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VwGH vom 14.07.2011, 2009/10/0195

VwGH vom 14.07.2011, 2009/10/0195

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Uwe Niernberger und Dr. Angelika Kleewein, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Elisabethstraße 50c, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA11A-32-1370/08-2, betreffend Spitalskostenrückersatz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Krankenanstaltengesellschaft auf Rückersatz der durch die stationäre Behandlung der Patientin R vom 1. bis entstandenen und nicht gedeckten Behandlungskosten in Höhe von EUR 2.543,60 ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Patientin R sei vom 1. bis zur Geburt ihres Kindes im Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz mit der Diagnose "Blasensprung i.d. 41 + 6 SSW" stationär aufgenommen worden. Im Antrag auf Krankenhilfeleistung, welcher einen Tag nach der stationären Aufnahme von der Patientin im Krankenhaus ausgefüllt worden sei, seien folgende Angaben enthalten: geschieden, kein Einkommen, keine Beschäftigung, Lebensunterhalt wird bestritten durch Schwarzarbeit ihres Lebensgefährten (=Kindesvater). Aus dem Auszug des Zentralen Melderegisters gehe hervor, dass die Genannte ab mit Hauptwohnsitz in Graz an einer bestimmt bezeichneten Adresse gemeldet gewesen sei. Aus einem Schreiben der Verwaltungsdirektion des LKH Graz vom gehe hervor, dass laut telefonischer Mitteilung eines Bekannten die Patientin mit ihrem Lebensgefährten auf der Rückreise von einem Begräbnis in Italien gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin habe am einen Antrag auf Spitalskostenrückersatz gestellt mit dem Hinweis, dass auf Grund der durchgeführten Erhebungen das Vorliegen der Hilfsbedürftigkeit der Patientin schlüssig anzunehmen sei.

Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, eine Hilfsbedürftigkeit der Patientin liege insoweit nicht vor, als eine Reiseversicherung gegeben gewesen sei, um diese Kosten abzudecken. Es sei also zum Zeitpunkt der Spitalsbehandlung ein Versicherungsschutz für diesen Zeitraum gegeben gewesen. Dazu werde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/10/0121 angeführt:

"Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Hilfsbedürftigkeit nicht nur dann zu verneinen, wenn ein Hilfesuchender die für seinen Lebensbedarf erforderlichen Mittel tatsächlich von einem Dritten erhält; sie liegt auch dann nicht vor, wenn dem Hilfesuchenden die nach Lage des Falles erforderliche rechtzeitige Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches gegenüber einem Dritten mit Hilfe der Gerichte oder Verwaltungsbehörden möglich und auch zumutbar ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/19/0252, und vom , Zl. 90/19/0032)."

Weiters heiße es dort:

"Im Beschwerdefall hat - nach den unbestrittenen Feststellungen - der Vater der Patientin für diese einen Reiseversicherungsvertrag mit einem rumänischen Versicherungsunternehmen abgeschlossen, durch den die Kosten der beschwerdegegenständlichen Spitalsbehandlungen gedeckt sind. Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung läge Hilfsbedürftigkeit der Patientin nur dann vor, wenn ihr die erforderliche rechtzeitige Durchsetzung des Anspruches - unter Heranziehung ihres gesetzlichen Vertreters - mit Hilfe der Gerichte oder Verwaltungsbehörden nicht möglich oder unzumutbar wäre."

Es werde angeführt, dass die Sozialhilfe keine generelle "Ausfallshaftung" für uneinbringliche Forderungen seitens des Krankenhausträgers darstelle, vielmehr würden Rückersatzleistungen "ausschließlich auf Basis der Voraussetzungen nach § 31 Stmk. SHG erbracht".

Zusammenfassend gelange die belangte Behörde zum Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall eine Hilfsbedürftigkeit im Hinblick auf die Spitalskosten insoweit nicht vorgelegen sei, als für die Zeit des Aufenthaltes in Österreich ein Versicherungsschutz durch eine abgeschlossene Reiseversicherung gegeben gewesen sei, um diese Kosten abzudecken. Der Antrag sei daher abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 31 Abs. 1 Stmk. SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfebedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:


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a)
eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;
b)
die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;
c)
der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.
Gemäß § 4 Abs. 1 SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., dass der Betroffene (hier: die Patientin) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 5 Abs. 1 SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern.
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin damit, dass die in § 31 Abs. 1 lit. a Stmk. SHG normierte Voraussetzung für den Kostenersatz nicht vorliege, weil die Patientin betreffend die Spitalskosten nicht hilfsbedürftig gewesen sei, da für die Zeit des Aufenthaltes in Österreich ein Versicherungsschutz durch eine abgeschlossene Reiseversicherung gegeben gewesen sei, um diese Kosten abzudecken.
Die Beschwerde hält dagegen, aus dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen, weil danach eine Antragsabweisung nur möglich wäre, wenn der Reiseversicherer die Kostendeckung bestätigt hätte, was jedoch nicht der Fall sei. Vielmehr habe der Reiseversicherer offenbar zu Recht unter Hinweis auf die Versicherungsbedingungen eine Kostenübernahme abgelehnt. Mit Fax vom habe nämlich das Versicherungsunternehmen eine Kostenübernahme unter Hinweis auf die Ausschlüsse gemäß Punkt 7 Absatz A, wonach "Schwangerschaft, Geburt, schwangerschaftsspezifische Untersuchungen, Behandlungen, die durch die Schwangerschaft notwendig sind, jedoch um das Leben der Mutter oder des Kindes rettende Maßnahmen sind gedeckt, falls sie jünger als 38 Jahre alt ist und bis maximal in der 38. Schwangerschaftswoche" abgelehnt, weil die Geburt in der "41. + 6. Schwangerschaftswoche" erfolgt sei. Die belangte Behörde hätte bei aktenkonformer Annahme der Tatsachen zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine Reiseversicherung bestanden habe, welche jedoch eine Kostenübernahme abgelehnt habe. Rechtlich hätte sich daraus ergeben, dass der Anspruch auf Spitalskostenrückersatz der Beschwerdeführerin zu Recht bestehe.
Mit diesem Vorbringen wird im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Nach dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/10/0121, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Hilfsbedürftigkeit nicht nur dann zu verneinen, wenn ein Hilfesuchender die für seinen Lebensbedarf erforderlichen Mittel tatsächlich von einem Dritten erhält; sie liegt auch dann nicht vor, wenn dem Hilfesuchenden die nach Lage des Falles erforderliche rechtzeitige Durchsetzung seines Unterhaltsanspruches gegenüber einem Dritten mit Hilfe der Gerichte oder Verwaltungsbehörden möglich und auch zumutbar ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/19/0252, und vom , Zl. 90/19/0032). Weiters wurde in diesem Erkenntnis ausgeführt, es sei im Hinblick auf das Bestehen des Anspruches aus dem Reiseversicherungsvertrag und das Fehlen eines Ansatzpunktes für dessen mangelnde Liquidierbarkeit von der Beschwerdeführerin die Hilfsbedürftigkeit der Patientin nicht glaubhaft gemacht worden. Nach dem dort zu Grunde liegenden Sachverhalt lag nämlich eine Deckungszusage des Versicherers vor und weiters kein Anhaltspunkt für ein Fehlen der Liquidierbarkeit des Anspruchs.
Anders verhält es sich aber im Beschwerdefall: Eine Deckungszusage des Versicherers lag nach dem festgestellten Sachverhalt nicht vor. Mit der Frage, ob ein Anspruch der Patientin auf Deckung der Kosten des stationären Krankenhausaufenthaltes der Patientin aus dem abgeschlossenen Reiseversicherungsvertrag bestünde, hat sich die belangte Behörde auf der Ebene des festzustellenden Sachverhaltes gar nicht befasst. Steht aber gar nicht fest, dass der Patientin ein derartiger Anspruch aus dem Reiseversicherungsvertrag zusteht, kann die Hilfsbedürftigkeit lediglich unter Berufung auf den abgeschlossenen Reiseversicherungsvertrag nicht verneint werden.
Der festgestellte Sachverhalt bietet daher keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass der Patientin ein Anspruch auf Deckung der Spitalskosten durch den Reiseversicherer zustand.
Ausgehend von ihrer - nach dem Gesagten nicht auf einer mangelfreien Grundlage beruhenden - Annahme, die Hilfsbedürftigkeit der Patientin sei im Hinblick auf die Reiseversicherung nicht gegeben gewesen, hat es die belangte Behörde unterlassen, sich unter Bedachtnahme auf die Hinweise der Beschwerdeführerin, die Patientin sei ohne Einkommen und Beschäftigung, mit der Frage auseinander zu setzen, ob die Patientin zur Zeit der Behandlung in der Lage war, deren Kosten aus eigenen Mitteln zu bestreiten.
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-91658