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VwGH vom 15.12.2016, Ra 2014/17/0015

VwGH vom 15.12.2016, Ra 2014/17/0015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die außerordentliche Revision der Oberösterreichischen Landesregierung in 4021 Linz, Bahnhofplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , GZ LVwG-450033/2/Zo/JW, betreffend Wasserbezugsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde Pierbach; mitbeteiligte Parteien: 1. AE N, 2. Ing. M N, beide in P), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pierbach vom wurde den mitbeteiligten Parteien für den Zeitraum von Oktober 2011 bis September 2012 für 139m3 verbrauchten Wassers insgesamt eine Wasserbezugsgebühr in Höhe von EUR 205,375 sowie eine Vorauszahlung von EUR 102,69 per vorgeschrieben.

2 Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien Beschwerde, in der sie im Wesentlichen vorbrachten, die Gemeinde Pierbach habe sich mit privatrechtlichem Vertrag vom , der vom Gemeinderat am genehmigt worden sei, zu einer jährlichen, kostenlosen Wasserlieferung bis 150m3 verpflichtet. Da der nunmehr verrechnete Wasserverbrauch für den Ablesezeitraum Oktober 2011 bis September 2012 lediglich 139m3 betrage, sei dessen Vorschreibung und Einhebung vertrags- und rechtswidrig.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich dieser Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid auf. Es sprach aus, gegen dieses Erkenntnis sei eine ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

4 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, die Gültigkeit der zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der Revisionswerber getroffenen Vereinbarung aus dem Jahr 1973 sei anhand der damals geltenden Rechtslage zu beurteilen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Entstehung, Inhalt und Erlöschen einer Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns - entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung - ausschließlich durch das Gesetz geregelt. Das Gesetz sehe nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Falle einer gegenteiligen Vereinbarung zwischen Abgabenschuldner und Abgabengläubiger nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte (Hinweis auf , mwN).

5 Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der Wasserbenützungsgebühr sei zum Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Parteien § 14 Abs 3 lit b des Finanzausgleichsgesetzes, BGBl Nr 445/1972, gewesen. Diese Bestimmung habe den Gemeinderat ermächtigt, für die Benützung von Gemeindeanlagen (also auch für das aus der gemeindeeigenen Wasserversorgung bezogene Wasser) durch einen Beschluss eine Gebühr auszuschreiben. Entsprechend dieser Ermächtigung habe der Gemeinderat mit Beschluss vom eine Wassergebühr in Höhe von ATS 2,50 pro m3 festgesetzt. Eine Verpflichtung der Gemeinde zur Vorschreibung einer Gebühr in bestimmter Höhe oder ab dem ersten Kubikmeter bezogener Menge sei den damaligen Rechtsgrundlagen nicht zu entnehmen.

6 Eine bloße privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Gemeinde und einer "wasserbeziehenden" Person wäre nach der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, das Entstehen dieses Abgabenanspruches zu verhindern. Allerdings handle es sich bei der Vereinbarung zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Parteien nicht um eine rein privatrechtliche Vereinbarung. Diese Vereinbarung sei nämlich vom Gemeinderat am einstimmig genehmigt worden. Damit sei auch diese Vereinbarung als "Beschluss der Gemeindevertretung" anzusehen. Sie könne sich daher ebenfalls auf die Bestimmung des § 14 Abs 3 lit d Finanzausgleichsgesetzes stützen und stehe formal auf der gleichen Ebene wie jener Beschluss aus dem Jahr 1968, mit dem die Wassergebühr festgesetzt worden sei. Der Beschluss der Gemeindevertretung vom , mit welchem den mitbeteiligten Parteien jährlich 150m3 Wasser gratis zugestanden worden sei, verstoße - soweit ersichtlich - auch nicht gegen sonstige zwingende öffentlich-rechtliche Bestimmungen und sei daher gültig. Würde man den Beschluss des Gemeinderates vom hingegen bloß als Genehmigung eines vom Bürgermeister abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrages ansehen, so wäre die Gemeinde Pierbach wohl dennoch verpflichtet, die mitbeteiligten Parteien schadlos zu halten. Das im Verwaltungsverfahren grundsätzlich anzuwendende Effizienzprinzip spreche daher dafür, den Beschluss ebenfalls als solchen auf Basis des Finanzausgleichsgesetzes zu werten.

7 Der Umstand, dass in der Zwischenzeit (bzw nach Mitteilung der Gemeinde Pierbach auch schon im Jahr 1973) eine Anschlusspflicht an die gemeindeeigene Wasserversorgung bestehe bzw bestanden habe, ändere nichts an der Frage ob (bzw ab welcher Menge) für das bezogene Wasser eine Wasserbenützungsgebühr zu entrichten sei. Es möge sein, dass die im Jahr 1973 abgeschlossene Vereinbarung langfristig für die mitbeteiligten Parteien günstig sei. Jedenfalls handle es sich um einen gültigen, der damaligen Rechtslage entsprechenden Beschluss des zuständigen Organes. Er sei daher weiter anzuwenden, weshalb der gegenständliche Bescheid, mit dem eine Wasserbenutzungsgebühr für weniger als 150m3 in einem Jahr vorgeschrieben worden sei, aufzuheben gewesen sei.

8 Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorschreibung von Abgaben ab, noch fehle es an einer solchen. Die Entscheidung berücksichtige ausdrücklich die oben angeführte Judikatur, welche auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen sei. Jedenfalls lägen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der oberösterreichischen Landesregierung mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und die Beschwerde der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid des Gemeinderates vom als unbegründet abweisen; in eventu wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

10 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich im Wesentlichen den Anträgen und Ausführungen in der Revision der Landesregierung anschloss.

11 Die mitbeteiligten Parteien beantragten in ihrer Revisionsbeantwortung, der Verwaltungsgerichtshof möge die außerordentliche Revision für unzulässig erachten und das Rechtsmittel der revisionswerbenden Partei zurückweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revisionsbefugnis der oberösterreichischen Landesregierung gründet auf § 14 Abs 1 Z 2 Oö Landesverwaltungsgerichtsgesetz (vgl ).

13 Zur Zulässigkeit der Revision führt die Revisionswerberin unter Zitierung und teilweiser Wiedergabe von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes (, und vom , 97/17/0330) aus, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sei von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, sodass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vorliege und die außerordentliche Revision zulässig sei.

14 Zutreffend weist die Revisionswerberin darauf hin, dass das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sodass die Revision zulässig ist.

15 Im Revisionsfall ist die Abgabenpflicht der mitbeteiligten Parteien nach den zeitraumbezogen anzuwendenden Abgabenbestimmungen unbestritten. Strittig ist lediglich, ob die Genehmigung der privatrechtlichen Vereinbarung vom durch den Gemeinderat mittels Beschlusses dazu führte, dass durch die Abgabenbehörden die Wasserbezugsgebühren nicht vorzuschreiben gewesen wären.

16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns ausschließlich durch das Gesetz - entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung - geregelt. Weder Abgabenvorschriften noch eine andere gesetzliche Bestimmung sehen vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Falle einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung zwischen Abgabenschuldner und Abgabenbehörde nicht entstünde. Eine Nachsicht des Abgabenanspruches kann im Bereich des Abgabenrechts nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen und zwar bescheidförmig erfolgen (vgl VwGH, vom , 2005/17/0088, vom , 93/17/0126, vom , 2006/17/0384, vom , 2011/17/0139, und vom , Ro 2014/17/0058). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass dies selbst für den Fall des Vorliegens eines im Widerspruch zu den anzuwendenden Abgabenvorschriften stehenden Gemeinderatsbeschlusses gelte (vgl betreffend die Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren ).

17 Weiters wurde bereits ausgesprochen, dass Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld - etwa auch über einen gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung - ohne abgabenrechtliche Bedeutung sind. Zulässig sind solche Vereinbarungen nur dann, wenn die Gesetze sie ausdrücklich vorsehen, wobei sich diese gesetzlichen Ermächtigungen nur dann als verfassungskonform erweisen, wenn die öffentlich-rechtlichen Verträge lediglich die Modalitäten der Abgabenerhebung (Berechnung der Bemessungsgrundlage, Fälligkeit, etc) und nicht die Steuerpflicht selbst betreffen, wenn im Gesetz Voraussetzungen und Inhalt hinreichend bestimmt sind und wenn in Streitfällen eine bescheidförmige Erledigung vorgesehen ist, sodass eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit möglich ist. Insbesondere kann die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten. Abmachungen über den Inhalt einer Abgabenschuld stehen - soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen sind - im Widerspruch zu dem aus Art 18 B-VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften (vgl , mwN).

18 Eine derartige gesetzliche Ermächtigung wurde aber nicht dargetan. Insbesondere ermächtigt § 14 Abs 3 lit d Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl Nr 445/1972, auf den sich das Landesverwaltungsgericht stützte, die Gemeinden nur durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung vorzuschreiben:

"Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und - anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten."

19 Keinesfalls kann in dieser Bestimmung eine Ermächtigung der Gemeinde gesehen werden, im Einzelfall gegenüber einer Partei abweichend von den geltenden Abgabenvorschriften auf die Einhebung von Abgaben zu verzichten. Die am durch den Gemeinderat erfolgte Genehmigung der Vereinbarung kann daher entgegen den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes im angefochtenen Erkenntnis keinesfalls auf § 14 Abs 3 lit d Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl Nr 445/1972 gestützt werden. Eine andere Ermächtigung der Gemeinde zu einem derartigen Verzicht wurde im gesamten Verfahren nicht behauptet und bestehen auch keine Anhaltspunkte hiefür. Der Umstand, dass die Gemeinde die Vereinbarung genehmigte, vermag dieser Vereinbarung keinen hoheitlichen Charakter gegenüber den mitbeteiligte Parteien zu verschaffen, insbesondere liegt keinesfalls ein Bescheid vor (vgl ). Die Abgabenvorschriften werden in ihrer Geltung durch den Gemeinderatsbeschluss nicht beeinträchtigt (vgl ; 2005/17/0088).

20 Der privatrechtliche Vertrag vom hat daher bei Beurteilung der Abgabenpflicht durch die Verwaltungsbehörden unbeachtet zu bleiben. Die Beschreitung des Zivilrechtsweges steht den mitbeteiligten Parteien im Übrigen offen.

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am