VwGH vom 26.09.2011, 2009/10/0229
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des JS in P, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in 2460 Bruck/Leitha, Schloßmühlgasse 14, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. LF1-FO-120/006-2009, betreffend forstbehördlicher Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften des Forstgesetzes 1975 entsprechenden Zustandes näher beschriebenes Schüttmaterial vom Grundstück Nr. 183, KG P., binnen festgesetzter Frist unter Einhaltung bestimmter Vorkehrungen zu entfernen und die betroffenen Flächen in näher beschriebener Art und Weise wieder aufzuforsten.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, anlässlich eines Lokalaugenscheins am sei festgestellt worden, dass der Bewuchs des in Rede stehenden Grundstücks entlang der östlichen Grundstücksgrenze auf einer Breite von 7 m und einer Länge von 60 m entfernt worden sei. Weiters seien die Bäume auf einer nahezu rechteckigen Fläche im Ausmaß von ca. 600 m2 im Bereich der südwestlichen Grundstücksecke entfernt und die Fläche mit schottrigem Aushubmaterial überlagert worden. Auf diese Weise sei eine Zufahrt und ein Lagerplatz angelegt worden, der nahezu niveaugleich und weitgehend eben zum südlich angrenzenden Grundstück ausgebildet sei. Zum Ausgleich der Geländeunebenheiten sei Aushubmaterial in einer Höhe von 1 m und kleinflächig auch mehr aufgebracht worden. Konkret sei Erdaushubmaterial auf Waldboden aufgebracht worden. Auf der rechteckigen Fläche würden Baumaterialien gelagert.
Dem forstfachlichen Gutachten zufolge wiesen Waldböden eine typische Schichtung in Bodenhorizonte auf, die sich durch Humusgehalt und Nährstoffverteilung sowie Wasserhaushalt und Durchwurzelung unterschieden. Für die Ernährung von Waldbäumen sei vor allem der Auflagehumus von besonderer Bedeutung, weil von den Nährstoffen im gesamten Bodensystem immer nur ein kleiner Anteil, nämlich ca. 2 % auch tatsächlich pflanzenverfügbar sei. Das geschüttete Material weise keine mit einem gewachsenen Waldboden vergleichbare Porenstruktur sowie Humusanreicherung im Oberboden auf und stelle damit eine deutliche Verschlechterung des Bodenwasser-, Bodenluft- und Nährstoffhaushaltes des Standortes dar. Die ursprünglich vorhandene natürliche Bodenstruktur sei durch die Schüttung so weit überdeckt worden, dass einerseits die natürliche Dynamik des Abbaus organischer Substanz und der Humusbildung zum Erliegen komme und andererseits die vorhandenen Nährstoffe nicht oder nur sehr eingeschränkt pflanzenverfügbar seien. Durch die Schüttung würden die Wuchsbedingungen für Bäume deutlich verschlechtert. Da dem Schüttmaterial das innere Gefüge fehle, weise dieses gegenüber dem gewachsenen Waldboden einen wesentlich geringeren Porenanteil auf, wodurch die Luft- und Wasserkapazität im Vergleich zum ursprünglich anstehenden Boden deutlich reduziert würden. Dieser "Deckeleffekt" bewirke für das Luft - Wasser - Mineralgemisch "Waldboden" eine Reduktion des Wasser- und Gasaustausches. Zusätzlich werde die Bodenatmung vermindert, was zu toxischen Anreicherungen von CO2 im Boden führen könne. Dadurch seien Welkeerscheinungen möglich, die bis zum Absterben einzelner Bäume oder des Bestandes führen könnten. Dieser Effekt sei beim Lokalaugenschein am an randlich eingeschütteten Bäumen bereits erkennbar gewesen; die Bäume hätten Welkeerscheinungen gezeigt bzw. seien bereits abgestorben gewesen. Weiters würden die Redoxpotenziale im Boden verschoben, wodurch die Verfügbarkeit essenzieller Nährstoffe im Boden eingeschränkt werden könne. Die Überlagerung des gewachsenen Waldbodens mit Erdmaterial führe daher zu einer wesentlichen Schwächung der Produktionskraft des Waldbodens; die vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen seien als Waldverwüstung iSd § 16 Abs. 2 lit. a ForstG 1975 zu qualifizieren. Die Durchführung der spruchgemäß vorgeschriebenen Maßnahmen sei zur Wiederherstellung des den Vorschriften des ForstG 1975 entsprechenden Zustandes sowie zur Walderhaltung unbedingt erforderlich.
Bei seinem Vorbringen, es sei ihm für die gesetzten Maßnahmen die baubehördliche Bewilligung erteilt worden, übersehe der Beschwerdeführer, dass für solche Maßnahmen, wenn sie im Wald gesetzt würden, die Bestimmungen des ForstG 1975 einzuhalten seien. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, sich vor der Ausführung seines Vorhabens über die notwendigen Genehmigungen zu informieren und diese zeitgerecht zu beantragen. Was aber die Waldeigenschaft des in Rede stehenden Grundstückes anlange, habe die Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha mit Bescheid vom rechtskräftig festgestellt, dass das Grundstück Wald iSd ForstG 1975 sei. Überdies sei vom forstfachlichen Sachverständigen in seinem Gutachten ausgeführt worden, dass die Fläche zumindest bis Juni 2000 zur Gänze bestockt gewesen sei. Es sei nicht von Relevanz, dass die Arbeiten - wie der Beschwerdeführer behaupte - vor Erlassung des Feststellungsbescheides durchgeführt worden seien. Die Durchführung der Arbeiten selbst habe der Beschwerdeführer nicht bestritten. Dem Vorwurf, der forstfachliche Sachverständige habe das Grundstück ohne Wissen des Beschwerdeführers betreten und damit dessen Eigentum verletzt, sei schließlich zu entgegnen, dass Organe der Forstaufsicht berechtigt seien, Wald zum Zwecke der behördlichen Überwachung zu betreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 55/2007, (ForstG 1975) lauten auszugsweise wie folgt:
"Waldverwüstung
§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,
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c) | die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder |
d) | der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird. |
(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, dass der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.
...
Forstaufsicht
§ 172. ...
(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer Acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
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a) | die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, |
b) | die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen, |
c) | die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung, |
d) | die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder |
e) | die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr |
im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen. | |
..." | |
Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf ein forstfachliches Gutachten gestützte Auffassung zu Grunde, die vom Beschwerdeführer vorgenommene Aufschüttung von Aushubmaterial auf dem Waldgrundstück Nr. 183, KG P., sei als Waldverwüstung iSd § 16 Abs. 2 lit. a ForstG 1974 zu qualifizieren, weil die Produktionskraft des Waldbodens dadurch wesentlich geschwächt worden sei. Dem Beschwerdeführer seien daher die zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erforderlichen Vorkehrungen vorzuschreiben gewesen. | |
Der Beschwerdeführer wendet ein, er sei erst seit dem Jahre 2005 Eigentümer des betreffenden Grundstückes und habe - mit Ausnahme der baubehördlich bewilligten Maßnahmen - keinerlei Veränderungen am Grundstück vorgenommen. Er habe lediglich den baubehördlich bewilligten Weg errichtet. Es könne ihm eine Waldverwüstung, die stattgefunden habe, bevor er Eigentümer des Grundstückes geworden sei, nicht angelastet werden. Zur Errichtung des Weges habe der Beschwerdeführer lediglich Material verwendet, das bereits am Gelände abgelagert gewesen sei. Es sei nur ein leichter Abtrag vorgenommen und keinerlei Fremdmaterial aufgebracht worden. Außerdem sei die Waldeigenschaft des Grundstückes erst nach Durchführung der Arbeiten zur Errichtung des Weges festgestellt worden, und zwar mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha vom . Zum Zeitpunkt des von der Behörde behaupteten Zuwiderhandelns gegen forstliche Vorschriften (Sommer 2008) habe die Waldeigenschaft des Grundstückes noch gar nicht bestanden. Die Waldeigenschaft komme einem Grundstück nämlich schon aus Gründen der Rechtssicherheit erst mit Erlassung des entsprechenden Feststellungsbescheides zu. Seit der Erlassung des Feststellungsbescheides seien aber keinerlei Veränderungen am Grundstück vorgenommen worden. Mangels Waldeigenschaft des Grundstückes im Zeitpunkt der gesetzten Maßnahmen könne auch keine Waldverwüstung vorliegen. Als Verstoß gegen Treu und Glauben sei es zu werten, dass dem Beschwerdeführer im Waldfeststellungsverfahren von Seiten der Behörde mitgeteilt worden sei, eine Waldfeststellung habe für ihn keine Konsequenz. Es sei ihm andererseits nicht mitgeteilt worden, dass er für die baubehördlich bewilligten Maßnahmen auch eine forstbehördliche Bewilligung benötige. Schließlich sei der Beschwerdeführer von der belangten Behörde auch nicht einvernommen worden, diese habe sich ausschließlich auf das forstfachliche Gutachten gestützt. Weder seien Feststellungen darüber getroffen worden, wer die behaupteten Rodungen wann durchgeführt habe, noch, welchen Zustand das Grundstück aufgewiesen habe, als es vom Beschwerdeführer erworben worden sei. Überdies sei der Beschwerdeführer von der Befundaufnahme nicht verständigt worden, sein (umzäuntes) Grundstück sei ohne sein Wissen betreten worden. | |
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf: | |
Soweit er darauf hinweist, dass er erst seit dem Jahre 2005 Eigentümer des in Rede stehenden Grundstückes sei und auf diesem außer den baubehördlich bewilligten Maßnahmen keine Veränderungen vorgenommen habe, übersieht er zunächst, dass Aufträge an den Waldeigentümer gemäß § 16 Abs. 3 bzw. § 172 Abs. 6 ForstG 1975 auch dann zulässig sind, wenn dieser nicht selbst die Außerachtlassung der forstrechtlichen Vorschriften zu verantworten hat. Ob ein Waldeigentümer eine Waldverwüstung verursacht oder zugelassen hat, ist für die Erteilung der entsprechenden forstpolizeilichen Aufträge nicht von Bedeutung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 87/10/0066, und die dort zitierte Vorjudikatur). Selbst wenn die in Rede stehende Waldverwüstung die Folge von Aufschüttungen wäre, die bereits vor Erwerb des Grundstücks durch den Beschwerdeführer gesetzt wurden, änderte dies daher nichts an der Zulässigkeit der dem Beschwerdeführer zu ihrer Abstellung und Folgenbeseitigung vorgeschriebenen Maßnahmen. Aus diesem Grund bedurfte es auch nicht der vom Beschwerdeführer vermissten Feststellungen, wer zu welchem Zeitpunkt Veränderungen auf dem Grundstück vorgenommen habe und welchen Zustand das Grundstück aufgewiesen habe, als es vom Beschwerdeführer erworben wurde. | |
Die Beschwerdeauffassung, die Waldeigenschaft komme einem Grundstück erst mit der Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 5 ForstG 1975 zu, verkennt, dass mit dem Feststellungsbescheid zwar das Vorliegen der strittigen rechtlichen Qualifikation einer Grundfläche als Wald iSd § 1a Abs. 1 ForstG 1975 verbindlich ausgesprochen wird, dass damit der Grundfläche diese Qualifikation aber nicht vermittelt wird. Der Bescheid ist deklarativ, nicht konstitutiv. Es ist daher die Auffassung unzutreffend, dass eine Grundfläche erst ab Erlassung eines Feststellungsbescheides als Wald iSd § 1a Abs. 1 ForstG 1975 anzusehen wäre. Vielmehr kommt einer Grundfläche die Waldeigenschaft in diesem Sinne bereits dann zu, wenn die im ForstG 1975 dafür normierten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. | |
Nun liegt dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Leitha vom , mit dem gemäß § 5 Abs. 1 und 2 ForstG 1975 rechtskräftig festgestellt worden war, dass die erwähnte Grundfläche im Ausmaß von 3.366 m2 Wald iSd ForstG 1975 sei, die auf sachverständiger Basis gewonnene Auffassung zu Grunde, die Grundfläche sei schon länger als 10 Jahre Wald. Wenn die belangte Behörde daher davon ausging, dass die in Rede stehenden Schüttungen auf einem Waldgrundstück iSd ForstG 1975 vorgenommen wurden, so ist das nicht rechtswidrig. Der Beschwerdeführer hat nämlich nicht konkret aufgezeigt, dass die Schüttungen zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, zu dem die Grundfläche noch nicht Wald iSd. ForstG 1975 war. | |
Ob der Beschwerdeführer über die Notwendigkeit einer Rodungsbewilligung informiert worden ist, hat auf die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden forstpolizeilichen Auftrages keinen Einfluss. Gleiches gilt für die Frage, ob der Beschwerdeführer vor Erlassung des Feststellungsbescheides über die damit verbundenen Konsequenzen ausreichend informiert worden sei. | |
Soweit der Beschwerdeführer aber rügt, er sei von der behördlichen Befundaufnahme nicht verständigt und es sei sein (umzäuntes) Grundstück ohne sein Wissen betreten worden, hat er es unterlassen, die Wesentlichkeit allenfalls unterlaufener Verfahrensmängel iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzutun. | |
Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. | |
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. | |
Wien, am |
Fundstelle(n):
FAAAE-91734