VwGH vom 13.07.2017, Ra 2014/17/0018

VwGH vom 13.07.2017, Ra 2014/17/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin beziehungsweise Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Schärding in 4780 Schärding, Ludwig Pfliegl Gasse 11-13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-400038/2/MS/HUE/SH, betreffend Übertretung des Oö Parkgebührengesetzes (mitbeteiligte Partei: AS in T), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Strafverfügung der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom wurde der Mitbeteiligten zur Last gelegt, sie habe am um 16:46 Uhr ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Kraftfahrzeug in einer näher bezeichneten Kurzparkzone abgestellt, ohne dieses Fahrzeug mit einem an gut sichtbarer Stelle hinter der Windschutzscheibe angebrachten gültigen Parkschein gekennzeichnet zu haben. Sie habe sohin die Parkgebühr hinterzogen und dadurch § 6 Abs 1 lit a Oö Parkgebührengesetz in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schärding vom verletzt. Über sie wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 36,-- , im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.

Die Mitbeteiligte erhob gegen die Strafverfügung den mit datierten Einspruch.

Über Aufforderung der revisionswerbenden Partei gab die Mitbeteiligte die Stellungnahme vom ab, in der sie lediglich ausführte, die Verwaltungsübertretung nicht begangen zu haben.

Mit Lenkererhebung gemäß § 2 Abs 2 Oö Parkgebührengesetz vom forderte die revisionswerbende Partei die Mitbeteiligte auf, Auskunft darüber zu erteilen, wer das dem Kennzeichen nach näher bestimmte Kraftfahrzeug am zuletzt vor dem Zeitpunkt 16:46 Uhr in einem näher umschriebenen Gebiet gelenkt und in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt habe. Gleichzeitig erfolgte der Hinweis, dass bei Verletzung der Auskunftspflicht die Verhängung einer Geldstrafe von bis zu EUR 220,-- erfolge.

Die Mitbeteiligte gab mit Schreiben vom bekannt, sie selbst habe das in der Lenkererhebung genannte Kraftfahrzeug zuletzt vor dem in der Lenkererhebung angeführten Zeitpunkt am genannten Ort gelenkt und in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt.

Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Partei vom wurde die Mitbeteiligte schuldig erkannt, am um 16:46 Uhr das dem Kennzeichen nach bestimmte Kraftfahrzeug in einer näher genannten gebührenpflichtigen Kurzparkzone zum Parken abgestellt zu haben, ohne dieses Fahrzeug mit einem an gut sichtbarer Stelle hinter der Windschutzscheibe angebrachten gültigen Parkschein gekennzeichnet zu haben. Sie habe sohin die Parkgebühr hinterzogen. Über die Mitbeteiligte wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 36,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Beschwerde begründete sie im Wesentlichen damit, ihr werde die gegenständliche Verwaltungsübertretung aufgrund einer im Wege einer Lenkeranfrage unter Strafdrohung erzwungenen Lenkerauskunft zugerechnet, wobei zum Zeitpunkt der Lenkeranfrage bereits das Strafverfahren wegen des Grunddelikts gegen sie eingeleitet gewesen sei. Bei der Verwaltungsübertretung handle es sich um ein Bagatelldelikt. Die Lenkerauskunft hätte nicht verwertet werden dürfen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten stattgegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Oberstösterreich aus, es sei unbestritten, dass die Mitbeteiligte das Kraftfahrzeug am Tattag in der näher bezeichneten Kurzparkzone abgestellt habe, ohne dass ein Parkschein als Nachweis der bezahlten Parkgebühr im Fahrzeug aufgelegt gewesen sei. Es liege somit objektiv gesehen ein tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne des § 6 Abs 1 Oö Parkgebührengesetz in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schärding vom vor.

Zu den Rechten, die aus Art 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) abgeleitet würden, zähle das Recht zu schweigen und sich nicht selbst beschuldigen zu müssen ("nemo tenetur"). Es sei Aufgabe der Strafverfolgungsbehörde, den Beschuldigten zu überführen, ohne hierfür auf Beweismittel zurückzugreifen, die durch Zwang oder Druckmittel gegen den Willen des Beschuldigten erlangt worden seien.

Das Instrument der Lenkerauskunft nach § 2 Abs 2 Oö Parkgebührengesetz stehe im Spannungsfeld zur Rechtsposition des Beschuldigten nach Art 6 EMRK, sei aber unter bestimmten Voraussetzungen damit vereinbar, solange nicht der Wesensgehalt der Garantie ausgehöhlt werde. Die Verletzung des Grundsatzes "nemo tenetur se ipsum accusare" sei in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nach Art eines beweglichen Systems beurteilt worden, wobei Kriterien wie Art und Schwere des Zwangs zur Beweiserlangung, das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Verfolgung der Straftat und Bestrafung des Täters, die Existenz angemessener Verfahrensgarantien (Rechtsschutzeinrichtungen) und die Art der Verwertung des Beweismittels maßgeblich gewesen seien.

Die im Zusammenhang mit Art 6 EMRK bestehende verfassungsrechtliche Problematik zur Lenkerauskunft nach § 2 Abs 2 Oö Parkgebührengesetz habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 97/17/0334, noch mit dem Formalargument abgetan, dass er im Hinblick auf die derogatorische Kraft der Verfassungsbestimmung des Art II des Bundesgesetzes vom , mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1985 geändert wurde (FAG-Novelle 1986), keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des verbotenen Zwangs zur Selbstbezichtigung habe. Ob sich Österreich durch die erwähnte Verfassungsbestimmung in Art II FAG-Novelle 1986 konventionswidrig verhalte, entziehe sich der Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofs.

Dieser formale Standpunkt erscheine heute aber überholt. Es müsse innerstaatlich zumindest hinsichtlich des Wesensgehalts zentraler Garantien der EMRK von übergeordneten, den Grundprinzipien oder Baugesetzen der Verfassung gleichgestellten Gewährleistungen ausgegangen werden: Der Grundsatz des "nemo tenetur" sei vor diesem Hintergrund (zwar nicht formal, aber materiell betrachtet) als quasi höherrangiges Verfassungsrecht anzusehen. Die Lösung des Normkonflikts liege bei materieller Betrachtung in der Anerkennung eines quasi übergeordneten Rechts der EMRK, das effektiv den Rahmen der Anwendbarkeit von problematischen Verfassungsbestimmungen einschränke, wenn und soweit diese den in der Judikatur des EGMR entwickelten Wesensgehalt der Grundrechte der EMRK verletzten.

Österreich sei in diesem Sinne zu einer konventionskonformen Interpretation verpflichtet.

Aus der - vom Landesverwaltungsgericht näher angeführten - Rechtsprechung des EGMR sei als gemeinsamer Tenor abzuleiten, dass eine Verwendung von unter Zwang erlangten Informationen gegen den Auskunftspflichtigen in einem bereits anhängigen Strafverfahren unzulässig sei, weil der Betroffene unter diesen Umständen als im Sinne des Art 6 Abs 1 EMRK angeklagt angesehen werden müsse und damit "wesentlich berührt" werde.

Das Landesverwaltungsgericht gelangte schließlich zum Ergebnis, dass die unter Androhung einer Verwaltungsstrafe erzwungene Lenkerauskunft während des gegen die Mitbeteiligte geführten Strafverfahrens hinsichtlich des der Lenkerauskunft zugrunde liegenden Delikts und die Verwertung des Ergebnisses der Lenkerauskunft als Schuldbeweis in diesem Strafverfahren wegen der Unvereinbarkeit mit Art 6 Abs 1 und Abs 2 EMRK unzulässig gewesen seien.

Der Beschwerde sei daher Folge zu geben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels eines gesetzlichen Schuldbeweises im Sinne des Art 6 EMRK einzustellen gewesen.

Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer solchen. Weiters sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls lägen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Schärding mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahin abändern, dass die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werde. In eventu möge der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben.

Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs 2 Oö Parkgebührengesetz, LGBl Nr 28/1988, in der Fassung LGBl Nr 84/2009, lautet:

"§ 2

(2) Die Abgabenbehörde und jene Behörde, die zur Ahndung einer Verwaltungsübertretung nach § 6 zuständig ist, können Auskünfte darüber verlangen, wer ein nach dem Kennzeichen bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt und in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone oder auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer, wenn dieser geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist, sein gesetzlicher Vertreter, oder jeder, der einem Dritten das Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeugs überlässt, zu erteilen. Können diese Personen die Auskunft nicht erteilen, haben sie die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann; diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung innerhalb von zwei Wochen nach deren Zustellung zu erteilen. Wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind Aufzeichnungen zu führen."

§ 6 Abs 1 und 2 Oö Parkgebührengesetz LGBl Nr 28/1988, Abs 1 idF LGBl Nr 90/2001 und Abs 2 idF LGBl Nr 126/2005, lauten:

"§ 6

1) Wer

a) durch Handlungen oder Unterlassungen die Parkgebühr hinterzieht oder verkürzt bzw. zu hinterziehen oder zu verkürzen versucht oder

b) den Geboten des § 2 Abs. 2 oder den Geboten oder Verboten der auf Grund dieses Landesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen.

2) Bei allen gemäß Abs. 1 mit Strafe bedrohten Verwaltungsübertretungen können mit Organstrafverfügung Geldstrafen bis zu 36 Euro eingehoben werden."

Die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft stützt die Zulässigkeit der Revision ua zutreffend darauf, dass das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

In den hg Erkenntnissen vom , 97/17/0334, und vom , 96/17/0425, wurde nämlich zusammengefasst und an den vorliegenden Revisionsfall (insbesondere hinsichtlich der hier anders gelagerten Stellung der Parteien im Verfahren) angepasst bereits Folgendes ausgesprochen:

Da Art 6 Abs 1 EMRK, dessen Forderung nach einem fairen Prozess die Mitbeteiligte ein Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung entnimmt, für den Verwaltungsgerichtshof nur im Hinblick auf dessen innerstaatliche Maßstabsfunktion von Bedeutung ist (vgl das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 72 u.a./88, VfSlg 11.829), ist der Berufung auf diese Konventionsbestimmung insofern kein Erfolg beschieden. Dem genannten Verbot der Konvention steht nämlich innerstaatlich insoweit mit derogatorischer Kraft die Verfassungsbestimmung des Art II des Bundesgesetzes BGBl Nr 384/1986 zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes 1985 (FAG-Novelle 1986) hinsichtlich der dort getroffenen Regelung der Lenkerauskunftsfragen in Parkgebührensachen entgegen. Diese Bestimmung lautet folgendermaßen:

"Wenn die Länder bei der Regelung der Erhebung von Abgaben für das Abstellen von Fahrzeugen und Kraftfahrzeugen den (die) Zulassungsbesitzer und weiters jeden, der einer dritten Person die Verwendung eines Fahrzeuges oder das Lenken eines Kraftfahrzeuges überläßt, verpflichten, über Verlangen der Behörde darüber Auskunft zu geben, wem er (sie) das Fahrzeug oder Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat (haben), so treten Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, zurück."

Eine Auslegung der Verfassungsbestimmung des Art II des Bundesgesetzes BGBl Nr 384/1986 und damit des § 2 Abs 2 des Oberösterreichischen Parkgebührengesetzes dahin, dass dem Zulassungsbesitzer ein Recht zur Verweigerung einer ihn selbst in Verdacht einer strafbaren Handlung bringenden Auskunft zustünde, lassen weder der Wortlaut noch der Zweck dieser Bestimmung zu. Sollte Art 6 Abs 1 EMRK im Sinne des angefochtenen Erkenntnisses daher tatsächlich ein Verbot eines Zwanges zur Selbstbezichtigung zu entnehmen sein, wäre eine dem Grundsatz völkerrechtskonformer Auslegung entsprechende Interpretation der wiedergegebenen, späteren Verfassungsvorschrift gegen den eindeutigen Wortlaut nicht möglich. Der Normenkonflikt führte daher in diesem Fall zur Derogation. Daran änderte auch der Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften nichts, lässt doch der vorliegende Sachverhalt keinen Zusammenhang mit Gemeinschaftsrecht (nunmehr: Unionsrecht) erkennen, bei dessen Anwendung allein eine Verdrängung mitgliedstaatlichen Rechtes in Betracht kommen könnte (vgl. , sowie weiters das mittlerweile ergangene hg Erkenntnis vom , 2000/02/0115).

Ob sich Österreich durch die erwähnte Verfassungsbestimmung des Art II des Bundesgesetzes BGBl Nr 384/1986 konventionswidrig verhält, entzieht sich der Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes.

Ist aber nach der (nationalen) österreichischen Rechtslage davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte unter Androhung von Verwaltungsstrafen rechtmäßig aufgefordert werden durfte, eine (wahrheitsgemäße) Lenkerauskunft zu erteilen, dann durfte diese Auskunft im Verwaltungsstrafverfahren sehr wohl verwertet werden. Ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel lag insofern nicht vor.

Selbst dann aber, wenn man - insbesondere im Hinblick auf eine entsprechende Interpretation des Art 6 EMRK und die sich daraus allenfalls ergebenden völkerrechtlichen Konsequenzen - davon ausgehen wollte, dass auch ein rechtmäßig erlangtes Beweismittel nicht verwertet werden dürfte, findet dies in der österreichischen Rechtsordnung im gegebenen Zusammenhang keine Stütze. Dem Verfassungsgesetzgeber des Art II der FAG-Novelle 1986 ist nämlich nicht zusinnbar, er hätte die von ihm beabsichtigte Durchbrechung des Verbotes eines Zwanges zur Selbstbezichtigung durch Aufrechterhaltung eines dem Art 6 EMRK entnehmbaren Beweisverwertungsverbotes gleichzeitig wieder zunichte machen wollen. Dem Art 6 EMRK wurde somit für den innerstaatlichen Bereich durch die Verfassungsvorschrift des Art II FAG-Novelle 1986 auch hinsichtlich eines allfälligen Beweisverwertungsverbotes derogiert.

Auch die vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vertretene Rechtsansicht, wonach die Verfassungsbestimmung des Art II FAG-Novelle 1986 konventionskonform als "untergeordnetes Verfassungsrecht" zu interpretieren und deren Anwendungsbereich einzuschränken sei, weil der Wesensgehalt zentraler Garantien der EMRK den Grundprinzipien oder Baugesetzen der Verfassung gleichgestellt sei, erweist sich als nicht zutreffend. In dem bereits zitierten hg Erkenntnis vom , 96/17/0425, wurde bereits ausgesprochen, dass die EMRK zwar auf Grund des Art II B-VG vom , BGBl 59, ebenfalls Verfassungsrang genießt, ihre (innerstaatliche) Änderung durch ein Verfassungsgesetz oder eine Verfassungsbestimmung stellt jedoch - auch hinsichtlich der Grundsätze eines fairen Prozesses gem. Art 6 Abs 1 MRK - keine Gesamtänderung der Bundesverfassung iSd Art 44 Abs 3 B-VG dar. Der Gleichrangigkeit im Stufenbau der österreichischen Rechtsordnung steht auch Art 9 Abs 1 B-VG nicht entgegen. Zwar ist der völkerrechtliche Grundsatz pacta sunt servanda eine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechtes und damit Bestandteil des Bundesrechtes, allerdings lediglich des einfachen Bundesrechtes und nicht des Bundesverfassungsrechtes (vgl. B 16, 17/54, VfSlg 2680).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass von seiner wiedergegebenen Judikatur abzugehen.

Das Landesverwaltungsgericht hat daher das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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Schlagworte:
Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen

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