VwGH 14.07.2011, 2009/10/0201
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | NatSchG NÖ 2000 §35 Abs2; NatSchG NÖ 2000 §6 Z2; |
RS 1 | § 6 Z. 2 NÖ NatSchG 2000 verbietet Anschüttungen im Bereich von Schilfbeständen außerhalb des Ortsbereiches schlechthin, also ohne dieses Verbot auf "Schilfgürtel" einzuschränken oder auf den Entstehungsgrund der Schilfbestände Bedacht zu nehmen. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass die zum Zweck der Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion vorgenommenen Anschüttungen in Schilfbeständen vom Verbot des § 6 Z. 2 legcit ausgenommen wären. Derartige Aufschüttungen erfüllen den Verbotstatbestand des § 6 Z. 2 NÖ NatSchG 2000. Damit sind die Voraussetzungen für die Erlassung eines Entfernungsauftrages gemäß § 35 Abs. 2 NÖ NatSchG 2002 gegeben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des FS in E, vertreten durch Dr. Wolfgang List, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU5- BE-558/001-2008, betreffend naturschutzbehördlicher Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, die im Grünland, außerhalb des Ortsbereiches der Marktgemeinde G. auf näher bezeichneten Parzellen der KG P. durchgeführten Anschüttungen (Materialmenge ca. 5.400 m3) binnen festgesetzter Frist zu entfernen und den früheren Zustand wiederherzustellen.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, den eingeholten Gutachten der Naturschutzsachverständigen und den im Rahmen eines Lokalaugenscheins angefertigten Fotos sei zu entnehmen, dass die Anschüttung Anteile von Bauschutt und sonstigen Fremdmaterialien aufweise. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es handle sich um Schüttmaterial, das für landwirtschaftliche Zwecke brauchbar sei, sei zu entgegnen, dass nach den eingeholten Gutachten praktisch die gesamte Schüttung Verunreinigungen (Ziegel, Sand, Schluff, Plastikteile, Kohlestücke und Betonteile) aufweise; jede einzelne Probe habe Anteile von Verunreinigungen gezeigt. Es müsse daher angenommen werden, dass die Schüttung mit der Absicht erfolgt sei, sich des von fremden, teilweise bebauten Grundstücken stammenden Materials, das objektiv nicht mehr brauchbar sei, zu entledigen. Im vorliegenden Fall liege allerdings die Widmungsart "Grünland - Aushubdeponie" nicht vor. Im Übrigen würden nach den eingeholten Naturschutzgutachten durch die konsenslosen Anschüttungen der Lebensraum von Pflanzen und Tieren gefährdet, weil die Anschüttungen in einem Feuchtgebiet (anmooriger Untergrund, zeitweilige Staunässe, Schilfbestand) im Sinne des § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000 vorgenommen worden seien. Dem Beschwerdeführer sei daher die Beseitigung der Anschüttungen aufzutragen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes 2000, LGBl. 5500-6, (NÖ NSchG 2000) lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 6
Verbote
Außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), ist verboten:
1. die Lagerung und Ablagerung von Abfällen außerhalb von hierfür genehmigten Anlagen (§ 7 Abs. 1 Z. 6), ausgenommen
o die in der ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft üblichen Lagerungen sowie
o kurzfristige, die Dauer von einer Woche nicht überschreitende, Lagerungen;
2. die Vornahme von Entwässerungen, Grabungen, Anschüttungen und sonstigen Maßnahmen, die geeignet sind, einen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu gefährden, im Bereich von Moor- oder Sumpfflächen, Auwäldern sowie Schilf- oder Röhrichtbeständen, ausgenommen unbedingt notwendige Maßnahmen bei der Durchführung eines gemäß § 7 bewilligten Vorhabens;
…
§ 35
Besondere Maßnahmen
…
2) Unabhängig von einer Bestrafung nach § 36 sind Personen, die den Bestimmungen dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen oder Bescheiden zuwidergehandelt haben, von der Behörde zu verpflichten, den früheren Zustand wieder herzustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand den Interessen des Naturschutzes bestentsprechend abzuändern. Zu diesem Zweck kann die Behörde auch die Verpflichtung zur Erstellung eines Sanierungsplanes vorschreiben; dieser Plan ist der Behörde zur Bewilligung vorzulegen."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, der Beschwerdeführer habe außerhalb des Ortsbereiches im Bereich eines Feuchtgebietes mit Schilfbestand Anschüttungen vorgenommen, die Verunreinigungen aufgewiesen hätten und daher als Abfall zu qualifizieren seien. Er habe dadurch sowohl gegen das Verbot des § 6 Z. 1 NÖ NSchG 2000, Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen abzulagern, verstoßen, als auch gegen das Verbot des § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000, Anschüttungen im Bereich von Schilfbeständen vorzunehmen. Es sei ihm daher spruchgemäß die Entfernung der Anschüttungen aufzutragen gewesen.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, er habe die in Rede stehenden Grundstücke bis zum Jahre 1995 landwirtschaftlich genutzt, anschließend jedoch brachliegen gelassen und Stilllegungsprämien geltend gemacht. In der Folge sei die EU-Förderung reduziert worden, sodass sich die Notwendigkeit ergeben habe, die Grundstücke wieder zu bebauen. Da auf Grund des anmoorigen Untergrundes eine Bewirtschaftung nur schwer möglich gewesen sei, habe er zur Bodenverbesserung von anderen Grundstücken Böden entnommen und aufgebracht; dabei sei allerdings auch ungeeignetes Material beigemischt worden. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom sei allerdings gemäß § 73 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 entschieden worden, dass das aufgebrachte Material ohne Holzschredderanteil auf den Grundstücken verbleiben dürfe; die Entfernung des ungeeigneten Materials habe der Beschwerdeführer in der Folge veranlasst. Die belangte Behörde hätte daher die Anschüttung nicht als Abfall qualifizieren dürfen, zumal die zuständige Abfallbehörde das an Ort und Stelle verbliebene Material als zulässig verwerteten Altstoff angesehen habe, der nicht mehr dem Regime des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 unterliege. Dies sei auch für die Naturschutzbehörde bindend. Im Übrigen sei Schilf und Unkraut auf den Grundstücken lediglich infolge der jahrelang unterbliebenen Bewirtschaftung gewachsen. An der Bestimmung der Grundstücke als Felder habe sich nichts geändert. Die belangte Behörde habe daher übersehen, dass es jedem Landwirt freistehe, seine Felder zu bewirtschaften oder auch brachliegen zu lassen. Er könne bei der Bewirtschaftung jederzeit die gesamte Tier- und Pflanzenwelt, die sich auf den Feldern entwickelt habe, zerstören. Das NÖ NSchG 2000 könne einem Landwirt daher auch nicht verbieten, zur besseren Bewirtschaftung der Liegenschaften Bodenverbesserungen vorzunehmen. Dem Gesetz könne auch nicht entnommen werden, dass es auf den wegen mangelnder Pflege kurzfristig entstandenen Wildwuchs anzuwenden sei. Vielmehr seien vom NÖ NSchG 2000 nur Gebiete geschützt, die Moore, Sumpflandschaften, Auwälder oder Schilfgürtel darstellten.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst weder, dass die in Rede stehenden Anschüttungen außerhalb des Ortsbereiches, noch, dass sie im Bereich von Schilfbeständen vorgenommen worden seien. Er ist vielmehr der Auffassung, unter Schilfbeständen im Sinne des § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000 könnten nur Gebiete verstanden werden, die als "Schilfgürtel" anzusehen seien, nicht jedoch Schilfbestände, die infolge mangelnder Pflege des Grundstückes entstanden seien.
Für diese Annahme bietet das NÖ NSchG 2000 keine Grundlage. Vielmehr verbietet § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000 Anschüttungen im Bereich von Schilfbeständen außerhalb des Ortsbereiches schlechthin, also ohne dieses Verbot auf "Schilfgürtel" einzuschränken oder auf den Entstehungsgrund der Schilfbestände Bedacht zu nehmen. Es besteht daher kein Grund für die Annahme, die im vorliegenden Fall überschütteten Schilfbestände seien vom Schutz des § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000 nicht erfasst. Dem Gesetz ist auch nicht zu entnehmen, dass die zum Zweck der Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion vorgenommenen Anschüttungen in Schilfbeständen vom Verbot des § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000 ausgenommen wären.
Es ist daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zur Auffassung gelangte, die vom Beschwerdeführer vorgenommenen Aufschüttungen erfüllten den Verbotstatbestand des § 6 Z. 2 NÖ NSchG 2000. Damit sind auch die Voraussetzungen für die Erlassung eines Entfernungsauftrages gemäß § 35 Abs. 2 NÖ NSchG 2002 gegeben.
Bei diesem Ergebnis kann im Beschwerdefall unerörtert bleiben, ob die belangte Behörde überdies von einem Verstoß des Beschwerdeführers gegen den Verbotstatbestand des § 6 Z. 1 NÖ NSchG 2000 ausgehen durfte.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | NatSchG NÖ 2000 §35 Abs2; NatSchG NÖ 2000 §6 Z2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2009100201.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-91675