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VwGH vom 24.10.2011, 2009/10/0217

VwGH vom 24.10.2011, 2009/10/0217

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der N in Wien, vertreten durch Dr. Otto Huber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 3/11, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen vom , Zl. 670015-17- 08-INS, betreffend Maßnahmen nach dem Arzneimittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen vom wurde der beschwerdeführenden Partei jegliche weitere Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln, insbesondere von "Ukrain", gemäß den §§ 69 und 77 Arzneimittelgesetz untersagt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Partei sei Inhaberin einer Bewilligung für das Lagern von Arzneispezialitäten. Im Zuge einer Inspektion am sowie durch Nachfragen deutscher Krankenversicherungsträger sei bekannt geworden, dass die beschwerdeführende Partei neben der behördlich bewilligten Lagerung der Arzneispezialität "Ukrain" folgende Tätigkeiten durchführe bzw. dafür arzneimittelrechtlich verantwortlich sei:


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1.
Herstellung von "Ukrain";
2.
Inverkehrbringung der nicht zugelassenen Arzneispezialität "Ukrain" in Österreich und Deutschland;
3.
Abgabe der Arzneispezialität "Ukrain" direkt an unberechtigte Bezieher sowie Versand des Arzneimittels mittels Postversand nach Deutschland.
Arzneimittel dürften nur durch einen Betrieb, der durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bewilligt worden sei, hergestellt und in Verkehr gebracht werden. Jede Herstellung von Arzneimitteln außerhalb eines bewilligten Betriebes stelle mangels Überwachung der Einhaltung der "GMP-Vorgaben" eine potenzielle Gefährdung von Leben und Gesundheit der mit dem jeweiligen Produkt behandelten Patienten dar. Arzneimittel dürften weiters nur abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie arzneimittelrechtlich zugelassen worden seien. An die Bedingungen der Zulassung knüpften insbesondere die Überprüfung der Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität der Arzneimittel an. Eine Bewertung dieser Erfordernisse sei bei dem in Rede stehenden Produkt "Ukrain" ab dem Jahre 1976 durchgeführt worden; ein positiver Zulassungsbescheid habe nicht erlassen werden können. Vielmehr sei der Zulassungsantrag abgewiesen worden.
Schließlich sei festgestellt worden, dass die beschwerdeführende Partei das Arzneimittel direkt an Ärzte und Patienten abgebe, ohne dazu berechtigt zu sein; Arzneimittel dürften nur durch Apotheken abgegeben werden, eine Übermittlung direkt an Patienten im Wege des Versandhandels sei darüber hinaus gemäß § 59 Abs. 9 Arzneimittelgesetz explizit untersagt.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1137/09, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983 idF BGBl. I Nr. 63/2009, (AMG) lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 69. (1) In Fällen drohender Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier durch Arzneimittel hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung

1. die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes, die Stillegung technischer Einrichtungen oder sonstige, das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Stoffen hindernde Maßnahmen zu verfügen oder

2. Auflagen vorzuschreiben, um die Einhaltung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen zu gewährleisten.

...

§ 77. Wird bei einer Kontrolle gemäß § 76 festgestellt oder erhält das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen sonst davon Kenntnis, dass ein Arzneimittel diesem Bundesgesetz nicht entspricht, kann das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen Maßnahmen verfügen, die das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels hindern oder beschränken. ..."

Zu den Maßnahmen, die das Inverkehrbringen "hindern oder beschränken", zählen die Gesetzesmaterialien (RV 1060 BlgNR 15. GP, S. 58) u.a. das Verbot des Inverkehrbringens von Arzneimitteln.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die beschwerdeführende Partei sei lediglich berechtigt, Arzneispezialitäten zu lagern. Allerdings beschränke sich die beschwerdeführende Partei nicht auf die behördlich bewilligte Lagerung der Arzneispezialität "Ukrain", sondern sie stelle diese auch her bzw. sei für deren Herstellung verantwortlich, bringe diese in Österreich und Deutschland in Verkehr und gebe sie direkt an unberechtigte Bezieher und mittels Postversand ab. Um den damit der Gesundheit von Menschen drohenden Gefahren zu begegnen, seien der beschwerdeführenden Partei jegliche weitere Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln spruchgemäß zu untersagen gewesen.

Die beschwerdeführende Partei wendet ein, "Ukrain" stelle keine potenzielle Gefährdung von Leben und Gesundheit der damit behandelten Patienten dar. Vielmehr werde eine wesentliche Besserung und Lebensverlängerung erreicht. Die Toxizität von "Ukrain" sei verglichen mit anderen "Tumorantikrebspräparaten" sehr gering. Der - näher umschriebene - Wirkstoff werde aufwändig chemisch isoliert und umgewandelt, damit er als Arzneimittel - und zwar in Form von Injektionen in die Vene oder den Muskel - genützt werden könne. Worin die von § 69 AMG geforderte Gefahr, deren Abwehr der angefochtene Bescheid dienen müsste, bestehen solle, sei für die beschwerdeführende Partei nicht nachvollziehbar.

Dem Inspektionsergebnis, die beschwerdeführende Partei habe den Inspektoren den Hersteller des Wirkstoffes ("spezieller flüssiger Schöllkrautwurzelextrakt") nicht bekannt gegeben, sei zu entgegnen, dass die Gründe, warum der Hersteller nicht genannt werde, bekannt gegeben worden seien. Die Herstellung von "Ukrain" erfolge "in Ländern außerhalb Österreichs im EU-Raum" auf Grund eines Auftrages der beschwerdeführenden Partei. Die Herstellung erfolge aber nicht im Rahmen einer "lohnabhängigen Tätigkeit". Es sei daher § 2 Abs. 10 AMG nicht erfüllt. Ob ausländische Auftragnehmer die erforderlichen Vorgaben einhielten, sei Sache der ausländischen, im vorliegenden Fall der französischen Gesetze, die allerdings denselben Standard aufwiesen wie die österreichischen.

Im Übrigen werde "Ukrain" in Österreich ausschließlich gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 AMG abgegeben, und zwar nur dann, wenn ein niedergelassener Arzt bescheinige, dass diese Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder einer schweren gesundheitlichen Schädigung unumgänglich und dringend benötigt werde und dieser Erfolg durch eine zugelassene oder verfügbare Arzneispezialität nicht erreicht werden könne.

Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich aus dem Bericht über die erwähnte Inspektion, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Betrieb nicht nur Tätigkeiten entsprechend der ihr erteilten Bewilligung vornehme, sondern darüber hinaus auch Schritte zur Herstellung und Inverkehrbringung von Arzneimitteln setze: Die Arzneispezialität "Ukrain" werde im Auftrag der beschwerdeführenden Partei, die auch auf der Sekundärverpackung und der Packungsinformation als Hersteller angeführt sei, durch Dritte hergestellt. Die beschwerdeführende Partei verfüge aber nicht über eine Bewilligung zur Herstellung von Arzneimitteln gemäß § 63 AMG. Weiters werde die - nicht zugelassene - Arzneispezialität "Ukrain" von der beschwerdeführenden Partei an nicht dazu berechtigte Bezieher (Patienten, Privatpraxis für Naturheilverfahren) sowie mittels Versand entgegen § 59 AMG versendet.

Betreffend die "Herstellung" der erwähnten Arzneispezialität hat die beschwerdeführende Partei weder im Verwaltungsverfahren, noch selbst in der vorliegenden Beschwerde ein konkretes Vorbringen erstattet, demzufolge sie - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - zur Herstellung von Arzneimitteln, insbesondere von "Ukrain", berechtigt wäre. Schon aus diesem Grund kann sie durch die spruchgemäße Untersagung jeglicher weiterer Herstellung von Arzneimitteln, insbesondere von "Ukrain" nicht in ihren Rechten verletzt sein.

Betreffend die Inverkehrbringung der Arzneispezialität "Ukrain" räumt die beschwerdeführende Partei ein, dass diese "noch nicht als Medikament zugelassen" sei, sie behauptet aber, dass sie diese ausschließlich nach § 8 Abs. 1 Z. 2 AMG abgebe. Nach dieser Bestimmung bedürfen Arzneimittel keiner Zulassung, wenn ein zur selbständigen Berufsausübung im Inland berechtigter Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt bescheinigt, dass die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erzielt werden kann. Mit dieser Behauptung zeigt die Beschwerde allerdings nicht auf, dass die auf konkrete Fälle einer Abgabe von "Ukrain" durch die beschwerdeführende Partei an dazu unberechtigte Personen gestützte Annahme der belangten Behörde, die beschwerdeführende Partei sei dafür verantwortlich, dass die nicht zugelassene Arzneispezialität "Ukrain" in Verkehr gebracht und an unberechtigte Bezieher sowie mittels Versand abgegeben werde, unzutreffend sei.

Soweit die belangte Behörde schließlich eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen darin sieht, dass die beschwerdeführende Partei eine Arzneispezialität, der die Zulassung nach dem AMG verweigert wurde, unbefugt herstellt bzw. herstellen lässt und unbefugt in Verkehr bringt, so ist das nicht rechtswidrig. Es ist daher nicht zweifelhaft, dass die belangte Behörde ermächtigt war, die zur Abwehr dieser Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, zumal von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist und angesichts des Verfahrensgegenstandes auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-91706