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VwGH vom 18.11.2009, 2007/08/0175

VwGH vom 18.11.2009, 2007/08/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des A T in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Reinold, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Köstlergasse 11, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2006-11165, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid einer regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 12 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mangels Arbeitslosigkeit abgewiesen und damit begründet, dass der Beschwerdeführer in den letzten 52 Wochen keine 39 Wochen Parallelität von Studium und Erwerbstätigkeit aufweisen könne.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, dass es sich bei der von ihm absolvierten Ausbildung weder um ein Studium noch um einen geregelten Lehrgang im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handeln würde. Die Ausbildung habe am begonnen und würde ein Jahr dauern; grundsätzlich seien sechs Wochenstunden vorgesehen, wobei die Wahlmöglichkeit für Zeit und Tag bestehe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben.

In der Begründung traf die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Homepage und eine eingeholte Bestätigung des S.-Institutes sowie auf die Angaben des Beschwerdeführers folgende Feststellungen (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Seit absolvieren Sie (gemeint: der Beschwerdeführer) eine Ausbildung "Creative Media Degree Programm" beim Institute S. Die Kursdauer beträgt 27 Monate. Der Kurs endet am .

Die wöchentliche Mindestaufwandzeit beträgt durchschnittlich 25 Stunden. Davon sind durchschnittlich 6 Stunden Theorie Vorlesung. Der Unterricht findet in der Degree Stufe geblockt statt. Die praktischen Stunden kann sich der Student selbst einteilen.

Es handelt sich um eine international anerkannte Degree und Diplom Ausbildung

Der Kurs setzt sich aus 3 aufeinander aufbauenden Levels

zusammen.

Diese sind

1 Zertifikats-Level

2 Diplom-Level

3 Degree-Level

Jeder dieser Level steht eine bestimmte Qualifikationsstufe dar.

In der 3-monatigen Zertifikatsstufe bereitet der BMC-Kurs auf die Diplomstufe vor. Er verbindet breites theoretisches Grundwissen mit ersten praktischen Erfahrungen

Diplom-Level:

Das Ziel dieses Ausbildungsabschnittes ist die operativ-technische

Ausbildung im Bereich der Medien-Produktion.

Degree-Level:

Der Fokus geht weg von der praktischen Orientierung der Diplomstufe hin zu mehr markt- und betriebswirtschaftlichen, sowie juristischen, psychologischen journalistischen und künstlerischen Inhalten.

Sie waren in den letzten 12 Monaten vor Ausbildungsbeginn - bis - nicht 39 Wochen parallel zu Ihrem Studium arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen zusammengefasst aus, dass es sich bei einem geregelten Lehrgang gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG, der die Arbeitslosigkeit im Sinne der Abs. 1 und 2 ausschließe, um jene Ausbildungen handle, die in schultypischer Form organisiert seien, auch wenn sie als Kurse abgehalten werden. Eine schultypische Form liege vor, wenn eine Ausbildung mehrere Gegenstände (Fächer) umfasse, ein Lehrplan (der ein bestimmtes Ausbildungsziel einschließe) vorliege und durch die Intensität der Ausbildung die (Arbeits-)Zeit der Schulungsteilnehmer überwiegend in Anspruch genommen werde. Die belangte Behörde wertete die gegenständliche Ausbildung des Beschwerdeführers als einen solchen geregelten Lehrgang, zumal seine Ausbildung mehrere Fächer umfasse, 27 Monate dauere und ein gewisses Ausbildungsziel (Ende mit Diplom) erfordere. Bei einer wöchentlichen Mindestaufwandzeit von 25 Wochenstunden würde der Beschwerdeführer auch zeitlich überwiegend in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer habe Gegenteiliges nicht nachweisen können, zumal er laut ausgewiesener Ladung zu dem von der belangten Behörde anberaumten Termin am trotz Hinweis, dass bei seinem Nichterscheinen auf Grund der Aktenlage entschieden werde, nicht erschienen sei. Die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG komme mangels Erfüllung der Voraussetzung von 39 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung parallel zum Studium innerhalb der letzten zwölf Monate vor Antragstellung nicht zur Anwendung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer unter anderem arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

§ 12 AlVG in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:

"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat

...

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

...

f) wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht;

...

(4) Abweichend von Abs. 3 lit. f gilt als arbeitslos, wer

1. während eines Zeitraumes von zwölf Monaten vor der Geltendmachung mindestens 39 Wochen, davon 26 Wochen durchgehend, oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als zwölf Monate ist, arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war,

2. zugleich dem Studium oder der praktischen Ausbildung nachgegangen ist und

3. die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst hat.

..."

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch darauf wegfällt.

Der in § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannten Personengruppe gebührt grundsätzlich kein Arbeitslosengeld, es sei denn, es besteht eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG. Der Grund für diese Regelung ist darin zu erblicken, dass der Gesetzgeber - ungeachtet subjektiver Umstände und Erklärungen des Arbeitslosen, insbesondere seiner Arbeitswilligkeit - von der Vermutung der Unvereinbarkeit der Ausbildung mit einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit auch von der Vermutung des Fehlens der Verfügbarkeit für eine Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice bzw. des Fehlens der Möglichkeit eines Bemühens um eine neue zumutbare Beschäftigung ausgeht. Dadurch soll verhindert werden, dass das Arbeitslosengeld - systemwidrig - zur Finanzierung einer solchen Ausbildung herangezogen wird, statt dazu zu dienen, nach Maßgabe der Bestimmungen des AlVG den Entgeltausfall nach Verlust der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer neuen abzugelten. Die rechtliche Konsequenz der Zuordnung einer Schulungsmaßnahme zu § 12 Abs. 3 lit. f AlVG besteht darin, dass der Betreffende nicht als arbeitslos im Sinne der Absätze 1 und 2 leg. cit. gilt und daher - ungeachtet des Vorliegens der übrigen nach § 7 leg. cit. erforderlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, unter anderem auch der Arbeitswilligkeit im Sinne der §§ 9 bis 11 leg. cit. - keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Das bedeutet, dass von Gesetzes wegen unwiderleglich vermutet wird, dass der Betreffende so lange einer Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice nicht zur Verfügung steht, als er in dem geregelten Lehrgang ausgebildet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0049, mwN).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss es sich bei einem "geregelten Lehrgang" im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG um eine schulähnliche (in Schulform organisierte) Ausbildung mit einem bestimmten (ein bestimmtes Ausbildungsziel einschließenden) Lehrplan mit einer gewissen Breite der vermittelten Ausbildung, also einem mehrere Gegenstände (Fächer) umfassenden Lehrplan, handeln, um die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzgebers zu rechtfertigen, dass derjenige, der an einer solchen Lehrveranstaltung teilnimmt, während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern an der Erreichung eines Ausbildungszieles interessiert ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0049, mwN).

Mit dem Beschwerdevorbringen, worin zusammengefasst die Qualifizierung der Ausbildung des Beschwerdeführers als geregelter Lehrgang im Sinne von § 12 Abs. 3 lit. f AlVG bekämpft und Verfahrensmängel geltend gemacht werden, vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:

Die belangte Behörde hat auf Grundlage der für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichenden Feststellungen unter Heranziehung der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes relevanten Kriterien schlüssig dargelegt, warum sie als Folge der von ihr aufgezeigten Umstände, insbesondere der festgestellten wöchentlichen Mindestaufwandszeit von 25 Stunden, eine überwiegend zeitliche Inanspruchnahme des Beschwerdeführers angenommen hat, welche seine Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung ausschließt, und deshalb die gegenständliche Ausbildung als "geregelten Lehrgang" im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG qualifiziere. Dabei begegnet es - unter Berücksichtigung dessen, dass der Beschwerdeführer zum Termin am unentschuldigt ferngeblieben ist - keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde ihre Feststellungen zur gegenständlichen Ausbildung des Beschwerdeführers im Wesentlichen auf die Ermittlungen beim S.-Institute gründet. Die nachvollziehbare Argumentation der belangte Behörde kann vom Beschwerdeführer auch nicht dadurch entkräftet werden, dass er zur Stützung seiner Behauptung, dass das von ihm praktizierte Selbststudium neben einer ganztägigen beruflichen Tätigkeit ausgeübt werden könne, unter Bezugnahme auf einen der Beschwerde angeschlossenen Versicherungsdatenauszug alleine ins Treffen führt, in der Zeit vom 1. Juli bis neben seiner ganztägigen ausgeübten Vollbeschäftigung den dritten Teil der gegenständlichen Ausbildung absolviert und am abgeschlossen zu haben. Abgesehen davon, dass es sich dabei zum Teil um Neuerungen handelt, spricht auch die Gesamtbetrachtung der Ausbildung vor dem Hintergrund dieser Versicherungsdaten für die Argumentation der belangten Behörde, zumal der Beschwerdeführer während des weitaus überwiegenden Teils der 27 Monate dauernden Ausbildung nur geringfügig beschäftigt gewesen ist bzw. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hat und somit auch letztlich das für die Anwendung von § 12 Abs. 4 AlVG in der hier noch anzuwendenden Fassung erforderliche Ausmaß der Parallelität zwischen Studium und einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nicht aufweisen kann.

Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe dem Ladungstermin zum wegen eines kurzfristigen Auslandsaufenthaltes nicht nachkommen können und er habe dies der belangten Behörde mitgeteilt, als (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren freilich unbeachtliche) nachträgliche Entschuldigung seines Fernbleibens zu werten ist und als allfällige Verfahrensrüge hinsichtlich der Unterlassung seiner neuerlichen Ladung verstanden werden kann, ist ihm einerseits zu entgegnen, dass sich dazu keinerlei Anhaltspunkte aus den Verwaltungsakten ergeben und andererseits auch die Relevanzdarstellung für einen solchen Verfahrensfehler unterblieben ist. Ebenso geht die Argumentation des Beschwerdeführers ins Leere, insofern er moniert, dass ihn die belangte Behörde nicht zur Vorlage des Versicherungsdatenausdruckes aufgefordert habe, weil daraus - wie zuvor dargelegt - für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-91711