VwGH vom 23.10.2012, 2009/10/0216
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des B D (nunmehr) in G (D), vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-456-37912/1/3, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Tiroler Grundsicherungsgesetz (TGSG) zu einem Kostenersatz in der Höhe von EUR 2.816,92 (durch Bezahlung in näher angeführten monatlichen Raten) verpflichtet.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe im Jahr 2006 und 2007 (erstmalig mit Auszahlung vom und letztmalig mit Auszahlung vom ) fortwährend Unterstützungsleistungen aus Mitteln der Grundsicherung in Form von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Deckung des Aufwandes für Ernährung im Sinn des § 1 lit. a Tiroler Grundsicherungsverordnung (TGSV) und des Aufwandes für Unterkunft im Sinn des § 1 lit. b TGSV erhalten. Insgesamt seien über den genannten Zeitraum EUR 2.816,92 an Grundsicherungsmitteln an den Beschwerdeführer ausbezahlt worden.
Im Zeitpunkt der Erlassung des (erstinstanzlichen) Rückerstattungsbescheides habe der Beschwerdeführer Arbeitslosenunterstützung des AMS in der Höhe von täglich EUR 34,20 - sohin ein Monatseinkommen von EUR 1.043,10 - bezogen. Die im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegattin des Beschwerdeführers habe bei ihrer Tätigkeit bei der Firma S. GmbH kein regelmäßiges Monatseinkommen bezogen; aufgrund der vorgelegten Einkommensbelege für den Zeitraum Jänner bis Juni 2008 errechne sich für sie ein durchschnittliches Mindesteinkommen in der Höhe von monatlich EUR 634,88.
Der Beschwerdeführer bewohne mit seiner Familie (Ehegattin und minderjährigem Sohn) eine 4-Zimmer-Mietwohnung mit einer Nutzfläche von 92 m2 in T. Für diese Wohnung samt Autoabstellplatz und einer Garage bezahle der Beschwerdeführer einen monatlichen Mietzins inkl. Betriebskosten in der Höhe von EUR 550,--.
Insgesamt habe die Familie des Beschwerdeführers von bis einen Betrag von EUR 2.816,92 an Grundsicherungsmitteln empfangen. Es sei daher zu prüfen, ob die Familie als Hilfsempfänger über ein hinreichendes Einkommen im Sinn des § 10 Abs. 1 lit. a TGSG verfüge.
Dazu führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, auf eine mehrköpfige Familie könne die Regelung des § 11 Abs. 1 TGSV nicht unmittelbar Anwendung finden, weil der aktuelle Lebensunterhalt der dreiköpfigen Familie des Beschwerdeführers mit einem Betrag von EUR 666,15 (Eineinhalbfache des Richtsatzes für Alleinstehende) nach den grundsicherungsrechtlichen Kriterien nicht abgedeckt sei. Vielmehr habe der Gesetzgeber für diesen Fall den Maßstab festgesetzt, dass ein einzelner alleinstehender ehemaliger Grundsicherungsempfänger über ein für den Kostenersatz "hinreichendes" Einkommen verfüge, wenn ihm nach Abzug seiner Unterkunftskosten noch das Eineinhalbfache des für ihn in Anwendung zu bringenden Richtsatzes für Alleinstehende verbleibe.
§ 11 Abs. 1 TGSV sei allerdings insofern als Auslegungshilfe heranzuziehen, als zumindest von einem hinreichenden Einkommen im Sinn des § 10 Abs. 1 lit. a TGSG auszugehen sei, wenn dem ehemaligen Hilfsempfänger nach Abzug der Kosten für die notwendige Unterkunft noch mehr als das Eineinhalbfache des für ihn in Anwendung zu bringenden Richtsatzes nach § 5 Abs. 1 lit. a TGSV verbleibe. Denn nur soweit fänden einerseits die aktuellen Kosten des ehemaligen Hilfeempfängers zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhaltes bzw. seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen Berücksichtigung und werde andererseits dem in § 11 Abs. 2 TGSV normierten betragsmäßigen Wert entsprochen.
Evident sei weiters, dass bei der für den Kostenersatz notwendigen Beurteilung des aktuellen Lebensunterhaltes nicht nur der jedem Familienmitglied entsprechende Richtsatz Anrechnung zu finden habe, sondern dass folgerichtig auch nur der den grundsicherungsrechtlichen Kriterien entsprechende Unterkunftsbedarf heranzuziehen sei.
Gemäß § 6 Abs. 2 TGSG bestehe die Grundsicherung bei der Unterkunft in der Übernahme der Miet-, Betriebs- und Heizkosten, sofern sie den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprächen. Bei einem Dreipersonenhaushalt, wie im Falle des Beschwerdeführers, sei zur Bemessung des Grundsicherungsanpruches gemäß § 6 Abs. 2 lit a TGSG eine Nutzfläche von höchstens 70 m2 heranzuziehen.
Die 92 m2 große Wohnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben in punkto Quadratmetergrenze und preislicher Vorgabe nicht. Hinzu komme, dass im monatlichen Mietpreis ein Autoabstellplatz und eine Garage enthalten seien. Da grundsicherungsrechtlich lediglich die tatsächlich dem existenziell notwendigen Wohnbedarf dienenden Kosten angerechnet werden könnten, könne für den Beschwerdeführer, seine Ehegattin und den minderjährigen Sohn lediglich eine Miete in der Höhe von maximal EUR 400,00 als aliquoter grundsicherungsrechtlicher Bedarf für Unterkunft errechnet werden. Dies entspreche auch dem Betrag, der seinerzeit bei der Grundsicherungsgewährung aliquot für den Unterkunftsbedarf für den dreiköpfigen Haushalt der Familie des Beschwerdeführers Anrechnung gefunden habe. Weitere finanzielle Aufwendungen des Beschwerdeführers seien hinsichtlich der Kostenersatzregelung nach § 10 TGSG nicht anrechenbar; die vom Beschwerdeführer eingewendeten monatlichen Stromkosten seien ohnehin von der Richtsatzleistung umfasst.
Für den Beschwerdeführer ergebe sich somit bei Zusammenrechnung der anrechenbaren Kosten für die Unterkunft in der Höhe von monatlich EUR 400,-- und des eineinhalbfachen Richtsatzes der einzelnen Familienmitglieder in der Höhe von insgesamt EUR 1.188,00 ((EUR 380,00 + 264.30 + 147,70) x 1,5) ein hinreichendes Einkommen in der Höhe von EUR 1.588,00. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt ein tatsächliches Einkommen in der Höhe von EUR 1.043,10 und seine Ehefrau ein durchschnittliches Monatseinkommen von EUR 634,88 - zusammen also ein Einkommen von EUR 1.677,98 - bezogen, wodurch das grundsicherungsrechtlich hinreichende Einkommen um EUR 89,98 überschritten werde. Der Beschwerdeführer sei daher nach § 10 Abs. 1 lit. a TGSG zum Ersatz der für ihn in der Vergangenheit aufgewendeten Grundsicherungskosten zu verpflichten gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Grundsicherungsgesetzes, LGBl. Nr. 20/2006 (TGSG), lauteten:
"§ 1
Allgemeines
(1) Die Grundsicherung ist die öffentliche Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens.
(2) Die Grundsicherung ist nach diesem Gesetz Personen zu gewähren, die sich in einer Notlage befinden.
(3) In einer Notlage im Sinn dieses Gesetzes befindet sich, wer
a) den Lebensunterhalt für sich nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von Dritten erhält oder
b) außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinen persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen - im Folgenden besondere Lebenslage genannt - nicht oder nicht in ausreichendem Ausmaß selbst oder mit Hilfe Dritter bewältigen kann.
…
§ 3
Formen und Ausmaß der Grundsicherung
(1) Die Grundsicherung wird in Form von Geldleistungen oder Sachleistungen gewährt.
(2) Das Ausmaß der Grundsicherung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 zu bestimmen.
…
(4) Vor der Gewährung der Grundsicherung hat der Hilfesuchende seine eigenen Mittel, zu denen sein gesamtes Einkommen und Vermögen gehören, einzusetzen. Ist dem Hilfesuchenden die Verwertung von Vermögen vorerst nicht zumutbar, weil dies mit dem Zweck der Grundsicherung unvereinbar wäre oder für den Hilfesuchenden oder seine Familienangehörigen eine besondere Härte bedeuten würde, so ist die Grundsicherung nur zu gewähren, wenn sich der Hilfesuchende zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten nach der Beseitigung der Notlage verpflichtet und dafür eine Sicherstellung anbietet.
…
(6) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über Arten, Formen und Ausmaß der Grundsicherung zu erlassen. Hierbei sind unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten in Tirol für die Bemessung des Lebensunterhaltes Richtsätze festzusetzen. Weiters hat die Landesregierung durch Verordnung näher zu bestimmen, inwieweit das Einkommen und das Vermögen des Hilfesuchenden unter Bedachtnahme auf den Zweck der Grundsicherung sowie darauf, dass für den Hilfesuchenden und seine Familienangehörigen keine besondere Härte entsteht, für die Bemessung des Ausmaßes der Grundsicherung sowie für den Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten nicht zu berücksichtigen sind.
…
§ 4
Persönlicher Anwendungsbereich
(1) Grundsicherung wird österreichischen Staatsbürgern gewährt, die sich in Tirol aufhalten.
(2) Österreichischen Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, sofern sie sich nach den fremdenrechtlichen Vorschriften rechtmäßig in Tirol aufhalten:
a) Unionsbürger … sowie ihre Angehörigen, das sind ihre Ehegatten, ihre Verwandten in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres …
§ 5
Arten der Grundsicherung
Die Grundsicherung umfasst:
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a) | die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes, |
b) | die Hilfe in besonderen Lebenslagen, |
c) | die Übernahme der Bestattungskosten und |
d) | die Hilfe zur Arbeit. |
§ 6 | |
Lebensunterhalt |
(1) Der Lebensunterhalt umfasst den Aufwand für die allgemeinen Grundbedürfnisse, wie Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege und Hausrat, sowie den Aufwand für die besonderen persönlichen Bedürfnisse. Zu den besonderen persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zum sozialen Umfeld und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.
(2) Bei der Unterkunft besteht die Grundsicherung in der Übernahme der Miet-, Betriebs- und Heizkosten, sofern sie den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen, mit folgender Maßgabe:
a) die Miet- und Betriebskosten sind bei einem Einpersonenhaushalt bis zu einer Nutzfläche von höchstens 40 m2 und bei einem Zweipersonenhaushalt bis zu einer Nutzfläche von höchstens 60 m2 zu übernehmen; bei mehr als zwei Personen in einem Haushalt erhöht sich die Höchstnutzfläche für jede weitere Person um jeweils 10 m2, höchstens jedoch bis zu einer Nutzfläche von insgesamt 110 m2,
b) bei größeren Nutzflächen als jenen nach lit. a sind die Miet- und Betriebskosten zu übernehmen, wenn diese nicht höher sind als jene, die für eine Höchstnutzfläche nach lit. a, die der Haushaltsgröße des Hilfesuchenden entsprechen würde, zu übernehmen wären,
c) in besonders begründeten Fällen können zur Vermeidung einer besonderen Härte die Miet- und Betriebskosten von Unterkünften mit größeren Nutzflächen als jenen nach lit. a unabhängig von der weiteren Voraussetzung nach lit. b übernommen werden, sofern sie den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen.
(3) Als Nutzfläche einer Unterkunft gilt die Gesamtbodenfläche der Wohnung abzüglich der Wandstärken. Auf das Höchstausmaß sind auch Küchen, Garderoben, Bäder und sonstige Anlagen, Vorzimmer, Dielen und Nischen anzurechnen. Stiegenhäuser, Treppen, offene Balkone und Terassen sowie Keller und Dachbodenräume, die nicht Wohnzwecken dienen, sind bei der Berechnung der Nutzfläche nicht zu berücksichtigen.
(4) Über die Gewährung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Ausnahme der Hilfe nach Abs. 2 lit. c ist im Verwaltungsweg zu entscheiden, soweit im § 4 Abs. 3 nichts anderes bestimmt ist. Die Gewährung der Hilfe nach Abs. 2 lit. c obliegt dem Land Tirol als Träger von Privatrechten.
…
§ 10
Kostenersatz durch den Empfänger der Grundsicherung
(1) Der Empfänger der Grundsicherung ist zum Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten verpflichtet, wenn bzw. insoweit
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a) | er zu hinreichendem Einkommen oder Vermögen gelangt, |
b) | nachträglich bekannt wird, dass er zur Zeit der Gewährung der Grundsicherung hinreichendes Einkommen oder Vermögen hatte, |
c) | er sich zur Rückzahlung verpflichtet hat |
d) | …oder |
e) | … |
(2) Durch die Erfüllung der Ersatzpflicht darf der Erfolg der Grundsicherung nicht gefährdet werden. Die Festsetzung von Raten ist zulässig.
…"
Die maßgeblichen Bestimmungen der Tiroler
Grundsicherungsverordnung, LGBl. Nr. 28/2006 idF LGBl. Nr. 96/2007
(TGSV), lauteten:
"§ 1
Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes umfasst Maßnahmen zur Deckung des Aufwandes für:
a) Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege, Instandhaltung der Bekleidung, Kleinhausrat, Reinigung, Bildung und Erholung in einem für den Hilfesuchenden angemessenen Ausmaß, Benützung von Verkehrsmitteln und sonstige kleinere Bedürfnisse des täglichen Lebens,
b) Unterkunft (insbesondere Mietkosten einschließlich Kautionen, unabdingbarer Kosten für die Errichtung von Bestandverträgen, der Kosten einer allfälligen Grundausstattung mit Möbeln und erforderlichem Hausrat; Betriebs- und Heizkosten),
c) Bekleidung.
…
§ 5
Bemessung des Lebensunterhaltes
(1) Soweit die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Geldleistungen gegeben wird, sind unter Anrechnung der nach § 3 des Tiroler Grundsicherungsgesetzes einzusetzenden eigenen Kräfte und Mittel zu gewähren:
a) zur Deckung des Aufwandes im Sinn des § 1 lit. a monatliche Leistungen bis zu folgenden Höchstbeträgen (Richtsätze):
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1. | für Alleinstehende …….. 444,10 Euro |
2. | für Hauptunterstützte ….. 380,00 Euro |
3. | für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe ….. 64,30 Euro |
4. | für sonstige Mitunterstützte sowie für Bezieher der erhöhten Familienbeihilfe ….. 147,70 Euro. |
Alleinstehende sind Personen, die mit keinen unterhaltsberechtigten oder unterhaltsverpflichteten Angehörigen und mit keinem Lebensgefährten in Lebensgemeinschaft leben. Als Hauptunterstützte gelten Personen, die mit Ehegatten, mit Lebensgefährte oder sonst in Familiengemeinschaft mit unterhaltsberechtigten Angehörigen (Mitunterstützte) leben; | |
b) | zur Deckung des Aufwandes für die Unterkunft im Sinn des § 1 lit. b nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 des Tiroler Grundsicherungsgesetzes eine Beihilfe in Höhe der tatsächlichen Kosten unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit; |
… | |
§ 11 | |
Kostenersatz |
(1) Ein hinreichendes Einkommen im Sinn des § 10 Abs. 1 lit. a des Tiroler Grundsicherungsgesetzes liegt vor, wenn nach Abzug der Kosten für die Unterkunft noch mehr als das Eineinhalbfache des Richtsatzes für Alleinstehende nach § 5 Abs. 1 lit a verbleibt.
…"
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Summe der Einkommens des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin überschreite (unter Berücksichtigung der Kosten für die Unterkunft) das Eineinhalbfache des Richtsatzes der einzelnen Familienmitglieder, sodass für den Beschwerdeführer infolge Vorliegens eines "hinreichenden Einkommens" eine Kostenersatzpflicht nach § 10 Abs. 1 lit. a TGSG bestehe.
Die Beschwerde bringt dagegen im Wesentlichen vor:
a) Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, detailliert festzustellen, wofür Grundsicherung geleistet worden sei und wofür nunmehr Kostenersatz stattfinden solle.
b) Die belangte Behörde habe das für die Entscheidung herangezogene grundsicherungsrechtliche Einkommen falsch berechnet. Ein Kostenersatz könne nur vom tatsächlich monatlich verbleibenden Einkommen geleistet werden. Ein "hinreichendes" Einkommen liege nur dann vor, wenn nach Abzug der tatsächlichen Kosten mehr als das Eineinhalbfache des Richtsatzes für einen Haushaltsvorstand, eine weitere Sorgepflichtige und ein Kind verblieben (§ 11 Abs. 1 TGSV).
c) Im Zeitpunkt der Gewährung der Grundsicherung sei die vom Beschwerdeführer tatsächlich geleistete Miethöhe im Ausmaß von EUR 550,-- bekannt gewesen; es sei daher unzulässig, dass die belangte Behörde nunmehr bei der Berechnung der Grundsicherung von der tatsächlichen Miethöhe abgehe und eine Kürzung der anrechenbaren Miete vornehme.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Zu a): Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 TGSG ("… Ersatz der für ihn aufgewendeten Kosten …") dargelegt, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom bis Unterstützungsleistungen aus der Grundsicherung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinn des § 1 lit. a TGSV (Deckung des Aufwandes für Ernährung etc.) sowie im Sinn des § 1 lit b TGSV (Deckung des Aufwandes für Unterkunft) in einem - unstrittigen - Gesamtausmaß von EUR 2.816,92 erhalten bzw. in diesem Ausmaß Kostenersatz zu leisten hat. Eine Verpflichtung der Behörde zu einer detaillierten Aufschlüsselung im Sinne des Beschwerdevorbringens sieht das Gesetz nicht vor.
Zu b): Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten war der Beschwerdeführer insofern "Empfänger" der gegenständlichen Leistungen aus der Grundsicherung, als die einzelnen Leistungen jeweils durch an ihn ergangene Bescheide gewährt wurden. Der Beschwerdeführer ist daher nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 TGSG grundsätzlich auch Adressat der Kostenersatzpflicht.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht jedoch ebenfalls hervor, dass bei der Berechnung der monatlichen Grundsicherungsleistungen im Zeitraum 2006/2007 nicht von dem für Alleinstehende maßgeblichen Richtsatz nach § 5 lit. a Z. 1 TGSV (in der damals geltenden Fassung LGBl. Nr. 28/2006 bzw. LGBl. Nr. 116/2006) ausgegangen wurde, sondern als Bemessungsgrundlagen vielmehr jeweils die Richtsätze für einen Hauptunterstützten (den Beschwerdeführer), für eine Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe (die Ehefrau des Beschwerdeführers) und einen sonstigen Mitunterstützten (den minderjährigen Sohn des Beschwerdeführers) bzw. ein "Mietzuschlag" (in Höhe von EUR 400,--) herangezogen wurden.
Bei der Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen diesfalls ein "hinreichendes" Einkommen anzunehmen sei, ist die belangte Behörde zunächst davon ausgegangen, dass im Beschwerdefall eine (unmittelbare) Anwendung des § 11 Abs. 1 TGSV nicht in Betracht komme, weil diese Bestimmung lediglich eine Regelung für einen "einzelnen, alleinstehenden ehemaligen Grundsicherungsempfänger" treffe und der Lebensunterhalt der gesamten Familie des Beschwerdeführers mit einem Betrag von EUR 666,15 (= das Eineinhalbfache des Richtsatzes für Alleinstehende nach § 5 Abs. 1 lit. a Z. 1) nicht abgedeckt sei.
Nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 TGSV ist das "hinreichende" Einkommen (lediglich) in Form des den eineinhalbfachen Richtsatz für einen Alleinstehenden übersteigenden Betrages, der nach Abzug der Kosten für die Unterkunft verbleibt, definiert.
Für die dem Beschwerdefall zu Grunde liegende Konstellation - dass sich nämlich die Höhe der gewährten Grundsicherung an der Summe der für mehrere Familienmitglieder geltenden Richtsätzen orientiert hat - enthalten diesbezüglich weder das TGSG noch die TGSV nähere Regelungen.
Wesentlich erscheint nun, dass gemäß § 11 Abs. 1 TGSV die Ermittlung des "hinreichenden" Einkommens anhand einer typisierten Bezugsgröße - nämlich des eineinhalbfachen Richtsatzes - zu erfolgen hat (vgl. zum "hinreichenden" Einkommen im Übrigen das zu § 26 Abs. 1 Z. 1 WSHG ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0128, mwN; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0143).
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie diese typisierte Betrachtungsweise auf die erwähnte Konstellation übertragen und demgemäß das hinreichende Einkommen unter Zugrundelegung der eineinhalbfachen, für die einzelnen Familienmitglieder maßgeblichen Richtsätze (bzw. unter Berücksichtigung der Kosten für die Unterkunft) ermittelt hat. Die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise ihrem Grunde nach wird auch von der Beschwerde ausdrücklich zugestanden.
Zu c): Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:
Die dem Beschwerdeführer gewährte Grundsicherung umfasste nicht die tatsächlichen Mietkosten (EUR 550,--), sondern gemäß § 6 Abs. 2 lit. b TGSG lediglich "aliquote" monatliche Zuschläge zu den Mietkosten in Höhe von EUR 400,--. Entgegen der Auffassung der belangten Behörden waren diese (fiktiven) Kosten jedoch nicht - gleichsam vice versa - auch bei der Ermittlung der maßgeblichen Kosten für die Unterkunft im Rahmen der Ersatzpflicht heranzuziehen. § 11 TGSV stellt nämlich auf die "Kosten für die Unterkunft", und sohin grundsätzlich auf die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten, ab; eine Grenze für die Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten ergibt sich - nach den Umständen des Einzelfalls - allenfalls aus unangemessen hohen Aufwendungen, die insofern als missbräuchlich zu qualifizieren wären. Diese Grenze ist im Beschwerdefall jedoch nicht erreicht.
Für den Beschwerdeführer ergibt sich somit bei Zusammenrechnung der anrechenbaren Kosten für die Unterkunft in der Höhe von monatlich EUR 550,-- und des eineinhalbfachen Richtsatzes der einzelnen Familienmitglieder in der Höhe von insgesamt EUR 1.188,00 ein hinreichendes Einkommen von EUR 1.738,00. Dem steht das von der belangten Behörde festgestellte gemeinsame Einkommen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in Höhe von EUR 1.677,98 gegenüber, womit ein "hinreichendes Einkommen" iSd § 10 Abs. 1 lit. a TGSG nicht erreicht wird.
Die belangte Behörde hat demgegenüber im Beschwerdefall zu Unrecht eine Überschreitung des grundsicherungsrechtlich hinreichend Einkommens angenommen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer abgegolten wird.
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-91701