Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt."
Die ersten drei Sätze des § 9 Abs. 6 Z 6 KStG 1988 lauteten in der hier maßgeblichen Fassung vor der (ab dem Kalenderjahr 2012 anwendbaren) Änderung durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22:
"(6) Bei Ermittlung des zuzurechnenden steuerlich maßgebenden Ergebnisses ist Folgendes zu beachten:
(...)
6. Bei nicht unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Gruppenmitgliedern sind nur die nach § 5 Abs. 1 und den übrigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1988 und dieses Bundesgesetzes ermittelten Verluste aus Einkunftsquellen des jeweiligen Wirtschaftsjahres dem unmittelbar beteiligten Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger im Ausmaß der Beteiligungen aller beteiligter Gruppenmitglieder einschließlich eines beteiligten Gruppenträgers zuzurechnen. In Jahren, in denen der ausländische Verlust mit einem ausländischen Gewinn verrechnet wird oder verrechnet werden könnte, ist ein Betrag in diesem Ausmaß beim beteiligten inländischen Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger, dem der Verlust zugerechnet wurde, als Gewinn zuzurechnen. Scheidet das nicht unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Gruppenmitglied aus der Unternehmensgruppe aus, ist im Jahr des Ausscheidens ein Betrag im Ausmaß aller zugerechneten im Ausland nicht verrechneten Verluste beim Gruppenmitglied bzw. beim Gruppenträger als Gewinn zuzurechnen."
9 Das revisionswerbende Finanzamt räumt - Atzmüller folgend - ein, eine nur am Wortlaut (des gleich gestalteten § 2 Abs. 8 EStG 1988) orientierte Auslegung würde (auch für den vorliegenden Fall) die Berücksichtigung der ausländischen Verluste nahelegen, weshalb es einer teleologischen Reduktion bedürfe. Zugleich wird - in Abwandlung von Ausführungen in den EStR 2000 zu Fällen einer ausländischen Pauschalbesteuerung - der Standpunkt vertreten, es handle sich um im Ausland "berücksichtigte" Verluste.
10 Fälle wie den vorliegenden mit solchen einer (etwa: sehr niedrigen) Pauschalbesteuerung zu vergleichen, liegt nahe, und auf Vorschläge für Fälle einer Pauschalbesteuerung wurde - wie Atzmüller hervorhebt - zur hier noch maßgeblichen Rechtslage auch schon im Zusammenhang mit den vom Bundesfinanzgericht als ähnlich erachteten Fällen eines bloß umrechnungsbedingten Verlustes verwiesen (vgl. zu solchen Fällen Schuh , ÖStZ 2006, 314; auf das Vorgehen bei ausländischer Pauschalbesteuerung verweisend bis zur vierten Auflage (2011) Laudacher in Jakom, EStG,§ 2 Rz 202 und 214; Doralt/Toifl , EStG14 (2010), § 2 Tz 198).
11 Zu ausländischer Pauschalbesteuerung wurde mit dem - in der Revision nun auf die ausländische Steuerbefreiung übertragenen - Argument, sie bedeute eine ausländische "Berücksichtigung" auch der Verluste, jedoch zu § 2 Abs. 8 EStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung der Standpunkt vertreten, die Pauschalierung führe zur Nachversteuerung, "sobald nach österreichischem Steuerrecht ausländische Gewinne erzielt werden" (vgl. in diesem Sinn die zuletzt zitierten Autoren sowie Rz 210 der EStR 2000). Die Beifügung in Rz 210, vierter Absatz, der EStR 2000, es bestünden "keine Bedenken, wenn" statt einer solchen Nachversteuerung "die ausländischen Verluste in Österreich unberücksichtigt bleiben", widersprach dem und war mit der gesetzlichen Anordnung des Ansatzes im Ausland (noch) nicht berücksichtigter Verluste schwer vereinbar (kritisch daher Laudacher , a.a.O., Rz 214). Dieser ein vereinfachtes Vorgehen tolerierenden Beifügung und nicht der auch in Rz 210 der EStR 2000 vorangegangenen Einschätzung der Rechtslage bei Pauschalierung entspräche aber die vom Finanzamt im Anschluss an Atzmüller und im Einklang mit Rz 211 der EStR 2000 sowie der "Tax Holidays" betreffenden Verweisung darauf in Rz 1080 der KStR 2013 für den Fall der Steuerbefreiung vertretene Ansicht, die Verluste seien gar nicht zuzurechnen.
12 Nicht ein Außerachtlassen der Verluste, sondern eine Nachversteuerung bei Erzielung eines Gewinns, mit dem der Verlust im Sinne des § 9 Abs. 6 Z 6 KStG 1988 verrechnet werden "könnte", wäre nach der hier noch maßgeblichen Rechtslage auch bei ausländischer Steuerbefreiung die vom System geforderte Lösung und der richtige Ansatzpunkt für allfällige Überlegungen zur Schließung einer planwidrigen Lücke gewesen. Inwieweit diese Rechtslage eine solche Nachversteuerung - im Sinne der erwähnten, zu umrechnungsbedingten Verlusten und ausländischer Pauschalbesteuerung für § 2 Abs. 8 EStG 1988 vertretenen Ansichten - wirklich zuließ, muss für den vorliegenden Fall dabei nicht beantwortet werden. Das Gruppenmitglied der Mitbeteiligten erzielte in beiden Streitjahren Verluste, deren Nichtzurechnung in den Jahren ihrer Entstehung nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Konzept der Regelung widerspräche.
13 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am