Suchen Hilfe
VwGH vom 26.04.2010, 2009/10/0200

VwGH vom 26.04.2010, 2009/10/0200

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2009/10/0208

2009/10/0207

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerden

1. der Mag. pharm. SE in Wien, vertreten durch MMag. Gustav Walzel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, 2. der Mag. pharm. TL in L, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 18, 3. der Mag. pharm. CP in Linz, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zlen. VwSen-590222/2/Gf/Mu/Bu, VwSen-590223/2/Gf/Mu/Bu, betreffend Apothekenkonzession, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Erstbeschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom (im Folgenden: Vorbescheid) wurde der Antrag von Frau Mag. P. auf Erteilung einer Konzession für die Neuerrichtung einer Apotheke mit einem bestimmt bezeichneten Standort und der Betriebsstätte im Hauptbahnhof Linz mangels Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 10 Apothekengesetz, RGBl. Nr. 5/1907 (ApG), abgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat am einen Antrag auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke mit demselben Standort und der Betriebsstätte am Hauptbahnhof Linz gestellt. Im Wesentlichen gleich lautende Anträge haben Mag. P. am und die Erstbeschwerdeführerin am gestellt.

Mit Bescheid vom hat der Bürgermeister der Stadt Linz (die Behörde erster Instanz) der Zweitbeschwerdeführerin die beantragte Konzession erteilt, die konkurrierenden Anträge der Erstbeschwerdeführerin und der Mag. P. sowie den Einspruch der Drittbeschwerdeführerin als Inhaberin einer benachbarten öffentlichen Apotheke abgewiesen. Dabei ging die Erstbehörde davon aus, dass der Vorbescheid am zugestellt worden sei und im Zeitraum bis zur Antragstellung durch die Zweitbeschwerdeführerin am eine wesentliche Veränderung der für die Bedarfsprüfung maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sei.

Mit Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich über die Berufungen der Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin den Bescheid der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Berufung vorgebracht habe, dass nur eine minimale Änderung der für die Bedarfsprüfung maßgeblichen Verhältnisse gegenüber 2004 eingetreten sei; die mittlerweile errichteten Neubauten würden fast alle im Versorgungsgebiet der beantragten Apotheke liegen; der einzige Neubau im Bereich der bestehenden Apotheke sei erst nach dem fertiggestellt worden; die "Einfluter" seien auf unrichtige Weise berücksichtigt worden.

Die Drittbeschwerdeführerin habe überdies darauf hingewiesen, dass die Behörde erster Instanz vom Gutachten der Apothekerkammer, wonach das Versorgungspotential ihrer Apotheke bei Neuerrichtung der beantragten Apotheke nur 4.891 Personen betrage, willkürlich abgewichen sei.

Da sich der maßgebliche Sachverhalt bereits aus den Verwaltungsakten ergebe, habe von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden können.

Der Landeshauptmann von Oberösterreich habe mit Schreiben vom mitgeteilt, dass der Vorbescheid am in Rechtskraft erwachsen sei. Wäre der Vorbescheid an diesem Tag zugestellt worden, so hätte die zweijährige Sperrfrist gemäß § 47 Abs. 2 ApG am geendet. In diesem Fall wären alle drei Neuanträge noch innerhalb der gesetzlichen Sperrfrist gestellt worden und daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen, "weil, wie sich dies aus dem entsprechenden Gutachten der Apothekerkammer ergibt und auch die Erstbeschwerdeführerin zutreffend vorbringt, in diesem Zeitraum, nämlich innerhalb der Sperrfrist, tatsächlich (noch) keine wesentliche Veränderung in Bezug auf die für die Entscheidung vom maßgebenden lokalen Verhältnisse eingetreten ist".

Anhand der vorgelegten Akten lasse sich allerdings nicht beurteilen, wann der Vorbescheid tatsächlich zugestellt worden sei. Es sei daher offen, ob und welche Anträge innerhalb der zweijährigen Sperrfrist gestellt worden seien.

Nach dem Wortlaut und den Materialien liege der Sinn der Sperrfrist des § 47 Abs. 2 ApG darin, aufwändige Konzessionsverfahren, die im Ergebnis zu keinen neuen Erkenntnissen führten, zu vermeiden. Die Zurückweisung eines Konzessionsantrages allein aus dem Grund, weil dieser innerhalb der Sperrfrist gestellt worden sei, sei nur dann zulässig, wenn keine oder eine bloß unwesentliche Änderung der maßgebenden lokalen Verhältnisse eingetreten sei. Weiters führte die belangte Behörde dazu aus:

"Anders gewendet: Wenn den Neuanträgen - wobei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, dass den Antragstellern u.U. keine Parteistellung und damit auch kein Recht auf Akteneinsicht zukommt, sodass diese einerseits den genauen Zeitpunkt des Ablaufs der Sperrfrist nicht aus eigenem ermitteln können, andererseits aber gleichzeitig darauf bedacht sein müssen, mit ihrer Antragstellung die Priorität gegenüber den Mitbewerbern zu wahren -

erkennbar die Absicht zugrunde liegt, dass diese unmittelbar nach dem Ablauf der Sperrfrist gestellt werden sollten (tatsächlich aber knapp vor dem Ende der Sperrfrist gestellt wurden) und zwischenzeitlich, d.h. bis zur in Aussicht genommenen Entscheidung durch die Behörde eine wesentliche Änderung in den maßgebenden lokalen Verhältnissen eingetreten ist, dann dürfen derartige Neuanträge nicht mehr ohne Weiteres unter Berufung auf § 47 Abs. 2 ApG zurückgewiesen werden. Vielmehr ist in einem derartigen Fall dem Antragsteller die Gelegenheit zu geben, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob sein Antrag als unmittelbar nach dem Ablauf der Sperrfrist eingebracht gelten soll; wenn danach mehrere Anträge als gleichzeitig eingelangt zu gelten haben, dann hat die Konzessionserteilung für den Fall, dass objektiv besehen lediglich Bedarf für eine neu zu errichtende Apotheke besteht (und somit wohl im Regelfall) eben nicht nach dem Kriterium der Priorität, sondern vielmehr nach jenem der vergleichsweise besseren sachlichen Eignung zu erfolgen."

Die Vorgangsweise nach § 66 Abs. 2 AVG begründete die belangte Behörde wie folgt:

"Nach den Art. 129 ff B-VG haben die Unabhängigen Verwaltungssenate nicht selbst die Verwaltung zu führen, sondern bloß die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen zu kontrollieren; um gleichzeitig auch die Notwendigkeit einer Entscheidung durch ein Tribunal iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK in einer civil-rights-Angelegenheit - hiezu zählt jedenfalls die Vergabe einer Apothekenkonzession - zu wahren, ist daher die Sache dann, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt in wesentlichen Punkten ermittlungsbedürftig ist, nicht von den UVS gemäß § 66 Abs. 4 AVG selbst zu entscheiden, sondern vielmehr nach § 66 Abs. 2 AVG zurückzuverweisen."

Die Behörde erster Instanz werde daher im fortgesetzten Verfahren zunächst zu klären haben, welche Neuanträge zwar innerhalb der Sperrfrist gestellt worden seien, tatsächlich aber nach Einholung entsprechender Stellungnahmen der Parteien als außerhalb der Sperrfrist gestellt anzusehen seien. Davon ausgehend werde sie nach Einholung eines aktuellen Gutachtens der Apothekerkammer die Konzession der sachlich am besten geeigneten Bewerberin zu erteilen haben.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden je mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerdeführerinnen erstatteten jeweils Stellungnahmen zur Gegenschrift der belangten Behörde und zum Vorbringen der anderen Beschwerdeführerinnen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der drei Beschwerdesachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

Gemäß § 47 Abs. 2 erster Satz ApG ist ein Konzessionsantrag eines Bewerbers von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn ein früherer Antrag eines anderen Bewerbers um die Errichtung einer neuen Apotheke an demselben Standort wegen des Fehlens der im § 10 bezeichneten sachlichen Voraussetzungen abgewiesen worden ist, von dem Datum der Zustellung des letzten in der Angelegenheit ergangenen Bescheides an gerechnet nicht mehr als zwei Jahre vergangen sind und eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen nicht eingetreten ist.

Die Behörde erster Instanz hat festgestellt, dass der Vorbescheid am an Mag. P. zugestellt worden sei. Sie hat die Konzession der Zweibeschwerdeführerin erteilt, die ihren Antrag am , also jedenfalls innerhalb der zweijährigen Sperrfrist gemäß § 47 Abs. 2 ApG gestellt hat. Dazu führte sie aus, dass und aus welchen Gründen eine wesentliche Veränderung der für die Bedarfsprüfung maßgeblichen Verhältnisse eingetreten sei, weshalb § 47 Abs. 1 erster Satz ApG der Konzessionserteilung nicht entgegenstehe.

Die belangte Behörde hegte Zweifel daran, ob der Vorbescheid tatsächlich - wie von der Behörde erster Instanz festgestellt und von den Beschwerdeführerinnen im Berufungsverfahren (und in den Beschwerden) nicht bestritten - am zugestellt worden sei. Das Zustelldatum sei daher im fortgesetzten Verfahren zu erheben.

In diesem Zusammenhang führte die belangte Behörde aus, dass - bei Annahme des Datums der Zustellung des Vorbescheides mit - innerhalb der zweijährigen Sperrfrist entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz keine wesentliche Veränderung der maßgebenden lokalen Verhältnisse eingetreten sei, weshalb die Frist des § 47 Abs. 2 ApG für die Entscheidung maßgeblich sei. Diese Ansicht hat sie allerdings nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof überprüfbaren Weise begründet, hat sie dazu doch keine Feststellungen getroffen, sondern ohne Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Erstbehörde auf das von dieser Behörde eingeholte Gutachten der Apothekenkammer und die - im angefochtenen Bescheid nur kursorisch wiedergegebenen - Berufungsausführungen der Erstbeschwerdeführerin verwiesen.

Die belangte Behörde behob den angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG mit der Begründung, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zwar zur Kontrolle der Verwaltung, nicht aber zu deren Führung berufen seien. Jede Ermittlungsnotwendigkeit in wesentlichen Sachverhaltsfragen habe daher zur Aufhebung und Zurückverweisung nach der genannten Bestimmung zu führen. Dies wird durch die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift noch verdeutlicht, wonach es mit der von Art. 129 ff B-VG vorgegebenen Funkton des UVS "völlig unvereinbar (wäre), eine Sachentscheidung zu treffen, die sich in den entscheidungswesentlichen Punkten nicht auf Ermittlungsergebnisse der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung stützen könnte, sondern vielmehr ausschließlich auf solche des UVS selbst beruhen würde - in diesem Fall würde der UVS die Verwaltung nicht bloß kontrollieren, sondern unmittelbar selbst führen!"

Diese Ansicht der belangten Behörde beruht auf einer Verkennung der Rechtslage. Nach dem Konzept des Gesetzgebers bei Einfügung der §§ 67a ff ins AVG sollte durch die Regelungen über die Unabhängigen Verwaltungssenate in ihrer Funktion als Berufungsbehörde der mit der Einfügung der Art. 129a und 129b ins B-VG verbundenen Absicht des Verfassungsgesetzgebers Rechnung getragen werden, Tribunale zu schaffen, die im Hinblick auf ihre umfassende Kognition mit Art. 6 EMRK im Einklang stehen. Dafür war nach der in den Materialien zum Ausdruck kommenden Ansicht des Gesetzgebers insbesondere die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate zu einer selbständigen Entscheidung "sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch der Rechtsfrage" erforderlich. Für die Unabhängigen Verwaltungssenate als Berufungsbehörden sollte daher insbesondere auch § 66 Abs. 4 AVG gelten. Dies ergibt sich nunmehr ausdrücklich aus § 67h Abs. 1 AVG (vgl. zum Ganzen Hengstschläger/Leeb , Kommentar zum AVG, Rz 20 f zu § 67h mit ausführlichen Hinweisen auf die Materialien).

Von der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG darf der Unabhängige Verwaltungssenat daher - so wie andere Berufungsbehörden - nur unter der Voraussetzung Gebrauch machen, dass zur Komplettierung des mangelhaft festgestellten maßgeblichen Sachverhaltes die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Damit hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in keiner Weise auseinandergesetzt.

Dazu kommt, dass die mit dem angefochtenen Bescheid der Behörde erster Instanz überbundene Rechtsansicht, der Wille eines Konzessionswerbers, den Antrag erst nach Ablauf der Sperrfrist gemäß § 47 Abs. 2 erster Satz ApG einzubringen, führe dazu, einen tatsächlich innerhalb der Frist eingebrachten Antrag als erst nach deren Ablauf eingebracht anzusehen, in der Rechtsordnung keine Grundlage findet. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass den Antragstellern keine Parteistellung im Verfahren, in dem der frühere Antrag eines anderen Konzessionswerbers abgewiesen wurde, zukommt.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren zunächst


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
falls sie weiterhin Zweifel am von der Erstbehörde festgestellten Datum der Zustellung des Vorbescheides hat - dieses Datum zu erheben und festzustellen haben. Davon ausgehend wird sie
-
in Auseinandersetzung mit der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz und dem Vorbringen der Parteien - zu prüfen haben, ob zwischen der Zustellung des Vorbescheides und dem jeweiligen Einbringungszeitpunkt der weniger als zwei Jahre danach eingebrachten Anträge eine wesentliche Veränderung der für die Beurteilung der Bedarfssituation maßgeblichen lokalen Verhältnisse eingetreten ist. Sind demnach mehrere Anträge nicht gemäß § 47 Abs. 2 ApG ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wird die belangte Behörde die Auswahl - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Konzessionserteilung - nach dem allein maßgeblichen Grundsatz der zeitlichen Priorität (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/10/0129), zu treffen haben. Da die gegenständlichen Anträge jeweils an verschiedenen Tagen gestellt worden sind, braucht auf die Frage der Auswahl bei zeitgleichen Anträgen nicht eingegangen zu werden.

Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der von der Drittbeschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren der Erstbeschwerdeführerin war abzuweisen, weil im pauschalierten Ersatz für den Schriftsatzaufwand Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-91670