VwGH vom 27.03.2012, 2009/10/0225
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der D F in P, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Brunngasse 12/2, gegen den Bescheid der Niederösterreichische Landesregierung vom , Zl. GS5- SH-18260/002-2008, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Hilfe zum Lebensunterhalt abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin laut Auskunft der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (in der Folge: GKK) und des AMS seit über ein Einkommen aus Krankengeld bzw. AMS-Leistungen in der Höhe von täglich EUR 14,84 verfüge. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin verfüge laut Erhebungen bzw. übermittelten schriftlichen Unterlagen der GKK und des AMS über ein Einkommen aus Krankengeld bzw. AMS-Leistungen in folgender Höhe: vom Juli bis täglich EUR 37,51, vom 16. bis täglich EUR 36,54, vom 1. bis täglich EUR 37,39 und seit täglich EUR 36,54.
Für die Berechnung der Ansprüche der Beschwerdeführerin ergebe sich daraus ein relevantes monatliches Einkommen für den Zeitraum 1. Juli bis in Höhe von EUR 1.596,68 (EUR 452,62 und EUR 1.144,06), im Oktober 2008 in Höhe von EUR 1.599,91 (EUR 452,62 und EUR 1.147,29), im November 2008 in Höhe von EUR 1.554,77 (EUR 452,62 und EUR 1.102,15) sowie ab in Höhe von EUR 1.567,09 (EUR 452,62 und EUR 1114,47).
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei laut Beschluss des BG Schwechat vom Februar 2007 für zehn Kinder zur Unterhaltsleistung von monatlich insgesamt EUR 600,-- verpflichtet. Laut Information des Jugendwohlfahrtsträgers bezahle der Ehegatte die Alimente nicht, sondern erhalte die Kindesmutter für acht Kinder Unterhaltsvorschuss im Wege der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg. Die beiden Töchter der Beschwerdeführerin aus einer früheren Beziehung sowie zwei Kinder des Ehegatten der Beschwerdeführerin hätten sich im Zeitpunkt der Antragstellung am noch mit der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt befunden. Am sei die Obsorge für diese Kinder der Jugendabteilung (bei der Bezirkshauptmannschaft) Gmünd übertragen und die Kinder am selben Tag in Einrichtungen untergebracht worden; die Kinder seien in diesen Einrichtungen vollversorgt und bestehe daher insoweit kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Kosten für Miete fänden bei der Berechnung von Hilfe zum Lebensunterhalt nur bis zu den Richtsätzen des Zuschusses zu den vertretbaren Unterkunftskosten Berücksichtigung; darüber hinaus gehende Mietkosten könnten nicht angerechnet werden.
Der relevante Richtsatz nach Maßgabe der Nö Richtsatzverordnung betrage bis EUR 839,90 bzw. ab EUR 866,80 (EUR 467,50 unterhaltspflichter Hauptunterstützer, EUR 257,30 unterhaltsberechtigter Haushaltsangehöriger ohne Familienbeihilfe, EUR 99,30 und EUR 42,70 Unterkunftskostenzuschuss).
Irrelevant sei, ob die Beschwerdeführerin oder ihr Ehegatte unterhaltspflichtiger Hauptunterstützer bzw. unterhaltsberechtigter Haushaltsangehöriger ohne Familienbeihilfe sei. Als Ehegatten seien sie gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet, sodass das Gesamteinkommen beider Ehegatten der Summe der in Frage kommenden Richtsätze gegenüber zu stellen sei.
Da das Einkommen der Beschwerdeführerin somit höher als der maßgebliche Richtsatz sei, bestünde kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 9 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000, LGBl. 9200-6 (NÖ SHG), lauten:
"§ 9
Hilfe zum Lebensunterhalt
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt oder den seiner mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend decken kann und ihn nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
(2) Der notwendige Lebensunterhalt umfasst den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Kleidung, Körperpflege, Unterkunft, Beheizung, Beleuchtung, Kleinhausrat und andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt.
(3) Die Hilfe zum Lebensunterhalt erfolgt durch laufende oder durch einmalige Geldleistungen, Sachleistungen oder in Form von stationärer Hilfe …
§ 10
Richtsätze, Geld- oder Sachleistungen
(1) Zur Bemessung laufender monatlicher Geldleistungen hat die Landesregierung Richtsätze durch Verordnung so festzusetzen, dass mit dem jeweiligen Betrag die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse im Rahmen des Lebensunterhaltes (§ 9 Abs. 2) unter Berücksichtigung der bei einer gemeinsamen Haushaltsführung erzielten Einsparungen gedeckt werden.
(2) Richtsätze sind jedenfalls festzusetzen für:
…
2. hilfebedürftige Menschen, die in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben,
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3. | … |
4. | ein Betrag als Zuschuss zu den vertretbaren Unterkunftskosten. |
Bei der Festsetzung der Richtsätze ist zu berücksichtigen, dass die im Rahmen der Pensionsversicherung nach den Sozialversicherungsgesetzen gewährten Mindestleistungen nicht überschritten werden. | |
… |
(5) Lebt ein Hilfe Suchender in Haushaltsgemeinschaft mit unterhaltspflichtigen Angehörigen, so wird vermutet, dass der von diesen den Lebensunterhalt erhält, so weit dies auf Grund ihres Einkommens und Vermögens erwartet werden kann. Die richtsatzmäßige Leistung ist daher um den Unterhaltsanspruch zu reduzieren. In jedem Fall sind zumindest die tatsächlich erbrachten Naturalleistungen gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl. Nr. 642/1992, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 423/1998, bei der Bemessung des Lebensunterhaltes abzuziehen. Falls der Hilfe Suchende jedoch keine Leistungen erhält, ist ihm der Richtsatz für einen Haushaltsangehörigen zu gewähren."
§ 1 NÖ Richtsatzverordnung, LGBl. Nr. 9200/1-9, lautet
auszugsweise
"§ 1
Laufende monatliche Geldleistungen
(1) Die Richtsätze in der Sozialhilfe zur Bemessung laufender monatlicher Geldleistungen zur Deckung des notwendigen
Lebensunterhaltes, ausgenommen Kosten der Unterkunft, betragen für:
…
2. Menschen, die mit unterhaltsberechtigten/-pflichtigen
Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben:
a) für den unterhaltspflichtigen Hauptunterstützten EUR 467,50
…
c) für jeden unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen ohne Anspruch auf Familienbeihilfe EUR 257,30
…
(2) Der Zuschuss zu den vertretbaren Unterkunftskosten an Empfänger von laufenden monatlichen Leistungen nach Abs. 1 beträgt für:
1. Alleinstehende oder unterhaltspflichtige Hauptunterstützte bis zu EUR 99,30 pro Monat;
2. Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe bis zu EUR 42,70 pro Monat;
…"
Dem angefochten Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, das Einkommen der Beschwerdeführerin und ihres - mit ihr in Haushaltsgemeinschaft lebenden - Ehegatten übersteige den maßgeblichen Richtsatz, sodass ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des § 9 NÖ SHG nicht bestehe.
Die Beschwerde bringt dagegen im Wesentlichen vor, dass die auf Grund des Beschlusses des BG Schwechat bestehende Unterhaltspflicht des Ehegatten der Beschwerdeführerin in Höhe von EUR 600,-- bei der Berechnung des relevanten Einkommens zu berücksichtigen gewesen wäre. Außerdem habe es die belangte Behörde unterlassen, der Beschwerdeführerin die von der GKK beigeholten schriftlichen Unterlagen zum Zweck der Einsicht zu übermitteln; es sei der Beschwerdeführerin daher nicht möglich gewesen, hiezu konkret Stellung zu nehmen.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Den - von der Beschwerde nicht bekämpften - Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge bezog die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum monatlich EUR 452,62 und ihr Ehemann, mit dem sie in Haushaltsgemeinschaft lebt, monatlich EUR 1.147,29 bzw. EUR 1.114,47 an "Krankengeld bzw. AMS 1-Leistungen". Davon ausgehend ist für die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Haushaltsgemeinschaft mit dem unterhaltspflichtigen Ehegatten der Richtsatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 NÖ SHG iVm § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. c NÖ RichtsatzVO maßgeblich. Dieser betrug im gegenständlichen Zeitraum monatlich EUR 257,30, unter Bedachtnahme auf den Zuschuss zu den vertretbaren Unterkunftskosten gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 NÖ RichtsatzVO von EUR 42,70 insgesamt EUR 290,-- monatlich. Im Hinblick auf ihr diesen Richtsatz übersteigendes Einkommen war die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitraum somit nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 NÖ SHG; sie hatte daher keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe.
Das auf die Berücksichtigung von Unterhaltspflichten ihres Ehemannes gegenüber Kindern in der Höhe von EUR 600,-- monatlich (denen dieser den - insoweit ebenfalls unbekämpft gebliebenen - Feststellungen des angefochtenen Bescheides zufolge allerdings nicht nachkommt) abzielende Beschwerdevorbringen zeigt schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil nach Lage des Falles selbst aus (der Erfüllung von) Unterhaltspflichten in der behaupteten Höhe nicht folgte, dass die Beschwerdeführerin ihrem Ehemann gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet wäre (und für sie daher der Richtsatz nach § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. a NÖ RichtsatzVO zur Anwendung käme). Ihr Sozialhilfeanspruch ist daher nach dem die Höhe des Anspruches für unterhaltsberechtigte Haushaltsangehörige regelnden § 10 Abs. 5 NÖ SHG jedenfalls mit dem auf sie anwendbaren Richtsatz für solche Haushaltsangehörige begrenzt.
Soweit die Beschwerde die Unterlassung der Übersendung von Aktenbestandteilen zur Einsicht geltend macht, zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.
Im Übrigen ist dem Einwand zu entgegnen, dass der Beschwerdeführerin nach Ausweis der Verwaltungsakten mit Schreiben der belangten Behörde vom die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihr Parteiengehör gewährt wurde; die Einräumung der Möglichkeit zur Stellungnahme wird in der Beschwerde auch ausdrücklich zugestanden. Eine Verpflichtung der Behörde, Akten, Aktenteile oder Kopien davon an die Partei zu übersenden, besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (vgl. dazu die in Hengstschläger/Leeb , AVG, § 17, Rz 7 angeführte hg. Rechtsprechung sowie zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0146).
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich - nach Maßgabe des von der belangten Behörde geltend gemachten Ersatzanspruches - auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am