VwGH vom 18.02.2015, Ro 2014/12/0016

VwGH vom 18.02.2015, Ro 2014/12/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die ordentliche Revision des H P in M, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 142.047/3-I/1/13, betreffend Reisegebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der - mittlerweile im Ruhestand befindliche - Revisionswerber stand im Jahr 2010 als Bezirksinspektor der Bundespolizei in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war die Polizeiinspektion I. Mit (von ihm befolgten) Dienstauftrag vom wurde ihm für denselben Tag Fahndungsdienst auf näher bezeichneten - zum Teil außerhalb des politischen Bezirks seiner Dienststelle gelegenen - Autobahnstrecken aufgetragen; auf der Fahrt zu den vorgeschriebenen Kontrollorten wurden mobile Fahndungen vorgeschrieben. Für diese zwischen 8 Uhr und 17 Uhr durchgeführte Dienstreise vom beanspruchte der Revisionswerber zwei Drittel der in § 13 Abs. 1 Tarif I der RGV 1955 vorgesehenen Tagesgebühr von EUR 27,90 (also EUR 18,60).

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug (im zweiten Rechtsgang) ergangenen Bescheid vom gab die belangte Behörde diesem Antrag nicht statt, erkannte dem Revisionswerber jedoch gemäß § 17 Abs. 2 RGV 1955 für die genannte Reisebewegung eine Reisegebühr in der Höhe von EUR 13,20 (zwei Drittel der Tagesgebühr nach Tarif II) zu.

Begründend führte die belangte Behörde nach detaillierter Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage aus, Dienstreisen seien in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Dies führe dazu, dass die gegenständliche Dienstreise, unter Berücksichtigung der einzelnen Kontrollpunkte und der dazwischenliegenden mobilen Fahndungen, bezirksüberschreitend gewesen sei und daher nicht von der Pauschalierung des § 39 RGV 1955 umfasst werde. Die Gesamtausbleibezeit (8 Uhr bis 17 Uhr) habe unbestritten neun Stunden betragen und begründe somit gemäß § 17 Abs. 1 RGV 1955 einen Anspruch auf Reisegebühren im Ausmaß von zwei Drittel der Tagesgebühr.

Was die Abrechnung dieser Gebühr nach Tarif I oder Tarif II anlange, ergebe sich aus § 17 RGV 1955, insbesondere aus dem Zusammenhang der Abs. 1 und 2, dass der Gesetzgeber zunächst von einer Gesamtausbleibezeit und damit von einem Gesamtausmaß der Tagesgebühren (Teiltagesgebühren) ausgegangen sei. Erst in zweiter Linie sei sodann die Tariffrage zu lösen, wie aus § 17 Abs. 2 RGV 1955 hervorgehe. Nach dieser Bestimmung sei zunächst das Ausmaß der (gemäß § 13 Abs. 2 RGV 1955 nach Tarif I abzugeltenden) Tagesgebühr zu ermitteln, wobei ein Bruchteil unter fünf Stunden unberücksichtigt bleiben müsse. Der Revisionswerber habe von den angeführten neun Stunden der Dienstreise ca. 4 Stunden und 20 Minuten, also weniger als 5 Stunden, außerhalb des politischen Bezirkes I. verbracht. Angesichts der vorliegenden Ausbleibezeit außerhalb des politischen Bezirks von unter 5 Stunden, die laut § 17 Abs. 1 RGV 1955 unberücksichtigt bleibe, bestehe kein Anspruch auf Abgeltung nach Tarif I. Der Gesamtanspruch von zwei Drittel der Tagesgebühr sei daher ausschließlich nach Tarif II zu bemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Revisionswerber macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn im Sinn eines Ausspruchs, dass ihm "die Reisegebühr in der Höhe von EUR 18,60 gebührt", abzuändern oder ihn aufzuheben.

Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - die Akten des Verwaltungsverfahrens samt einer Stellungnahme der belangten Behörde mit dem Antrag vor, die Revision als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Revisionswerber am zugestellt. Aus dem Grunde des § 4 Abs. 1 erster Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbK-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013) war gegen diesen Bescheid die vor dem erhobene Revision zulässig. Für die Behandlung einer solchen Revision gelten, mit hier nicht relevanten Ausnahmen, die mit Ablauf des in Kraft gestandenen Bestimmungen des VwGG. Dies gilt - gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen mit Ablauf des in Kraft gestandene Fassung.

Die ursprünglich als Verordnung auf Grund des § 21 GÜG erlassene RGV 1955 stand nach der Bestimmung des § 92 Abs. 1 GehG nach der Aufhebung der genannten Ermächtigung des GÜG als Bundesgesetz in Geltung. Sie steht auch nach Aufhebung des § 92 GehG durch die Novelle BGBl. Nr. 518/1993 weiterhin auf der Stufe eines Bundesgesetzes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 95/12/0054, und vom , Zl. 2000/12/0098, jeweils mwN).

Auf Grund der Zeitbezogenheit des geltend gemachten Anspruches ist die RGV 1955, BGBl. Nr. 133, in der im April 2010 geltenden Fassung anzuwenden. Zitate der RGV 1955 ohne weitere Angabe beziehen sich auf die Stammfassung.

Das I. Hauptstück der RGV 1955 enthält in seinen §§ 1 bis 38 die "Gemeinsamen Bestimmungen", während ihr II. Hauptstück die (für einzelne nach ihrer Verwendung unterschiedene Beamtengruppen geltenden) "Sonderbestimmungen" (§§ 39 ff) trifft.

Nach § 1 Abs. 1 RGV 1955 haben die Bundesbeamten (§ 1 Abs. 1 des BDG 1979) - im Folgenden kurz Beamte genannt - nach Maßgabe dieser Verordnung Anspruch auf den Ersatz des Mehraufwandes, der ihnen u. a. durch eine Dienstreise (lit. a) oder durch eine Dienstzuteilung (lit. c) entsteht.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 RGV 1955 liegt eine Dienstreise im Sinne dieser Verordnung vor, wenn sich ein Beamter zur Ausführung eines ihm erteilten Dienstauftrages oder auf Grund einer Dienstinstruktion an einen außerhalb des Dienstortes (außerhalb des Ortes der Dienstzuteilung) gelegenen Ort begibt und die Wegstrecke von der Dienststelle zu diesem Ort mehr als 2 Kilometer beträgt.

Dienstort im Sinne dieser Verordnung ist die Ortsgemeinde, in der die Dienststelle liegt, der der Beamte dauernd zur Dienstleistung zugewiesen ist (§ 2 Abs. 5 Satz 1 RGV 1955).

Für eine Dienstreise (Abschnitt II) gebührt dem Beamten u. a. nach § 4 Z. 1 RGV 1955 die Reisekostenvergütung und nach Z. 2 dieser Bestimmung die Reisezulage, die aus der Tages- und der Nächtigungsgebühr besteht.

Im Abschnitt II, Unterabschnitt A: "Reisekostenvergütung" (§§ 5 ff RGV 1955) bestimmt § 5 Abs. 1 leg. cit., dass als Ausgangspunkt und Endpunkt der Reisebewegung die Dienststelle anzusehen ist, der der Beamte zur Dienstleistung zugewiesen ist.

Im Abschnitt II, Unterabschnitt B: "Reisezulage" (§§ 13 ff RGV 1955) ordnet § 13 Abs. 2 lit. a RGV 1955 in der Fassung BGBl. Nr. 158/1967 an, dass die Tagesgebühr nach dem (höheren) Tarif I für die Dauer der Reisebewegung (Hinreise, Weiterreise, Rückreise) - ausgenommen die Reisebewegung gemäß Abs. 3 lit. a - zu berechnen ist.

Die Tagesgebühr wird nach § 13 Abs. 3 lit. a RGV 1955 in der Fassung BGBl. Nr. 158/1967 nach dem (niedrigeren) Tarif II für die Dauer der Reisebewegung (Hinreise, Weiterreise, Rückreise) bei Bezirksreisen, bei denen kein Anspruch auf Nächtigungsgebühr erwächst, berechnet.

Die Dauer einer Dienstreise wird vom Zeitpunkt des Verlassens bis zum Zeitpunkt des Wiederbetretens der Dienststelle berechnet (§ 16 Abs. 1 RGV 1955).

Nach § 17 Abs. 1 RGV 1955 erhält der Beamte für je 24 Stunden der Dienstreise die volle Tagesgebühr. Bruchteile bis zu fünf Stunden bleiben unberücksichtigt. Für Bruchteile in der Dauer von mehr als fünf Stunden gebührt ein Drittel, für mehr als acht Stunden zwei Drittel der Tagesgebühr. Bruchteile von mehr als zwölf Stunden werden als volle 24 Stunden gerechnet.

Das Ausmaß der entfallenden Tagesgebühr wird gemäß § 17 Abs. 2 RGV 1955 einheitlich nach der Gesamtdauer der Dienstreise festgestellt; hievon ist zunächst das Ausmaß der gemäß § 13 Abs. 2 nach Tarif I abzugeltenden Tagesgebühren zu ermitteln, der verbleibende Rest wird nach Tarif II abgegolten.

§ 39 RGV 1955 in der Fassung der zweiten Dienstrechts-Novelle 2009, BGBL. I Nr. 153, lautet auszugsweise:

"Organe des Wachkörpers Bundespolizei sowie rechtskundige Organe bei den Bundespolizeidirektionen

§ 39 (1). Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei der Bezirks- und Stadtpolizeikommanden, Polizeiinspektionen und denen Außenstellen, Fachinspektionen und Außenstellen der Verkehrsabteilungen gebührt für die mit dem Exekutivdienst zusammenhängenden


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1.
Dienstzuteilungen bis zu 24 Stunden oder
2.
Dienstreisen im politischen Bezirk, wenn jedoch ein über den politischen Bezirk hinausgehender Überwachungsrayon festgesetzt ist, im Überwachungsrayon oder
3.
Dienstverrichtung am Dienstort
an Stelle der Tagesgebühren nach dem I. Hauptstück eine monatliche Pauschalvergütung. Für jede in Anspruch genommene Nachtunterkunft gebührt eine Nächtigungsgebühr.

(1a) Abs. 1 ist auf die Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei


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1.
der Landespolizeikommanden,
2.
der Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung
3.
im Büro für besondere Ermittlungen und
4.
im Referat Kraftfahrwesen, Waffen, Ausrüstung des Büros für Budget, Logistik und Infrastruktur
die innerhalb ihres Dienstortes überwiegend im mit dem Exekutivdienst im Zusammenhang stehenden Außendienst verwendet werden, anzuwenden.

(2) ..."

Fallbezogen ist unbestritten, dass die zu beurteilende neunstündige Dienstreise in I., dem Dienstort des Revisionswerbers, begonnen, über den politischen Bezirk I. hinausgeführt und wieder in seinem Dienstort geendet hat. Die Dienstreise ist dabei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in ihrer Gesamtheit zu betrachten und demnach insgesamt als "bezirksüberschreitend" zu werten. Für die von der belangten Behörde vorgenommene "Teilung" findet sich, worauf der Revisionswerber zutreffend hinweist, in der RGV 1955, insbesondere in § 39 oder in § 17 dieser Vorschrift, kein normativer Ansatz (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/12/0098).

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhalts wäre daher eine Abrechnung der Reisezulage nach Tarif I des § 13 Abs. 1 RGV geboten gewesen. Der die gegenteilige Ansicht vertretende angefochtene Bescheid ist demnach mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aus diesem Grunde aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 f VwGG.

Wien, am