VwGH vom 09.09.2015, Ra 2014/16/0001

VwGH vom 09.09.2015, Ra 2014/16/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Hofrat Dr. Mairinger und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der Dr. RW als Masseverwalterin im Sanierungsverfahren des Mag. ES in W, vertreten durch die Austria Treuhand Holding Wirtschaftsprüfung GmbH in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1c/Top 4a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102550/2013, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Haftungsbescheid, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Landesgericht Wiener Neustadt eröffnete mit Beschluss vom über das Vermögen des Mag. S das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung und bestellte die Revisionswerberin als Masseverwalterin.

Mit an die Revisionswerberin gerichtetem Bescheid vom zog das Finanzamt Baden Mödling Mag. S als Gemeinschuldner für Abgabenschuldigkeiten der G GmbH zur Haftung heran.

Mit Schriftsatz vom erhob die A WirtschaftsprüfungsgmbH dagegen Berufung, wobei das Schreiben von Mag. S, der als "Sachbearbeiter" aufschien, unterfertigt war.

Das Finanzamt wies mit dem (an die Revisionswerberin gerichteten) Bescheid vom die Berufung zurück, weil dem Mag. S auf Grund der Bestellung der Revisionswerberin zur Masseverwalterin die Aktivlegitimation zum Einbringen der diesbezüglichen Berufung fehle.

Die Revisionswerberin, vertreten durch die A WirtschaftsprüfungsgmbH, beantragte mit Schriftsatz vom , den Zurückweisungsbescheid vom aufzuheben und die Berufung vom zu behandeln, weil die A WirtschaftsprüfungsgmbH, welche die dagegen erhobene Berufung eingebracht habe, in ihrem Auftrag gehandelt habe. Eine Kopie einer undatierten Vertretungsvollmacht wurde beigelegt.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde zu erledigende Berufung als unbegründet ab, weil die Berufung vom keinen Hinweis auf die von der Revisionswerberin erteilte Vollmacht enthalten habe. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher sich die Revisionswerberin gerade noch ersichtlich im Recht verletzt erachtet, dass über die Berufung vom meritorisch entschieden werde.

Das Finanzamt Baden Mödling unterließ es, eine Revisionsbeantwortung einzubringen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit ihrer Revision zusammengefasst damit, dass das Bundesfinanzgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, weil vor Zurückweisung einer Berufung ein Mängelbehebungsauftrag zu erteilen sei, wenn die belangte Behörde vermeine, dass ein nicht befugter Vertreter einschreite.

Die außerordentliche Revision ist zulässig.

Der Revisionsfall gleicht hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhaltes und der zu beantwortenden Rechtsfrage im Wesentlichen dem mit Erkenntnis vom , 97/13/0090, entschiedenen Fall, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird. Der Gemeinschuldner ist demnach nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Masseverwalters oder neben diesem ein Rechtsmittel gegen einen das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betreffenden Bescheid zu erheben. Die Abgabenbehörde ist aber zur Zurückweisung eines vom Gemeinschuldner selbst erhobenen Rechtsmittels erst dann berechtigt, wenn sie geklärt hat, dass eine Zustimmung des Masseverwalters zu der vom Gemeinschuldner gesetzten Prozesshandlung nicht vorliegt. Die mit dem Abgabenverwaltungsreformgesetz, BGBl. I Nr. 20/2009, erfolgte Änderung des § 85 Abs. 2 BAO, veranlasst den Verwaltungsgerichtshof auch nicht, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Da das Finanzamt diesbezügliche Ermittlungen unterlassen hat und das Bundesfinanzgericht den Zurückweisungsbescheid ebenfalls ohne eine solche Klärung bestätigt hat, erweist sich die Revision auch als begründet.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am