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VwGH vom 23.10.2012, 2009/10/0186

VwGH vom 23.10.2012, 2009/10/0186

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des KJ in L, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Michael Medwed und Mag. Johann Sparowitz, Rechtsanwälte in 8010 Graz, A. Kolpinggasse 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , Zl. BMLFUW-LE.4.1.6/0061-I/3/2009, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom wurde dem Beschwerdeführer unter näherer Bezeichnung der Grundstücke die forstrechtliche Bewilligung zur dauernden Rodung einer Grundfläche von ca. 40.000 m2 versagt.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die - auf sachverständiger Grundlage getroffenen - Feststellungen zugrunde, die Rodungsfläche sei als einheitlich zu betrachtende Funktionsfläche im Waldentwicklungsplan mit der Kennziffer 1 3 1 ausgewiesen; ihr komme jedoch nach dem Gutachten des forstlichen Sachverständigen auch hohe Erholungswirkung zu, weil durch eine angrenzende Siedlung immer mehr Spaziergänger im Waldbereich anzutreffen seien. Darüber hinaus komme dem betroffenen Wald hohe Wohlfahrtswirkung zu; er habe durch die Nähe zur Autobahn bzw. Eisenbahn als Luftfilter und Schallschutz besondere Bedeutung.

Der Beschwerdeführer sei Alleineigentümer der gegenständlichen Grundstücke; er habe im Jahr 2006 von seinen Eltern einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb übernommen und führe diesen als Nebenerwerbsbetrieb mit dem Hauptproduktionszweig Ackerbau (Ölkürbisanbau) fort. Die Ackerbaufläche habe sich durch die Übertragung von 2 ha an die Schwester des Beschwerdeführers auf nunmehr 4 ha reduziert. Durch die Rodung der 4 ha Wald solle der Betrieb in ein Fruchtfolgesystem mit der Hauptfrucht Ölkürbis umgewandelt werden.

Zur Überführung in ein Fruchtfolgesystem, bei dem jeweils nur ein Drittel der Fläche für den Ölkürbisanbau verwendet würde, sei allerdings eine Erweiterung der Anbaufläche von 4 ha auf 8 ha nicht erforderlich, weil auch bei Nutzung der derzeitigen 4 ha in Fruchtfolge eine zeitgemäße Bewirtschaftung möglich sei. Ebensowenig sei es aus technisch-wirtschaftlicher Sicht notwendig, die Anbaufläche zu verdoppeln, um die Existenz des Betriebes zu sichern oder eine zeitgemäße Bewirtschaftung sicherzustellen: Da die Fixkosten überwiegend aus zugekauften Dienstleistungen resultierten, würden diese proportional zur Flächenausweitung ansteigen, nicht aber einen rationelleren Einsatz vorhandener Maschinen bewirken.

Beweiswürdigend legte die belangte Behörde insbesondere dar, weshalb sie die getroffenen Feststellungen hinsichtlich des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers auf zwei Gutachten vom und gestützt habe (und nicht auf die von der Behörde erster Instanz eingeholten landwirtschaftlichen Gutachten). Die forstfachlichen Feststellungen beruhten auf den Gutachten vom und , denen der Beschwerdeführer mit Blick auf die festgestellte hohe Erholungswirkung des Waldes nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei und die er sonst nicht bestritten habe.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, in der festgestellten hohen Erholungs- und Wohlfahrtswirkung der gegenständlichen Waldfläche liege ein besonderes öffentliches Walderhaltungsinteresse im Sinn des § 17 Abs. 2 Forstgesetz 1975 (ForstG), sodass eine Rodungsbewilligung nur nach § 17 Abs. 3 ForstG erteilt werden könnte. Nach den aufgrund der im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten getroffenen Feststellungen ermöglichten die geplante Rodung und Verdoppelung der landwirtschaftlichen Nutzfläche zwar eine Ertragssteigerung für den Beschwerdeführer, die Rodung sei allerdings keine Voraussetzung für den Weiterbestand des Betriebes oder dessen zeitgemäße Bewirtschaftung; die geplante Rodung diene somit nicht im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Agrarstrukturverbesserung im Sinn des § 17 Abs. 4 ForstG (Hinweis u.a. auf das Erkenntnis vom , Zl. 94/10/0121).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Unbeschadet der Bestimmungen des § 17 Abs. 1 ForstG kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 2 ForstG eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

Kann eine Bewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG nicht erteilt werden, kann die Behörde gemäß § 17 Abs. 3 ForstG eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung iSd § 17 Abs. 3 ForstG sind gemäß § 17 Abs. 4 ForstG insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinn des § 17 Abs. 2 ForstG oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinn des § 17 Abs. 3 ForstG hat die Behörde gemäß § 17 Abs. 5 ForstG insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

2. In Hinblick auf § 17 Abs. 2 ForstG liegt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zugrunde, die Erteilung einer Rodungsbewilligung nach dieser Bestimmung komme nicht in Betracht, weil dem von der Rodung betroffenen Wald hohe Wohlfahrts- und hohe Erholungswirkung zukomme. Mangels eines überwiegenden öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche, insbesondere mit Blick auf eine Agrarstrukturverbesserung, könne eine Rodungsbewilligung aber auch nicht nach § 17 Abs. 3 ForstG erteilt werden.

3. Die Beschwerde behauptet Verletzungen von Verfahrensvorschriften insofern, als dem Beschwerdeführer zum einen die im Verfahren erster Instanz eingeholten Gutachten, nämlich die "positiven landwirtschaftlichen Gutachten" vom und vom und das forsttechnische Gutachten vom , niemals gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Möglichkeit einer Stellungnahme zugestellt worden seien und zum anderen die drei im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten unter Einräumung lediglich einer zu kurz bemessenen Frist für eine Stellungnahme übermittelt worden seien; infolge der Zustellung "kurz vor Weihnachten" seien dem Beschwerdeführer wegen der Weihnachtsfeiertage "höchstens zwei Wochen" verblieben, um zu diesen drei umfangreichen Gutachten Stellung zu nehmen.

Allerdings zeigt die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht konkret auf, auf welche Weise der Beschwerdeführer bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel den von der belangten Behörde verwerteten Gutachten konkret und auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wäre, sodass die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dargelegt wird.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das landwirtschaftliche Gutachten vom sowie das - für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers ungünstige - forstfachliche Gutachten vom im erstbehördlichen Bescheid vom zur Gänze wiedergegeben wurden. Insoweit wurde daher ein allfälliger Verfahrensfehler nach ständiger hg. Rechtsprechung durch die mit der Berufung verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert (vgl. die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 45 Rz 40).

Die im Berufungsverfahren eingeholten weiteren drei Gutachten wurden dem Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten am unter Einräumung einer Möglichkeit zur Stellungnahme bis spätestens zugestellt. Die dem Beschwerdeführer damit tatsächlich zur Verfügung stehende Frist von etwa einem Monat ist - auch unter Bedachtnahme auf die Weihnachtsfeiertage - nicht von vornherein als unzureichend anzusehen; im Übrigen hätte der Beschwerdeführer auch die Verlängerung der Frist beantragen können, was er allerdings nicht getan hat.

4. Ausgehend von den aus diesen Gründen nicht zu beanstandenden Feststellungen der belangten Behörde erweist sich auch die Rechtsrüge der Beschwerde als nicht berechtigt:

Angesichts der festgestellten hohen Erholungswirkung und hohen Wohlfahrtswirkung des von der geplanten Rodung betroffenen Waldes hat die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für die Rodung lägen nicht gemäß § 17 Abs. 2 ForstG vor.

Mit Blick auf die zum landwirtschaftlichen Vorhaben des Beschwerdeführers getroffenen Feststellungen hat die belangte Behörde weiters zutreffend das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche im Sinn des § 17 Abs. 3 ForstG verneint:

Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorgenommene Auslegung des Begriffs der "Agrarstrukturverbesserung" im Sinn des § 17 Abs. 4 ForstG ist entgegen dem entsprechenden Beschwerdevorbringen nicht zu beanstanden, ist ein darin begründetes öffentliches Interesse nach ständiger hg. Rechtsprechung ja nur dann zu bejahen, wenn die Rodung eine Maßnahme darstellt, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernis eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig ist (vgl. etwa aus jüngster Zeit das Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0130, mwN). Davon kann allerdings im vorliegenden Fall nach den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides keine Rede sein.

5. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-91641