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VwGH vom 05.07.2012, 2011/21/0046

VwGH vom 05.07.2012, 2011/21/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom , betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am bei der Österreichischen Botschaft Islamabad den Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" für die Dauer von 90 Tagen. Als Zweck der Reise wurde der Besuch ihres in Österreich lebenden Sohnes, eines österreichischen Staatsbürgers, genannt. Dieser hatte sich als einladende Person mit Erklärung vom verpflichtet, für den Unterhalt und die Unterkunft seiner eingeladenen Mutter aufzukommen, weiters, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt im Gebiet der Schengener Vertragsstaaten - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgehe - und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstünden, zu bezahlen. Er beziehe monatliche Einkünfte von EUR 1.300,-- netto, denen Miete und Betriebskosten von EUR 300,-- (monatlich) gegenüberstünden.

Daneben verfüge er über ein Bankguthaben von rund EUR 9.000,--.

Auch wurde der Abschluss einer Krankenversicherung für die

Beschwerdeführerin bescheinigt.

Mit Eingabe vom führte der Rechtsvertreter

der Beschwerdeführerin aus, auch deren Rückreise "vor Ablauf des Schengenvisums" sei gesichert, weil sie Familie (einen weiteren Sohn) in Afghanistan habe und sich (im Rahmen einer Berufstätigkeit bei einem Radiosender) für Frauenrechte engagiere. Sie würde keinesfalls ihre Familie alleine in Kabul zurücklassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Österreichische Botschaft Islamabad (die belangte Behörde) unter Verwendung des im Visakodex, Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , vorgesehenen Formblattes den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Visums ab.

Begründend wurde durch Ankreuzen der entsprechenden Textbausteine im Formular angegeben, die Beschwerdeführerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass sie über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts oder für die Rückkehr in ihren Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat verfüge, in dem ihre Zulassung gewährleistet sei, oder sie sei nicht in der Lage, diese Mittel rechtmäßig zu erlangen. Ebenso habe ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, nicht festgestellt werden können.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall war der nach seinem Art. 58 Abs. 2 grundsätzlich seit dem geltende Visakodex anzuwenden, der als unionsrechtliche Verordnung unmittelbar gilt.

Der angefochtene Bescheid leidet - wie in Erwiderung des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens vorauszuschicken ist - nicht schon deshalb an einem Begründungsmangel, weil er sich auf das Ankreuzen von Textbausteinen beschränkte, ohne auf den konkreten Fall Bezug zu nehmen und dazu Feststellungen zu treffen. Diese Vorgangsweise entspricht vielmehr - sofern der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt im Akt nachvollziehbar ist - den besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden (vgl. § 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG und dazu grundlegend den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/21/0216) und stünde auch mit dem - erst ab geltenden - Art. 32 Abs. 2 iVm Anhang VI des Visakodex im Einklang (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0423, mwN).

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung erkennbar zunächst auf Art. 32 Abs. 1 lit. a sublit. iii des Visakodex, wonach das Visum verweigert wird, wenn der Antragsteller nicht den Nachweis erbringt, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des geplanten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet sei, verfügt, bzw. nicht in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben.

Dies ist im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich. Bereits unter Berücksichtigung des - von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogenen - Nettoeinkommens des einladenden Sohnes von EUR 1.300,-- monatlich ist nicht zu sehen, dass dieser nicht in der Lage wäre, einen 90tägigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu finanzieren, zumal auch der Abschluss einer Krankenversicherung nachgewiesen wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0560).

Dazu kommen Nebeneinkünfte als Fußballspieler sowie das erwähnte Bankguthaben von rund EUR 9.000,--, das zur Finanzierung des Besuchs der Beschwerdeführerin dienen sollte. Dass der die Nebeneinkünfte betreffende Vertrag, wie in der behördlichen Gegenschrift geltend gemacht, nicht "sozialversicherungsrechtlich" abgesichert und leicht (soweit hier wesentlich: im Vergleich zu anderen Arbeitsverträgen) kündbar sei, ändert nichts daran, dass sie dem Sohn der Beschwerdeführerin offenbar aktuell zufließen. Dass dieser über das Bankguthaben nicht verfügen könne, wird mit dem weiteren Vorbringen, es sei nach Herkunft und Zweckwidmung unklar und "in eventu schwer pfändbar" nicht dargetan.

Hinsichtlich des zweiten von der belangten Behörde herangezogenen Versagungsgrundes entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Abstellen auf "begründete Zweifel" in Art. 32 Abs. 1 lit. b des Visakodex deutlich macht, dass nicht ohne weiteres - generell - unterstellt werden darf, dass Fremde unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin im Schengenraum (unrechtmäßig) aufhältig bleiben. Es bedürfte vielmehr konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung, sodass die Behörde die Versagung eines Visums nicht gleichsam mit einem "Generalverdacht" zu Lasten aller Fremden begründen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0423, mwN).

Auch solche Indizien sind dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführerin - entgegen § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG - auch keine Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme gegeben wurde (vgl. dazu neuerlich das zitierte hg. Erkenntnis vom , mwN).

Da dem vorgelegten Verwaltungsakt nach dem Gesagten keine Grundlage für die Versagung des beantragten Visums entnommen werden konnte, erweist sich die Abweisung des Visumsantrags als inhaltlich rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die § § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am