VwGH vom 27.11.2012, 2009/10/0204
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde
1. der EP, 2. des RP und 3. der DW, alle in M, alle vertreten durch Dr. Ronald Rödler, Rechtsanwalt in 2460 Bruck an der Leitha, Lagerhausstraße 4/6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. LF1-FO-119/053-2008, betreffend forstbehördlichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde den beschwerdeführenden Parteien - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof relevant - gemäß § 172 Abs. 6 lit. b iVm § 16 Abs. 1 und 2 lit. a und b. Forstgesetz 1975 (ForstG) der forstbehördliche Auftrag erteilt, auf einer näher bezeichneten Teilfläche des Grundstücks Nr. 699/1 KG H. im Ausmaß von 600 m2 vorhandene Mauerreste (ca. 40 m3 Betonmauerteile) und 45 m3 Erdmaterial zur Gänze zu entfernen und bis ordnungsgemäß und nachweislich zu entsorgen sowie diese Teilfläche bis spätestens mit je 60 Stück Aspe, 60 Stück Grauerle und 60 Stück Weide auf näher vorgeschriebene Weise aufzuforsten.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung - gestützt auf ein forstfachliches Gutachten - im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, nach dem am aufgenommenen Befund befänden sich auf der gegenständlichen Grundfläche Erdmaterial sowie Reste einer Stahlbetonkonstruktion im Ausmaß von rund 40 m3 Stahlbeton, welche aus einer - vormals durch die beschwerdeführenden Parteien errichteten - Stützmauer im Oberhangbereich herrührten. Durch das Umstürzen der Stahlbetonmauer sei eine Abrutschungs- und Nachböschungsdynamik ausgelöst worden, die zu einer weiteren Verfrachtung von Erdmaterial nach unten geführt habe. Die verbliebenen Stöcke des ursprünglichen Bewuchses seien bislang nicht in der Lage gewesen, eine Stabilisierung des Hanges herbeizuführen. Der Prozess der Wiederbesiedelung der entstandenen Freiflächen durch die ursprünglich vorhandene Baumart Robinie sei durch die Nachböschungsprozesse in einem Initialstadium gehalten worden, wodurch eine Wiederbewaldung durch Naturverjüngung bzw. Stockausschlag nicht eintreten könne.
Die auf der gegenständlichen Teilfläche verbliebenen Reste der Stahlbetonmauer stellten Bereiche dar, an denen eine Wiederbewaldung nicht möglich sei. Durch die von den beschwerdeführenden Parteien gesetzten Maßnahmen sei somit die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt worden. Eine Entfernung der Mauerteile sei daher für die Wiederbewaldung der betroffenen Teilfläche unumgänglich; die technische Machbarkeit sei grundsätzlich gegeben, weil beispielsweise durch den Einsatz eines Schreitbaggers die Zerkleinerung und die Entfernung erfolgen könnten.
Die Überlagerung des gewachsenen Waldbodens mit Betonmauerresten führe zu einer wesentlichen Schwächung der Produktionskraft des Waldbodens, weshalb die Entfernung dieses Materials zwingend erforderlich sei. Als Begleiterscheinung des Mauerumsturzes und des Fehlens des Bewuchses bestehe auf dem Hang weiterhin eine Abtragungsgefahr; die Wiederbewaldung diene im vorliegenden Fall vorrangig der Stabilisierung des Hanges und sei zwingend erforderlich, um die beschriebenen Erosionserscheinungen hintanzuhalten. Aus diesen Gründen habe der forstfachliche Sachverständige den mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Auftrag empfohlen.
Ein Orthophoto aus dem Jahr 2004 zeige auf dem Grundstück Nr. 699/1 der KG H. - welches nach einem dem angefochtenen Bescheid als integrierender Bestandteil angeschlossenen Plan weit mehr als 1.000 m2 umfasst und eine deutlich größere Breite als 10 m aufweist - eine geschlossene Bestockung.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die maßgeblichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, aufgrund der geschlossenen Bestockung des Grundstückes Nr. 699/1 KG H. im Jahr 2004 sei vom Vorliegen der Waldeigenschaft im Sinne des ForstG auszugehen. Nach dem festgestellten Sachverhalt liege eine Waldverwüstung im Sinn des § 16 Abs. 2 lit. a und b ForstG vor, wobei es auf ein Verschulden der beschwerdeführenden Parteien in diesem Zusammenhang nicht ankomme. Zur Wiederherstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes seien somit nach § 172 Abs. 6 ForstG erforderliche Sicherungsmaßnahmen zu treffen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 55/2007 (ForstG), lauten auszugsweise wie folgt:
" Waldverwüstung
§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,
(…) wird.
(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.
(...)
Forstaufsicht
§ 172.
(...)
(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere
Tabelle in neuem Fenster öffnen
a) | die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung, |
b) | die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen, |
c) | die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung, |
d) | die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder |
e) | die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr |
im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen." |
2.1. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, die gegenständliche Teilfläche stelle Wald im Sinne des ForstG dar, und bringt dazu im Wesentlichen vor, aus dem von der belangten Behörde herangezogenen forstfachlichen Gutachten ergebe sich "in keiner Weise", dass diese Teilfläche "zum Zeitpunkt der Hangrutschung im Juni 2008" tatsächlich noch Wald gewesen sei; aus dem vorhandenen Orthophoto vom könne dies keineswegs geschlossen werden. Richtigerweise hätte der beauftragte Amtssachverständige prüfen müssen, ob zum Zeitpunkt der Hangrutschung noch Wald im Sinne des ForstG vorhanden gewesen sei; "allenfalls" hätte die belangte Behörde von Amts wegen ein Feststellungsverfahren dazu durchführen müssen.
2.2. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass - wenn die Waldeigenschaft einer Fläche nicht rechtskräftig nach § 5 ForstG festgestellt worden ist - die Waldeigenschaft von der Behörde im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung eines forstpolizeilichen Auftrags als Vorfrage geprüft werden kann (vgl. etwa jüngst das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0118, mwN).
Für die Beurteilung, ob eine Fläche Wald ist, kommt es im Übrigen nach § 5 Abs. 2 ForstG darauf an, ob die Fläche innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre Wald war. Auch für die Beantwortung der Vorfrage, ob im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung gegen forstliche Vorschriften die Waldeigenschaft gegeben war, ist nach der hg. Rechtsprechung daher maßgeblich, ob die Fläche im Zeitpunkt des Beginns der Zuwiderhandlung oder innerhalb des davor liegenden Zeitraumes von zehn Jahren Wald gewesen ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall mit Blick darauf, dass das dem Gutachten des forstfachlichen Sachverständigen zugrunde liegende Orthophoto aus 2004 eine geschlossene Bestockung des Grundstücks Nr. 699/1 (welches die Größenvoraussetzungen des § 1a Abs. 1 ForstG deutlich übersteigt) zeigte, von der Waldeigenschaft der betroffenen Teilfläche ausging, so ist dies nicht zu beanstanden.
3.1. Im Weiteren bringt die Beschwerde vor, mit dem (mit der Beschwerde vorgelegten) Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom seien die beschwerdeführenden Parteien im baubehördlichen Verfahren zur Beseitigung der abgestürzten Stützmauer und zur Herstellung des "ursprünglichen Zustandes" wie in einem Gutachten des Sachverständigen DI. M. beschrieben verpflichtet worden, wobei diesem Gutachten andere Aufforstungsmaßnahmen als die im vorliegend angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen zu entnehmen seien; damit lägen unterschiedliche Aufträge "derselben Behörde" vor.
3.2. Entgegen der in der Beschwerde offenbar vertretenen Auffassung lässt sich allerdings aus einem allfälligen Widerspruch zwischen den im angefochtenen Bescheid gemäß § 172 Abs. 6 ForstG aufgetragenen Maßnahmen und jenen, zu denen die beschwerdeführenden Parteien durch baubehördliche Bescheide verpflichtet wurden, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht ableiten. (Im Übrigen sei angemerkt, dass der betreffende Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom mittlerweile mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0200, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde.)
4. Soweit die Beschwerde in ihrer Verfahrensrüge vorbringt, die belangte Behörde habe die Verfahrensvorschriften durch das Übergehen von Beweisanträgen der beschwerdeführenden Parteien verletzt, legt sie die Relevanz der so behaupteten Verfahrensmängel nicht konkret dar (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Ausgehend von dem Gesagten war gerade die Verwendung des - wie die Beschwerde beklagt - "bereits zumindest 4 Jahre" alten Photos rechtlich geboten und begründete nicht etwa einen Verfahrensmangel.
5. Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-91685