VwGH vom 19.03.2013, 2011/21/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (nunmehr: Landespolizeidirektion Niederösterreich) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-11-0038, betreffend Festnahme und Schubhaft (mitbeteiligte Partei: IJE, zuletzt in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2; weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
Die 1979 geborene Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige von Nigeria, reiste gemäß ihren Angaben am in das Bundesgebiet ein und beantragte hier Asyl. Mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom wurde dieser Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Außerdem erging die Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 zulässig sei und wurde die Mitbeteiligte gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz 1997 nach Nigeria ausgewiesen.
In der Folge wurde ein Heimreisezertifikat beigeschafft. Die geplante Abschiebung der Mitbeteiligten nach Nigeria unterblieb jedoch, weil sie ab November 2009 nicht mehr greifbar war.
Spätestens ab Dezember 2010 befand sich die Mitbeteiligte in Irland. Mit Note vom erklärte das Bundesasylamt die Bereitschaft Österreichs, sie gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), wieder aufzunehmen.
Am landete die Mitbeteiligte ohne Vorankündigung durch Irland, aber im Besitz eines irischen Laissez-Passer vom , von Dublin kommend am Flughafen Wien-Schwechat. Dort wurde sie "wegen unbefugten Aufenthalts im Bundesgebiet" nach § 39 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG festgenommen. Am ordnete dann die Bundespolizeidirektion Schwechat, ohne dass davor eine Einvernahme der Mitbeteiligten stattgefunden hätte, gemäß § 76 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG ihre Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (§ 60 FPG), des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§§ 53, 54 FPG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an.
Die Mitbeteiligte erhob gegen Festnahme, Anhaltung und Schubhaft Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 FPG.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) dieser Beschwerde gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG Folge und sprach aus, dass die angefochtenen Akte rechtswidrig seien.
Die belangte Behörde stellte fest, dass die Mitbeteiligte vor ihrer Überstellung nach Österreich am in Irland einen Asylantrag eingebracht habe. Das österreichische Bundesasylamt habe dann zugestimmt, die Mitbeteiligte nach Österreich einreisen zu lassen, damit über ihren Asylantrag entschieden werden könne; Österreich habe sich bereit erklärt, ihren Asylantrag einer Prüfung zu unterziehen. Im Hinblick darauf sei die Mitbeteiligte offensichtlich davon ausgegangen, dass ihr in Irland gestellter Asylantrag in Österreich einer Behandlung zugeführt werde. Erst als sie zur Kenntnis habe nehmen müssen, dass sie anlässlich ihrer Rücküberstellung in Schwechat als illegal einreisende Fremde behandelt worden sei, habe sie am die - zunächst unterbliebene - Antragstellung in Österreich nachgeholt.
Vor diesem Hintergrund - so die belangte Behörde in ihren rechtlichen Überlegungen unter Bezugnahme auf Vorschriften der Dublin II-Verordnung - sei davon auszugehen, dass bereits am ein Asylantrag der Mitbeteiligten vorgelegen habe, der als eingebracht im Sinn des Asylgesetzes 2005 anzusehen gewesen wäre. Die Schubhaftnahme der Mitbeteiligten nach § 76 Abs. 1 FPG sei daher nicht rechtens gewesen.
In ihrer Stellungnahme zur Administrativbeschwerde habe die Bundespolizeidirektion Schwechat außerdem eingeräumt, dass die Voraussetzungen für eine Schubhaftnahme nach § 76 Abs. 2 FPG derzeit noch nicht zuträfen.
Unabhängig von all dem liege aber, wie die belangte Behörde abschließend ausführte, auch kein ausreichender Sicherungsbedarf vor. Am Boden der geforderten Einzelfallprüfung sei davon auszugehen, dass sowohl die Festnahme als auch die nachfolgende Schubhaft rechtswidrig gewesen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (nunmehr: Landespolizeidirektion Niederösterreich), in der beiden Überlegungen der belangten Behörde - Unzulässigkeit der Schubhaftverhängung nach § 76 Abs. 1 FPG und darüber hinaus Unzulässigkeit der gesetzten Maßnahmen mangels Sicherungsbedarfs - entgegengetreten wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften seitens der belangten Behörde und seitens der Mitbeteiligten erwogen:
1. Die Mitbeteiligte war unmittelbar nach ihrer Überstellung aus Irland gemäß § 39 Abs. 1 Z 1 FPG, im Hinblick auf einen "unbefugten Aufenthalt im Bundesgebiet", festgenommen und in der Folge gemäß § 76 Abs. 1 FPG in Schubhaft genommen worden.
Nach der erstgenannten Bestimmung sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerlässlichen Vorführung vor die Behörde festzunehmen, wenn sie ihn bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 120 FPG (also insbesondere bei unrechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet) auf frischer Tat betreten. Nach der zweitgenannten Bestimmung (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) kann Schubhaft gegen Fremde verhängt werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
§ 76 Abs. 1 FPG ist, wie sich aus § 1 Abs. 2 FPG ergibt, auf Asylwerber nicht anzuwenden.
Nach der Definition des § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 ist Asylwerber ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens. Gemäß § 17 Abs. 2 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz (erst) eingebracht, wenn er vom Fremden persönlich - auch im Rahmen einer Vorführung (§ 43 Abs. 2 AsylG 2005) - bei der Erstaufnahmestelle gestellt wird. Demgegenüber ist ein Antrag auf internationalen Schutz (schon) gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle um Schutz vor Verfolgung ersucht (§ 17 Abs. 1 AsylG 2005).
Wie im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0668, näher dargelegt wurde, sind auch Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz (bloß) gestellt haben, von der Anwendbarkeit des § 76 Abs. 1 FPG ausgeschlossen. Sie können ebenso wie Asylwerber im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 nur nach Maßgabe des § 76 Abs. 2 FPG (allenfalls auch des § 76 Abs. 2a FPG) in Schubhaft genommen werden.
Für Asylwerber und für Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, existieren darüber hinaus - vorgelagert - in § 39 Abs. 3 FPG gesonderte Festnahmebestimmungen. Der im vorliegenden Fall herangezogene § 39 Abs. 1 Z 1 FPG kann demgegenüber gegen Angehörige dieses Personenkreises, soweit es wie hier um ihren (allenfalls) unrechtmäßigen Aufenthalt geht, nicht zur Anwendung gelangen, was sich schon aus § 120 Abs. 7 letzter Satz FPG (in der hier maßgeblichen Fassung des FrÄG 2009) - demnach ist (insbesondere) ein Verwaltungsstrafverfahren wegen unrechtmäßigen Aufenthalts während des Asylverfahrens unterbrochen; die Vorführung vor die Behörde kann daher nicht "unerlässlich" sein - ergibt.
2. Wie schon ausgeführt, ist ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 17 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle um Schutz vor Verfolgung ersucht. Für Personen, die gemäß der Dublin II-Verordnung nach Österreich überstellt werden und die bereits in einem anderen Mitgliedstaat Asyl beantragt haben, finden sich diesbezüglich im AsylG 2005 keine Sondervorschriften. Es ist allerdings auf die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der Dublin II-Verordnung Bedacht zu nehmen. Im gegebenen Zusammenhang sind folgende Artikel von Bedeutung:
"Artikel 2
Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
c) 'Asylantrag' den von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag, der als Ersuchen um internationalen Schutz eines Mitgliedstaats im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden kann. Jeder Antrag auf internationalen Schutz wird als Asylantrag angesehen, es sei denn, ein Drittstaatsangehöriger ersucht ausdrücklich um einen anderweitigen Schutz, der gesondert beantragt werden kann;
d) 'Antragsteller' bzw. 'Asylwerber' den Drittstaatsangehörigen, der einen Asylantrag eingereicht hat, über den noch nicht endgültig entschieden worden ist;
e) 'Prüfung eines Asylantrags' die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen bzw. Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Asylantrag gemäß dem einzelstaatlichen Recht, mit Ausnahme der Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates gemäß dieser Verordnung;
…
Artikel 3
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
…
Artikel 4
(1) Das Verfahren zur Bestimmung des gemäß dieser Verordnung zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald ein Asylantrag erstmals in einem Mitgliedstaat gestellt wurde.
(2) Ein Asylantrag gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Asylwerber eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Asylantrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.
…
Artikel 16
(1) Der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:
a) einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 17 bis 19 aufzunehmen;
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b) | die Prüfung des Asylantrags abzuschließen; |
c) | einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen; |
d) | einen Asylbewerber, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen; |
e) | einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen. |
(2) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufenthaltstitel, so fallen diesem Mitgliedstaat die Verpflichtungen nach Absatz 1 zu.
(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.
(4) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 Buchstaben d) und e) erlöschen auch, wenn der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat nach der Rücknahme oder der Ablehnung des Antrags die notwendigen Vorkehrungen getroffen und tatsächlich umgesetzt hat, damit der Drittstaatsangehörige in sein Herkunftsland oder in ein anderes Land, in das er sich rechtmäßig begeben kann, zurückkehrt."
Nach Art. 3 Abs. 1 erster Satz der Dublin II-Verordnung haben die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Der Antrag ist gemäß dem zweiten Satz der Bestimmung von einem einzigen Mitgliedstaat zu prüfen, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird.
Der so ermittelte Mitgliedstaat ist verpflichtet, den betreffenden Drittstaatsangehörigen, wenn er sich nicht ohnehin in seinem Hoheitsgebiet aufhält, nach den Bestimmungen des Kapitels V der Dublin II-Verordnung (Art. 16 bis Art. 20) aufzunehmen oder wieder aufzunehmen. Vor allem ist der zuständige Mitgliedstaat aber auch gehalten, die Prüfung des Asylantrages (im Sinn von Art. 2 lit. e der Dublin II-Verordnung) abzuschließen. Diese ausdrücklich in Art. 16 Abs. 1 lit. b Dublin II-Verordnung normierte Verpflichtung komplettiert den in Art. 3 Abs. 1 Dublin II-Verordnung enthaltenen Grundsatz der Verpflichtung zur Prüfung des Asylantrages ( Filzwieser/Sprung , Dublin II-Verordnung, Das Europäische Asylzuständigkeitssystem3 (2010), K 2. zu Art. 3) und konstituiert ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen, dass ein Mitgliedstaat sein Asylverfahren durchführt ( Filzwieser/Sprung , aaO., K 8. zu Art. 16).
Die Prüfpflicht des nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung zu ermittelnden zuständigen Staates ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Sie wird mit der Stellung eines Asylantrages im Sinn des Art. 2 lit. c iVm Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ausgelöst und bedeutet, dass die Prüfung des Antrags durch den zuständigen Mitgliedstaat nach allfälliger Überstellung in sein Territorium zufolge des schon erwähnten Art. 16 Abs. 1 lit. b Dublin II-Verordnung zum Abschluss zu bringen ist. Die Verordnung geht damit klar erkennbar vom Konzept eines einzigen Antrags aus, der im Sinn des in Art. 3 Abs. 1 zweiter Satz Dublin II-Verordnung verankerten "one-chance-only-Prinzips" auch von einem einzigen Mitgliedstaat - ohne dass es dort im Fall einer Überstellung noch einer weiteren "Antragstellung" bedürfte - zu erledigen ist.
Ist es bereits zu einer derartigen Erledigung gekommen und wurde "der Antrag" abgelehnt, so greift gegebenenfalls die Wiederaufnahmeverpflichtung nach Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-Verordnung. Sie kommt auch dann zum Tragen, wenn der Drittstaatsangehörige nach Ablehnung seines ersten Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen weiteren Asylantrag gestellt hat. Auch dieser Antrag löst die in Art. 3 Dublin II-Verordnung normierte Prüfpflicht aus, wobei grundsätzlich der Mitgliedstaat für die Prüfung zuständig bleibt, der für den Erstantrag zuständig war (so im Ergebnis Funke-Kaiser , Gemeinschaftskommentar zum (deutschen) Asylverfahrensgesetz 1992, Ergänzungslieferung November 2009, Rz 277 zu § 27a). Nur wenn einer der Fälle des Art. 16 Abs. 2 bis 4 Dublin II-Verordnung vorliegt (also etwa dann, wenn im Sinn des Abs. 3 der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat), ist die Zuständigkeit - für den neuerlichen Antrag - wiederum nach den allgemeinen Kriterien zu bestimmen.
Für die Behandlung eines "Folgeantrags" enthält die Dublin II-Verordnung insoweit kein Sonderregime. Auch für einen derartigen Antrag gilt die Anordnung ihres Art. 16 Abs. 1 lit. b, wonach seine Prüfung durch den zuständigen Mitgliedstaat abzuschließen ist. Eine neuerliche Antragstellung ist nach dem System der Dublin II-Verordnung auch in dieser Konstellation nicht vorgesehen und kann am Boden der dargestellten unionsrechtlichen Vorgaben nicht Voraussetzung dafür sein, dass der Antrag im zuständigen Mitgliedstaat als gestellt gilt.
Richtig ist zwar, wie in der Amtsbeschwerde unter erkennbarer Bezugnahme auf Filzwieser/Sprung , aaO., K 13. zu Art. 16 ausgeführt wird, dass Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II-Verordnung von der Wiederaufnahme eines Drittstaatsangehörigen spricht, dessen Asylverfahren bereits finalisiert wurde und der daher (insoweit) kein Asylwerber mehr ist. Damit wird allerdings nur der in dieser Bestimmung ausdrücklich geregelte "Standardfall" (unerlaubter Aufenthalt im anderen Mitgliedstaat) angesprochen, dass es bei einem einzigen Antrag auf Asyl bleibt und im anderen Mitgliedstaat kein Asylantrag gestellt wird. Ist im Überstellungsstaat ein neuerliches Asylverfahren anhängig gemacht worden, so kommt dem Drittstaatsangehörigen demgegenüber wieder die Stellung eines "Asylbewerbers" zu. Das ergibt sich aus Art. 2 lit. d der Dublin II-Verordnung, der den betreffenden Status an jeglichen Antrag knüpft, über den noch nicht endgültig entschieden worden ist. Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-Verordnung lässt keine Ausnahme erkennen. Wie bereits erwähnt, hindert der Umstand, dass nach der Ablehnung in einem anderen Mitgliedstaat ein Folgeantrag gestellt wurde, für den der bisher zuständige Mitgliedstaat wiederum zuständig ist, nicht die Anwendung des Art. 16 Abs. 1 lit. e der Dublin II-Verordnung. Ebenso muss es aber im wieder aufnehmenden Mitgliedstaat bei der Prüfpflicht nach Art. 16 Abs. 1 lit. b Dublin II-Verordnung bleiben.
Im Ergebnis besteht damit nach der Dublin II-Verordnung die Pflicht des auf- oder wiederaufnehmenden Staates, den in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Asylantrag, und sei es auch ein "Folgeantrag", bei dem ohne vorherige Prüfung nicht beurteilt werden kann, ob neue Fluchtgründe geltend gemacht werden, ohne weiteres einer Prüfung zuzuführen. Diese hat - siehe Art. 2 lit. e Dublin II-Verordnung - "gemäß dem einzelstaatlichen Recht" zu erfolgen, was - aus österreichischem Blickwinkel - aber voraussetzt, dass ein Antrag auf internationalen Schutz bereits als gestellt gilt. Die Antragstellung (im Sinn des schon mehrfach erwähnten § 17 Abs. 1 AsylG 2005) markiert nämlich den formalen Beginn des Asylverfahrens. Nur einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann - von im gegebenen Zusammenhang nicht näher in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen - gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden. Vor diesem Hintergrund muss die Regelung des § 17 Abs. 1 AsylG 2005 in Dublinfällen aber als - ungewollt - lückenhaft verstanden werden, hatte der Gesetzgeber doch ohne Zweifel die Absicht, sein Asylverfahrensregime mit der Dublin II-Verordnung kompatibel zu gestalten. Diese planwidrige Unvollständigkeit ist gemäß der erwähnten Absicht zur Erfüllung der unionsrechtlichen Vorgaben so zu beheben, dass ein Asylantrag auch dann als gestellt anzusehen ist, wenn sich die Republik Österreich im Hinblick auf die ihr nach der Dublin II-Verordnung zukommende Zuständigkeit zur (Wieder )Aufnahme eines Fremden bereit erklärt, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat und der gemäß den einschlägigen Überstellungsmodalitäten (vgl. dazu allgemein Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zur Dublin II-Verordnung) nach Österreich gelangt ist. Eines (nochmaligen) Schutzersuchens bedarf es nicht.
3. Die belangte Behörde stellte unstrittig fest, dass die Mitbeteiligte vor ihrer Überstellung nach Österreich in Irland, am , einen Asylantrag eingebracht habe. Im bekämpften Bescheid wurde weiter davon ausgegangen, dass die österreichischen Asylbehörden der Einreise der Mitbeteiligten nach Österreich zustimmten, damit über ihren Asylantrag entschieden werden könne; Österreich habe sich bereit erklärt, die Mitbeteiligte wiederaufzunehmen und ihren Asylantrag einer Prüfung zu unterziehen.
Auch diese Tatsachenannahmen werden in der Amtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Davon ausgehend wäre die Mitbeteiligte angesichts des zu Punkt 2. oben Ausgeführten aber als eine Fremde zu betrachten gewesen, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Das stand - siehe die eingangs angestellten Erwägungen zu Punkt 1. - sowohl einer auf die Annahme eines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gestützten Festnahme nach § 39 Abs. 1 Z 1 FPG als auch einer Schubhaftverhängung nach § 76 Abs. 1 FPG entgegen. Wenn die belangte Behörde diese gegenüber der Mitbeteiligten gesetzten Maßnahmen für rechtswidrig erklärt hat, so entspricht das daher der Rechtslage.
Dass im Entscheidungszeitpunkt (mittlerweile) ein Schubhafttatbestand nach § 76 Abs. 2 FPG oder § 76 Abs. 2a FPG vorgelegen hätte, wird in der Amtsbeschwerde gar nicht behauptet. Sie war daher, ohne dass auf die weiteren Überlegungen der belangten Behörde zum fehlenden Sicherungsbedarf einzugehen gewesen wäre, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zur Gänze als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz an die Mitbeteiligte gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Eine Zuerkennung von Aufwandersatz auch an die belangte Behörde kam dagegen gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht in Betracht.
Wien, am