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VwGH vom 02.10.2012, 2011/21/0072

VwGH vom 02.10.2012, 2011/21/0072

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der N in U, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Ankara vom , betreffend Verweigerung eines Visums, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am geborene Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige. Sie ist seit mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet, der in Österreich lebt und hier über einen unbefristeten Aufenthaltstitel verfügt.

Am stellte die Beschwerdeführerin bei der Österreichischen Botschaft Ankara den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von rund zweieinhalb Monaten. Zweck der Reise sollte der Besuch ihres Ehemannes sein, der eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben hat.

Diesen Antrag wies die Österreichische Botschaft Ankara (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom unter Verwendung des im Visakodex (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ) vorgesehenen Formblattes ab. Dabei wurde durch Ankreuzen des Textfeldes Punkt 9. zum Ausdruck gebracht, dass nach Auffassung der belangten Behörde die Absicht der Beschwerdeführerin, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auszureisen, nicht habe festgestellt werden können.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, der bekämpfte Bescheid widerspreche der Regelung des § 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, wonach Visa einem Fremden auf Antrag erteilt werden dürfen, wenn dessen Wiederausreise gesichert erscheint.

Dem ist einleitend auf formaler Ebene zu entgegnen, dass im Beschwerdefall der nach seinem Art. 58 Abs. 2 grundsätzlich seit dem geltende Visakodex anzuwenden war, der gemäß Art. 1 Abs. 1 die Verfahren und Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von höchstens drei Monaten je Sechs-Monatszeitraum festlegt. Als unionsrechtliche Verordnung gilt der Visakodex unmittelbar.

Die belangte Behörde gründete die Versäumung des beantragten Visums erkennbar auf die - § 21 Abs. 1 Z 2 FPG im Wesentlichen ohnehin entsprechende - Bestimmung des Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex, wonach ein Visum unter anderem dann zu verweigern ist, wenn begründete Zweifel an der vom Antragsteller bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Wie schon in den Verwaltungsakten kursorisch festgehalten ist, wird dazu in der behördlichen Gegenschrift ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keiner Beschäftigung nachgehe und bei ihren Eltern lebe; sie habe bereits einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, der jedoch am abgewiesen worden sei, da das notwendige Mindestalter für eine Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten noch nicht erreicht worden sei. Auf Grund dessen hätten Zweifel an der Wiederausreise der Beschwerdeführerin bestanden.

Mit diesen Überlegungen verkannte die belangte Behörde die Tragweite des von ihr herangezogenen Versagungsgrundes. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0344, ausgeführt, dass nicht ohne weiteres - generell - unterstellt werden dürfe, dass Fremde unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin im Schengenraum (unrechtmäßig) aufhältig bleiben. Es werde daher konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung bedürfen, und die Behörde könne die Versagung eines Visums nicht gleichsam mit einem "Generalverdacht" zu Lasten aller Fremden begründen. Regelmäßig werde daher, wenn nicht gegenteilige Indizien bekannt seien, davon auszugehen sein, dass der Fremde vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums wieder ausreisen werde. Wie im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0423, weiter zum Ausdruck gebracht, kommt dem Umstand, dass (vorübergehend) mangels des erforderlichen Mindestalters die Erlangung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit dem Ehemann noch nicht möglich ist, im gegebenen Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zu. Anderes würde nur gelten, wenn schon einmal ein fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten gesetzt worden wäre oder wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ein solches drohen würde. Das ist hier aber nicht der Fall. Zweifelsohne besteht ein - auch in der Beschwerde betontes - Interesse der Beschwerdeführerin, zu ihrem in Österreich lebenden Ehemann zu kommen. Ein Verbleib über die Dauer des beantragten Visums hinaus würde die zukünftige Erlangung eines Aufenthaltstitels allerdings zumindest wesentlich erschweren und kann daher auch von daher nicht unterstellt werden. Außerdem hätte die belangte Behörde die Reservierungsbestätigungen betreffend den Hin- und Rückflug der Beschwerdeführerin mitberücksichtigen müssen.

Als Verfahrensfehler ist der belangten Behörde noch vorzuwerfen, dass sie entgegen § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme gegeben hat (zu dieser Pflicht auch nach dem Inkrafttreten des Visakodex siehe die schon oben erwähnten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes).

Nach dem Vorgesagten war der bekämpfte Bescheid aber schon wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-91709