VwGH 22.10.2015, Ra 2014/16/0018
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | FamLAG 1967 §3 idF 2004/I/142; FamLAG 1967 §55 idF 2005/I/100; |
RS 1 | § 55 FLAG ist dahingehend zu verstehen, dass für Personen, für die am ein Asylverfahren anhängig war, § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes auch für Zeiträume ab dem zunächst noch anzuwenden ist, solange das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0170, und die daran anknüpfende ständige Rechtsprechung). Mit einem Bescheid des (damaligen) unabhängigen Bundesasylsenates ist das Asylverfahren in diesem Sinn abgeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/16/0082). Mit dem (rechtskräftigen) Abschluss eines Asylverfahrens durch den Bescheid des (damaligen) unabhängigen Bundesasylsenates war für die daran anschließenden Monate § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 anzuwenden, unabhängig davon, ob der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gegen den das Asylverfahren beendenden Bescheid aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte oder nicht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/16/0206 E RS 2
(hier nur erster Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des I B in I, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17A, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/3100328/2013, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Mai 2009 bis Februar 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis forderte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug vom Revisionswerber für den Zeitraum Mai 2009 bis Februar 2011 für dessen minderjährige Kinder gewährte Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zurück und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Der Revisionswerber sei im Jänner 2003 nach Österreich eingereist und habe in diesem Monat einen Asylantrag gestellt. Im Juli 2005 sei ihm seine Ehefrau mit einer Tochter nach Österreich gefolgt und hätte ebenfalls einen Asylantrag gestellt. Für die im Mai 2006, im September 2007 und im Jänner 2009 in Österreich geborenen Kinder sei jeweils wenige Tage nach der Geburt ein Asylantrag gestellt worden. Die Asylverfahren seien mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom abweisend beendet worden. Aufenthaltsbewilligungen nach dem NAG seien für die gesamte Familie erst im März 2011 erteilt worden. Der Revisionswerber sei im Streitzeitraum keiner Beschäftigung nachgegangen, seine Ehefrau habe keinerlei Berufstätigkeit ausgeübt. Der Revisionswerber habe für die Familie u.a. im Streitzeitraum durchgehend monatliche Leistungen nach dem Tiroler Grundversorgungsgesetz erhalten. Fest stehe, dass sich der Revisionswerber, seine Ehefrau und das älteste Kind seit ihrer Einreise, die weiteren Kinder jeweils seit der Geburt ständig in Österreich aufgehalten hätten. Alle Familienangehörige seien türkische Staatsangehörige.
Für den Streitzeitraum sei (bis zum Abschluss des Asylverfahrens im Februar 2011) § 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes weiter anzuwenden. Jedoch seien mit der ab wirksamen Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG, die Anspruchsvoraussetzungen für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukomme, explizit geregelt worden.
Der Revisionswerber und seine Ehefrau hätten im Streitzeitraum den Status des subsidiär Schutzberechtigten. Da der Revisionswerber und seine Ehefrau im Streitzeitraum weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig gewesen seien und durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung bezogen hätten, seien die kumulativ erforderlichen Voraussetzungen nach § 3 Abs. 4 FLAG nicht erfüllt und habe deshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe für diesen Zeitraum bestanden.
In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision erachtet sich der Revisionswerber im Recht verletzt, dass Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge) nicht rückgefordert werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG darin, dass das Bundesfinanzgericht die Rechtsfrage unrichtig beantwortet habe, ob im Revisionsfall § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes weiter anzuwenden sei.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
§ 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, lautet:
"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.
(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."
Mit dem Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100, wurde § 3 FLAG geändert und lautete sodann:
"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes ..... oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 ..... rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 ..... gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nachdem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde."
§ 55 Abs. 1 FLAG lautet:
"§ 55. (1) Die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005, treten mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft."
Mit Art. 1 Z 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006 wurden dem § 3 FLAG folgende Abs. 4 und 5 angefügt:
"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
(5) ..."
§ 55 Abs. 3 FLAG lautet:
"(3) § 3 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006 tritt mit in Kraft."
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung des Steuerreformgesetzes 2009, BGBl. I Nr. 26, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher angeführter Höhe für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden.
Das Bundesfinanzgericht geht zutreffend davon aus, dass im Revisionsfall § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes wegen der Übergangsbestimmung in § 55 Abs. 1 FLAG weiterhin anzuwenden ist, weil die Asylverfahren betreffend den Revisionswerber und seine Ehefrau mit Ablauf des (beim damaligen unabhängigen Bundesasylsenat) noch anhängig waren (vgl. jüngst etwa das hg. Erkenntnis vom , 2013/16/0206).
Allerdings sieht das Bundesfinanzgericht in § 3 Abs. 4 FLAG die Rechtsgrundlage, wonach dem Revisionswerber Familienbeihilfe im Streitzeitraum nicht zustünde, weil er den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gehabt und Leistungen aus der Grundversorgung bezogen habe und weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig gewesen sei.
Das Inkrafttreten der Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006 ist durch § 55 Abs. 3 FLAG mit festgelegt, ohne auf die Übergangsbestimmungen des NAG und des AsylG 2005 abzustellen. Daher hat das Bundesfinanzgericht § 3 Abs. 4 FLAG für den Streitzeitraum im Revisionsfall zutreffend für anwendbar gesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2013/16/0082, zu einer Fallgestaltung wie im vorliegenden Revisionsfall, bei welchem § 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes noch und gleichzeitig die dem § 3 FLAG durch das BG BGBl. I Nr. 168/2006 angefügten Abs. 4 und 5 schon anzuwenden waren, ausgesprochen:
"§ 3 Abs. 4 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006 bestimmt lediglich 'Abweichend von Abs. 1 ...'. Da jedoch in Fällen wie im vorliegenden Beschwerdefall § 3 Abs. 1 bis 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes weiterhin anwendbar sind, trifft das 'Abweichend von Abs. 1' nicht die Bestimmung des § 3 Abs. 2 FLAG. Die Voraussetzung des auch hier anwendbaren § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, eines ständigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mindestens sechzig Kalendermonaten, wurde jedoch von der im Jahr 2003 nach Österreich eingereisten Beschwerdeführerin im vorliegend zu beurteilenden Zeitraum vom Juli 2006 bis zum Abschluss des Asylverfahrens (Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom ) zweifellos nicht erfüllt."
Auch im vorliegenden Revisionsfall ist somit § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes weiterhin anzuwenden und von § 3 Abs. 4 FLAG nicht verdrängt.
Der Revisionswerber hielt sich nach der unstrittigen Sachverhaltsfeststellung des Bundesfinanzgerichtes im Streitzeitraum bereits seit mindestens sechzig Kalendermonaten im Bundesgebiet auf und erfüllte demnach den Tatbestand des § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes. § 3 Abs. 4 FLAG bietet deshalb keine Rechtsgrundlage, einen sonst zustehenden Anspruch auf Familienbeihilfe auszuschließen. Dass der Revisionswerber Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge iSd § 26 Abs. 1 FLAG zu Unrecht bezogen hätte, durfte das Bundesfinanzgericht im Revisionsfall somit nicht auf § 3 Abs. 4 FLAG stützen.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am
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Normen | FamLAG 1967 §3 idF 2004/I/142; FamLAG 1967 §55 idF 2005/I/100; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014160018.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAE-91660