VwGH vom 21.01.2015, Ro 2014/12/0041
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der EM in K, vertreten durch Mag. Birgit Hermann-Kraft, Rechtsanwältin in 6330 Kufstein, Oberer Stadtplatz 5a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. BMF-111301/0138-II/5/2013, betreffend Witwenversorgungsgenuss, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die am geborene Revisionswerberin ist Witwe des am geborenen und am verstorbenen OM. Letzterer stand seit in einem öffentlichrechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er ehelichte die Revisionswerberin am .
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde festgestellt, dass die Revisionwerberin gemäß § 14 Abs. 3 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (im Folgenden: PG 1965), keinen Anspruch auf Witwenversorgungsgenuss nach ihrem am verstorbenen Ehegatten OM habe.
Begründend führte die belangte Behörde (auszugsweise) Folgendes aus:
"In dieser Berufung beantragen Sie offenbar erneut die Feststellung, dass Ihnen ein Versorgungsgenuss als Witwe nach dem am verstorbenen Vzlt. i. R. OM gebührt. Zur Begründung führen Sie an, dass Sie bereits seit 1996 mit Ihrem späteren Ehemann im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten. Da Sie aber erst am geheiratet hätten, hätte Ihre Ehe nur drei Jahre und 10 Monate gedauert. Er habe Ihre Töchter großgezogen, sie aber hätten gemeinsam kein Kind bekommen können.
Dem überlebenden Ehegatten (Witwer, Witwe) gebührt nach § 14 Abs. 1 PG 1965 ab dem auf den Todestag des Beamten folgenden Monatsersten ein monatlicher Versorgungsgenuss, wenn der Beamte an seinem Todestag Anspruch auf Ruhegenuss gehabt hat oder im Falle der mit Ablauf dieses Tages erfolgten Versetzung in den Ruhestand gehabt hätte.
Der überlebende Ehegatte hat nach Abs. 3 keinen
Anspruch auf Versorgungsgenuss, wenn die Ehe erst während des
Ruhestandes des Beamten geschlossen worden ist. Dies gilt
nicht, wenn
1. Die Ehe mindestens drei Jahre gedauert und der
Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 20 Jahre betragen
hat oder die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert hat und der
Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 25 Jahre betragen
hat oder die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat und der
Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre gedauert hat,
2. der Beamte nach der Eheschließung wieder in den
Dienststand aufgenommen worden ist,
3. aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist oder
hervorgeht,
4. durch die Eheschließung ein Kind legitimiert worden
ist oder
5. am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des
überlebenden Ehegatten ein anderes als in der Z 3 oder 4 genanntes Kind des verstorbenen Beamten angehört, das Anspruch auf Waisenversorgungsgenuss hat.
Ihr verstorbener Ehegatte hat durch die Abgabe seiner schriftlichen Erklärung vom , dass er mit Ablauf der aus dem Dienststand ausscheiden wolle, nach § 15 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (=BDG 1979), seine Versetzung in den Ruhestand mit Ablauf des bewirkt. Sie sind - wie aus der vorgelegten Heiratsurkunde hervorgeht - am , also erst während des Ruhestandes Ihres Ehegatten mit diesem die Ehe eingegangen. Da dieser am gestorben ist, hat die Ehe lediglich 3 Jahre, 9 Monate und 16 Tage gedauert. Da ihr Altersunterschied - Sie sind am geboren, Ihr Ehegatte am - 21 Jahre, 10 Monate und 29 Tage beträgt, sind die Voraussetzungen nicht gegeben, unter denen der § 14 Abs. 3 Z 1 PG 1965 den Anspruch auf Versorgungsgenuss knüpft. Bei diesem Altersunterschied wäre eine Ehedauer von mindestens fünf Jahre erforderlich. Der Umstand, dass Sie bereits seit 1996 mit Ihrem späteren Ehemann im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, ändert daran nichts, weil der ausdrückliche und zu keinem Zweifel Anlass gebende Wortlaut des anzuwendenden Gesetzes von der Dauer der Ehe spricht. Ebenfalls auf Grund mangelnder rechtlicher Grundlagen ist es ohne rechtliche Relevanz, dass Ihr Ehegatte die von Ihnen in die Ehe gebrachten Kinder großgezogen hat.
Da offensichtlich auch keine der übrigen im § 14 Abs. 3 Z 2 bis 5 PG 1965 genannten Voraussetzungen gegeben ist, unter denen bei einer im Ruhestand geschlossene Ehe dem überlebenden Ehegatten nach einem Beamten eine Versorgungsgenuss gebührt, könnte Ihrer Berufung nicht stattgegeben werden."
Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dort machte sie Gleichheitsbedenken gegen die Bestimmung des § 14 Abs. 3 Z. 1 PG 1965 (in ihrer Auslegung durch die belangte Behörde) geltend, wobei sie insbesondere darauf verwies, dass zwischen ihr und OM schon seit 1996 eine Lebensgemeinschaft bestehe und sie sowie ihre Tochter "gegenüber der BVA bereits als anspruchsberechtigt vorgemerkt" gewesen sei.
Mit Beschluss vom , B 1227/2013-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der Begründung dieses Beschlusses heißt es (auszugsweise):
"Die Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 7 Abs. 1 B-VG). Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zum rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht vgl. zB VfSlg. 16.176/2001 mwN, 17.451/2005; zur Frage der Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung von Ehe und Lebensgemeinschaft in einzelnen Rechtsbereichen vgl. zuletzt VfSlg. 17.979/2006) lässt ihr Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."
In ihrer über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes verbesserten Revision macht die Revisionswerberin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift mit dem Antrag vor, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise sie abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Revisionswerberin erhob gegen den am zugestellten angefochtenen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welche mit dem zitierten Beschluss dieses Gerichtshofes vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde. Diese Eingabe gilt als Übergangsrevision, auf welche grundsätzlich die Bestimmungen des § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGbk-ÜG), analog anzuwenden sind (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/10/0029). Für die Behandlung einer solchen Revision gelten mit hier nicht relevanten Ausnahmen die mit Ablauf des in Kraft gestandenen Bestimmungen. Insbesondere kommt hier die dem Bundesverwaltungsgericht offenkundig vorschwebende Möglichkeit einer Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht in Betracht (vgl. hiezu § 4 Abs. 5 letzter Satz VwGbk-ÜG). Vorliegendenfalls gilt gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014, auch die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, in ihrer am geltenden Fassung. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am in Kraft gestandene Fassung.
§ 14 Abs. 1 und Abs. 3 PG 1965 in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 140/2011 lautet:
"ABSCHNITT III
VERSORGUNGSBEZÜGE DER HINTERBLIEBENEN
UNTERABSCHNITT A
VERSORGUNGSBEZUG DES ÜBERLEBENDEN EHEGATTEN
Anspruch auf Witwen- und Witwerversorgungsgenuß
§ 14. (1) Dem überlebenden Ehegatten gebührt ab dem auf den Todestag des Beamten folgenden Monatsersten ein monatlicher Versorgungsgenuss, wenn der Beamte an seinem Todestag Anspruch auf Ruhegenuss gehabt hat oder im Fall der mit Ablauf dieses Tages erfolgten Versetzung in den Ruhestand gehabt hätte.
...
(3) Der überlebende Ehegatte hat ferner keinen Anspruch auf
Versorgungsgenuß, wenn die Ehe erst während des Ruhestandes des
Beamten geschlossen worden ist. Dies gilt nicht, wenn
1. die Ehe mindestens drei Jahre gedauert und der
Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 20 Jahre betragen
hat oder die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert und der
Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 25 Jahre betragen
hat oder die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert und der
Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre betragen hat,
2. der Beamte nach der Eheschließung wieder in den
Dienststand aufgenommen worden ist,
3. aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist oder
hervorgeht,
4. durch die Eheschließung ein Kind legitimiert worden
ist oder
5. am Sterbetag des Beamten dem Haushalt des
überlebenden Ehegatten ein anderes als in der Z 3 oder 4 genanntes Kind des verstorbenen Beamten angehört, das Anspruch auf Waisenversorgungsgenuß hat."
Die Restriktionen des § 14 Abs. 3 PG 1965 gehen im Wesentlichen schon auf die Stammfassung des Pensionsgesetzes nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 340/1965 zurück. In den Erläuterungen zu § 14 PG 1965 in der Stammfassung (RV 878 BlgNR 10. GP, 25) heißt es (auszugsweise):
"Die Bestimmungen über den Ausschluß vom Anspruch auf Witwenversorgungsgenuß sind in einer den heutigen Verhältnissen angepaßten Weise aus dem geltenden Recht übernommen. Sie verfolgen - abgesehen von der Vorschrift des Abs. 2 lit. a - den Zweck, die Schließung von sogenannten 'Versorgungsehen' zu erschweren. Die in Abs. 2 lit. b und Abs. 3 in den Ziffern 1 bis 5 enthaltenen Aufzählungen sind alternativ."
§ 19 Abs. 1 PG 1965 in der Fassung dieses Paragrafen nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 119/2002, wie er am Todestag des OM in Kraft stand, lautete:
"UNTERABSCHNITT C
Versorgungsbezug des früheren Ehegatten
§ 19. (1) Die Bestimmungen über den Versorgungsanspruch des überlebenden Ehegatten und über das Ausmaß der Versorgung des überlebenden Ehegatten - ausgenommen die Bestimmungen der §§ 21 Abs. 3 bis 6 und 24 - gelten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für den früheren Ehegatten des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seines früheren Ehegatten aufzukommen oder dazu beizutragen hatte."
Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof meint die Revisionswerberin, es stehe ihr ein Anspruch auf Witwenversorgungsgenuss nach OM zu, zumal sie mit ihm auch schon vor seiner Ruhestandsversetzung in Lebensgemeinschaft gestanden und in diesem Zusammenhang auch bei der BVA als anspruchsberechtigt vorgemerkt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund wäre es unbillig, ihr einen Witwenversorgungsgenuss zu versagen.
Schließlich verwies die Revisionswerberin auch auf § 19 PG 1965, wonach bei früheren Ehegatten für die Frage eines Versorgungsbezuges maßgeblich sei, dass der Beamte sich zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet habe. Vorliegendenfalls habe OM der Revisionswerberin als Lebensgefährte und später als Ehemann Unterhalt geleistet.
Diesem Vorbringen ist jedoch der klare Wortlaut des § 14 Abs. 3 Z. 1 PG 1965 entgegenzuhalten, welcher ausschließlich auf die Dauer einer Ehe abstellt und in diesem Zusammenhang eine (der Ehe vorangegangene) Lebensgemeinschaft nicht berücksichtigt.
Eine Lücke wäre nur dort anzunehmen, wo das Gesetz (gemessen an der mit seiner Erlassung verfolgten Absicht und seiner immanenten Teleologie) unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/12/0120).
Für die vorliegende Fallkonstellation bestehen auch vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des § 14 Abs. 3 PG 1965 keine Hinweise, welche zweifelsfrei auf das Vorliegen einer planwidrigen Lücke im Zusammenhang mit der Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 3 Z. 1 PG 1965 schließen ließen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/12/0018).
Entsprechendes gilt für § 19 Abs. 1 PG 1965, welche Bestimmung vor dem Hintergrund ihres klaren Wortlautes ausschließlich für die Frage der Gebührlichkeit eines Versorgungsgenusses für den früheren Ehegatten Anwendung findet und auf Unterhaltsverpflichtungen nach Auflösung der Ehe abstellt.
Entsprechend den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Ablehnungsbeschluss vom bestehen auch beim Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 14 Abs. 3 PG 1965 im hier dargelegten Verständnis vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes.
An diesem Ergebnis vermag auch der von der Revisionswerberin hervorgehobene Umstand, wonach sie bei der BVA als anspruchsberechtigt vorgemerkt gewesen sei, nichts zu ändern, zumal eine solche Vormerkung für das Witwenversorgungsrecht keine Bindungswirkung entfaltet und sich (überdies) auf sozialversicherungsrechtliche Ansprüche bezogen haben dürfte.
Soweit die Revisionswerberin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, die erstinstanzliche und die belangte Behörde hätten ihrem Rechtsvertreter nach Erlassung des angefochtenen Bescheides Akteneinsicht verweigert, ist ihr entgegenzuhalten, dass damit eine Mangelhaftigkeit des zur Erlassung des hier angefochtenen Bescheides führenden Verwaltungsverfahrens nicht aufgezeigt wird (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel , Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 49 ff. zu § 17 AVG, wiedergegebene Judikatur).
Aus diesen Erwägungen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 f VwGG.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-91729