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VwGH vom 14.07.2011, 2009/10/0192

VwGH vom 14.07.2011, 2009/10/0192

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1. der A H,

2. des J H und 3. des J H, alle in Seeboden, alle vertreten durch Mag. Hannes Gabriel, Rechtsanwalt in 9871 Seeboden, Hauptstraße 84, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom , Zl. KUVS- 1517/13/2006, betreffend naturschutzbehördliche Genehmigung, zu Recht erkannt bzw. den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie von der drittbeschwerdeführenden Partei erhoben wurde, als unzulässig zurückgewiesen.

Über Beschwerde der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei wird der angefochtene Bescheid, soweit er sich auf die Heuhütte bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Kärnten hat der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die drittbeschwerdeführende Partei hat dem Land Kärnten Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten (UVS) vom wurde der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Heuhütte sowie einer Almhütte auf dem Grundstück Nr. 856 KG T. versagt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die in Rede stehende Liegenschaft sei im Flächenwidmungsplan als Grünland für die Land- und Forstwirtschaft ausgewiesen; es handle sich um freie Landschaft im Sinne des § 5 Kärntner Naturschutzgesetz. Die Liegenschaft weise eine Fläche von 13.211 m2 auf. Sie sei nach ihrem Erwerb durch die erst- und zweitbeschwerdeführende Partei im Jahre 1969 aufgeforstet worden. Das bis dahin als Stall genutzte landwirtschaftliche Gebäude (Almhütte) im Ausmaß von 7,90 x 4,70 m sei adaptiert und als Aufenthaltsraum samt Koch- und Abstellmöglichkeit für forstwirtschaftliche Gerätschaften 1979 in Betrieb genommen worden. Im Jahre 2004 sei ein Zubau (Holzlagerraum) im Ausmaß von 28,68 m2 errichtet worden. Das Gebäude verfüge über keine Schlafmöglichkeiten, sondern diene ausschließlich als Aufenthalts- und Lagerraum. Das zweite auf dem Grundstück befindliche Gebäude, ein Heustadel, habe bereits um 1900 bestanden und befinde sich bis auf kleine Dachreparaturen unverändert im Originalzustand.

Mit Schriftsatz vom hätten erst- und zweitbeschwerdeführende Partei die Erteilung der naturschutzrechtlichen Errichtungsbewilligung für die beiden Objekte beantragt. Dem daraufhin eingeholten Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz zu Folge würden die beiden Gebäude nachhaltig nachteilige Auswirkungen auf das Landschaftsbild verursachen. Der hohe Eindruck an Naturbelassenheit des betroffenen Landschaftsraumes (geschlossener Waldbestand) werde durch die Hütten wesentlich gestört. Überdies werde eine Zersiedelung eingeleitet. Dem forstfachlichen Gutachten sei zu entnehmen, dass auch aus forstfachlicher Sicht keine Argumente für eine Bewilligung der beiden Hütten zu entnehmen seien.

Zum Einwand der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei, es handle sich um einen rechtmäßigen Altbestand im Sinne des § 66b Kärntner Naturschutzgesetz, sei zu entgegnen, dass ein Altbestand nur dann vorliege, wenn er seit mindestens 20 Jahren in unveränderter Form bestehe. Da der Holzlagerraum erst im Jahre 2004 zugebaut worden sei, könne daher nicht von einem rechtmäßigen Bestand im Sinne der genannten Bestimmung ausgegangen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Beschwerdelegitimation der drittbeschwerdeführenden Partei bestritten und im Übrigen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die drittbeschwerdeführende Partei zwar während des Verwaltungsverfahrens Eigentum an der in Rede stehenden Liegenschaft erworben. Allerdings ist der angefochtene Bescheid weder gegenüber der drittbeschwerdeführenden Partei ergangen, noch wurde damit über von dieser gestellte Anträge abgesprochen. Der angefochtene Bescheid kann daher Rechte der drittbeschwerdeführenden Partei nicht berühren. Die von dieser erhobene Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.

Über die von der erst- und der zweitbeschwerdeführenden Partei erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Kärntner Naturschutzgesetzes 2002, LGBL. Nr. 79/2002 idF LGBl. Nr. 10/2009 (KNSchG) lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 5

Schutz der freien Landschaft

(1) In der freien Landschaft, das ist der Bereich außerhalb von geschlossenen Siedlungen und der zum Siedlungsbereich gehörigen besonders gestalteten Flächen, wie Vorgärten, Haus- und Obstgärten, bedürfen folgende Maßnahmen einer Bewilligung:

i) die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen auf Grundflächen, die im Flächenwidmungsplan als Grünland ausgewiesen sind;

§ 9

Bewilligungen

(1) Bewilligungen im Sinne der §§ 4, 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 dürfen nicht erteilt werden, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme


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a)
das Landschaftsbild nachhaltig nachteilig beeinflusst würde,
b)
das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt würde oder
c)
der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt würde.

(3) Eine nachhaltige Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes ist jedenfalls gegeben, wenn durch eine Maßnahme oder ein Vorhaben

a) eine Zersiedelung eingeleitet oder fortgesetzt würde

c) der Eindruck der Naturbelassenheit eines Landschaftsraumes wesentlich gestört würde,

(7) Eine Versagung einer Bewilligung im Sinne der §§ 4, 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 darf nicht erfolgen, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Landschaft vor störenden Eingriffen.

§ 66b

Rechtmäßiger Bestand

Für Anlagen, die nach diesem Gesetz einer Bewilligung bedürfen und seit mindestens 20 Jahren bestehen und für die eine Bewilligung auch im Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich war, welche jedoch nicht mehr nachgewiesen werden kann, wird das Vorliegen der Bewilligung vermutet, sofern ihr Fehlen innerhalb dieser Frist behördlich unbeanstandet geblieben ist."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf ein naturkundefachliches und ein forstfachliches Gutachten gestützte Auffassung zu Grunde, die beiden Gebäude, eine Alm- und eine Heuhütte, befänden sich in der freien Landschaft; das betreffende Grundstück sei im Flächenwidmungsplan als Grünland für die Land- und Forstwirtschaft ausgewiesen. Beide Gebäude hätten nachhaltig nachteilige Auswirkungen auf das Landschaftsbild: Der hohe Eindruck an Naturbelassenheit des betroffenen Landschaftsraumes, eines geschlossenen Waldbestandes, werde wesentlich gestört. Überdies werde durch die Errichtung der Hütten eine Zersiedelung eingeleitet. Die beiden Hütten seien für die forstliche Bewirtschaftung weder typisch noch erforderlich, zumal die zu bewirtschaftenden Waldparzellen ein Gesamtausmaß von rund 5,1 ha aufwiesen und Waldarbeiten auf wenige Tage im Jahr beschränkt seien. Eine Heuhütte könne niemals forstlichen Zwecken dienen.

Für die Errichtung der beiden Gebäude sei eine naturschutzrechtliche Bewilligung erforderlich, ein Altbestand im Sinne des § 66b KNSchG liege nicht vor, weil der im Jahre 1979 adaptierte ehemalige Stall im Jahre 2004 durch einen Zubau erweitert worden sei. Ein Altbestand liege aber nur bei unverändertem Bestand vor. Die beantragte Bewilligung sei daher zu versagen gewesen.

Erst- und zweitbeschwerdeführende Partei wenden ein, Gegenstand des Verfahrens seien auf Grund ihres Antrages zwei bestehende Objekte, zu deren Alter und Bestand sie ein umfangreiches Vorbringen erstattet hätten: Die Almhütte sei 1979 aus der Umgestaltung eines Stalles entstanden, ein Zubau sei im Jahre 2004 errichtet worden. Der Zubau sei jedoch ohne weiteres als solcher erkennbar und vom Altbau trennbar. Der seit 1979 unveränderte Altbestand hätte daher für sich als konsensgemäß beurteilt werden müssen. Die beantragte Bewilligung hätte jedenfalls nicht zur Gänze versagt werden dürfen. Dies gelte umso mehr für den Heustadel, der nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides bereits um 1900 bestanden habe und sich bis auf kleinere Dachreparaturen unverändert im Originalzustand befinde. Im Übrigen sei das Kriterium des unveränderten Bestandes dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Die belangte Behörde habe weiters unberücksichtigt gelassen, dass das betroffene Grundstück keineswegs in einer unberührten, naturbelassenen Landschaft liege, sondern in einer "touristischen Kernzone". Im näheren Umkreis befänden sich zwei Almgastwirtschaften, eine Wohnsiedlung mit 5 Wohnhäusern, eine Wohnsiedlung mit 37 Wohnhäusern sowie 5 mit Schlafmöglichkeiten ausgestattete Almhütten. Es könne daher keineswegs davon ausgegangen werden, dass durch die beiden Hütten eine "Zersiedelung" eingeleitet werde. Schließlich seien die beiden Hütten bereits vor Entstehen des Waldbestandes vorhanden gewesen, eine Beeinträchtigung des bestehenden Landschaftsraumes sei daher zum Zeitpunkt ihrer Errichtung gar nicht möglich gewesen.

Soweit erst- und zweitbeschwerdeführende Partei in Ansehung der "Almhütte" auf die Trennbarkeit des Zu- vom Altbau hinweisen und daraus die Bewilligungsfreiheit des Altbaus ableiten, übersehen sie, dass sich ihr Antrag auf Feststellung, es handle sich um einen Altbestand im Sinne des § 66b KNSchG, (in eventu auf Erteilung einer Errichtungsbewilligung) auf eine Holzhütte mit Zubau, somit auf ein einheitliches Objekt bezogen hat. Schon aus diesem Grund kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie angesichts dieses Antrages die "Almhütte" in ihrer Gesamtheit der Beurteilung zu Grunde legte, ohne zu prüfen, ob es bautechnisch grundsätzlich möglich wäre, Teile des Gebäudes vom übrigen Bestand zu trennen.

Was nun die Anwendbarkeit des § 66b KNSchG auf die "Almhütte" anlangt, so sieht diese Bestimmung für Anlagen, die nach diesem Gesetz einer Bewilligung bedürfen und die auch im Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungspflichtig waren, unter bestimmten Voraussetzungen, ua. der des mindestens 20-jährigen Bestandes vor, dass das Vorliegen einer Bewilligung vermutet wird. Vom Vorliegen eines mindestens 20-jährigen Bestandes der dem Antrag zu Grunde liegenden Almhütte kann aber schon wegen des unbestrittenermaßen im Jahre 2004 erfolgten Zubaus, durch den diese wesentlich verändert wurde, keine Rede sein. Die Auffassung der belangten Behörde, das Vorliegen einer naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Almhütte sei nicht zu vermuten, ist daher nicht rechtswidrig.

Der Auffassung der belangten Behörde, die beantragte Bewilligung sei der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei zu versagen, liegt unter anderem die Annahme zu Grunde, durch die Almhütte würde eine Zersiedelung eingeleitet.

Der Begriff der "Zersiedlung" (§ 9 Abs. 3 lit. a KNSchG) wird im Gesetz nicht definiert. Nach der hg. Judikatur ist darunter eine "ohne funktionales Erfordernis oder ohne ortsplanerische Konzeption vorgenommene Bebauung außerhalb geschlossener Siedlungen" zu verstehen. Für die Beurteilung, ob durch ein Bauwerk, das das Merkmal der "Bebauung außerhalb geschlossener Siedlungen" erfüllt, eine "Zersiedelung" eingeleitet oder fortgesetzt wird, ist daher entscheidend, ob das Bauwerk einem funktionalen Erfordernis dient, das heißt ob es für die Bewirtschaftung bestimmter Flächen erforderlich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0147, und die dort zitierte Vorjudikatur). Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf subjektive, in der Person des Bewirtschaftenden, gelegene Umstände an, sondern darauf, ob eine Bewirtschaftung dieser Flächen ohne die Baulichkeit bei objektiver Betrachtung unmöglich wäre (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall besteht nach dem von der belangten Behörde eingeholten forstfachlichen Gutachten schon auf Grund der geringen Größe der zu bewirtschaftenden Flächen (ca. 5,1 ha) kein funktionales Erfordernis für die in Rede stehende Almhütte. Dieser Beurteilung sind die erst- und zweitbeschwerdeführende Partei weder konkret, noch auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die Annahme der belangten Behörde, die Hütte führe zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Charakters des betroffenen Landschaftsraumes im Sinne des § 9 Abs. 3 lit. a KNSchG, weil dadurch eine "Zersiedelung" eingeleitet werde, ist daher nicht rechtswidrig. Daran ändert der Beschwerdehinweis nichts, die Almhütte sei in einer "touristischen Kernzone" gelegen, weil auch damit kein funktionales Erfordernis für die Hütte im dargelegten Sinn aufgezeigt wird. Die Abweisung des Antrages der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei erfolgte somit in Ansehung der Almhütte zu Recht. Insoweit erweist sich die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zu ihrer Abweisung zu führen hatte.

Hingegen hat die belangte Behörde, indem sie auch die um das Jahr 1900 errichtete "Heuhütte" als bewilligungsbedürftig im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. i KNSchG erachtete, die Rechtslage verkannt. Nach der hg. Judikatur handelt es sich nämlich bei einer Anlage, die im Zeitpunkt ihrer Herstellung keiner Bewilligung durch die Naturschutzbehörde bedurfte und seither unverändert besteht, um einen zulässigen, keiner Bewilligung bedürftigen "Altbestand" (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/10/0109, und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein solcher Fall liegt hier vor:

Im Jahre 1900 war für die Errichtung eines Gebäudes in der freien Landschaft eine naturschutzrechtliche Bewilligung nicht erforderlich. Vielmehr wurde das Erfordernis einer naturschutzrechtlichen Bewilligung für Gebäude und sonstige bauliche Anlagen in der freien Landschaft (eingeschränkt auf Grundflächen, die im Flächenwidmungsplan für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind) erstmals im Landschaftsschutzgesetz, LGBL. Nr. 49/1969 in der Fassung LGBL. Nr. 80/1979 normiert. Da die nach den Annahmen des angefochtenen Bescheides bereits 1900 errichtete Heuhütte seit ihrer Errichtung unverändert bestehen blieb, liegt im Sinne der obigen Darlegungen ein zulässiger, keiner Bewilligung bedürftiger Altbestand vor.

Die belangte Behörde hat daher insoweit, als sie dies verkannte, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am