VwGH vom 14.06.2012, 2011/21/0028
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des B in S, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Belgrad vom , betreffend Verweigerung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der 1957 geborene Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er befand sich von 2003 bis 2009 als Asylwerber in Österreich, wo er 2006 eine serbische Staatsangehörige heiratete. Diese verfügt über einen österreichischen Aufenthaltstitel.
Der Asylantrag des Beschwerdeführers blieb erfolglos und er wurde unter einem nach Serbien ausgewiesen. Mit Beschluss vom , Zl. 2006/01/0466, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.
2010 verließ der Beschwerdeführer das Bundesgebiet. Am reiste er jedoch wieder nach Österreich ein, und zwar auf Basis eines ihm von der österreichischen Botschaft Belgrad ausgestellten Visums "C" mit Gültigkeit vom bis .
Am reiste der Beschwerdeführer wieder aus Österreich aus. In der Folge beantragte er bei der österreichischen Botschaft Belgrad die Erteilung eines Visums "D" für einen sechsmonatigen Aufenthalt in Österreich; er möchte zu seiner Ehefrau zurückkehren, weil diese ständige Hilfe im Haushalt und gesundheitliche Betreuung benötige.
Diesen Antrag wies die österreichische Botschaft Belgrad (die belangte Behörde) mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom unter Verwendung des im Visakodex (Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom ) vorgesehenen Formblattes ab. Dabei wurde durch Ankreuzen eines bestimmten Textfeldes (Punkt 9.) zum Ausdruck gebracht, dass nach Auffassung der belangten Behörde die Absicht des Beschwerdeführers, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, nicht habe festgestellt werden können.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde - eine Gegenschrift wurde nicht erstattet - erwogen:
Die belangte Behörde hat sich für ihre Entscheidung - wie erwähnt - des im Visakodex vorgesehenen Formblattes bedient. Dazu ist allerdings anzumerken, dass der Visakodex im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar war. Gemäß seinem Art. 1 Abs. 1 werden mit ihm nämlich die Verfahren und Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von höchsten drei Monaten je Sechsmonatszeitraum festgelegt (vgl. auch Art. 2 Z 2 lit. a Visakodex). Der Beschwerdeführer hat aber die Ausstellung eines Aufenthaltsvisums (Visum "D") nach § 20 Abs. 1 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG für einen Zeitraum von sechs Monaten beantragt. Von daher wäre somit ausschließlich nach den Vorschriften des FPG vorzugehen gewesen.
Dies hätte zunächst einmal erfordert, dass die belangte Behörde die ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen anführt (§ 11 Abs. 2 FPG). Das hat sie unterlassen. Vor allem hätte sie sich aber nicht, wie durch das Ankreuzen des entsprechenden Textfeldes in dem verwendeten Formblatt zum Ausdruck gebracht, auf den Versagungsgrund nach Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex stützen dürfen.
Unter der Annahme, die Wiederausreise des Beschwerdeführers sei nicht gesichert, hätte die belangte Behörde allerdings die Ausstellung des beantragten Visums wegen Nichterfüllung der Erteilungsvoraussetzung nach § 21 Abs. 1 Z 2 FPG verweigern können (zu dieser Bestimmung vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0104). Konkret wurde im besagten Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, dass fremdenrechtlich betrachtet korrektes Vorverhalten eines Visumswerbers regelmäßig der Annahme entgegensteht, seine Wiederausreise sei nicht gesichert. Ein derartiges korrektes Vorverhalten hat der Beschwerdeführer aber jedenfalls rezent gesetzt, indem er vor Ablauf des ihm zuletzt erteilten Visums - soweit ersichtlich unaufgefordert - das Bundesgebiet verlassen hat. Warum für den Fall der Erteilung eines weiteren Visums nunmehr eine andere Vorgangsweise zu erwarten wäre, bleibt offen.
Ergänzend ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde entgegen § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG dem Beschwerdeführer auch keine Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme eingeräumt hat. Der bekämpfte Bescheid war aber schon im Hinblick auf das Vorgesagte wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer insoweit die Verfahrenshilfe bewilligt worden ist.
Wien, am