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VwGH vom 23.02.2017, Ra 2014/15/0060

VwGH vom 23.02.2017, Ra 2014/15/0060

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision des Landes Oberösterreich in Linz, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101110/2010, betreffend Energieabgabenvergütung 2004, 2005 und 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Das Land Oberösterreich (im Folgenden: Revisionswerber) ist Träger sozialer Hilfe iSd § 29 des Landesgesetzes über die soziale Hilfe in Oberösterreich (im Folgenden: Oö SHG 1998) und betreibt zur Besorgung der damit verbundenen Aufgaben mehrere Landespflege- und Betreuungszentren (im Folgenden: Pflege- und Betreuungszentren). Die Pflege- und Betreuungszentren stellten für die Jahre 2004, 2005 und 2006 Anträge auf Vergütung von Energieabgaben.

2 Das Finanzamt setzte die Energieabgabenvergütungen erklärungsgemäß fest.

3 Im Jahr 2010 fand beim Revisionswerber eine abgabenbehördliche Prüfung statt, bei der der Prüfer u.a. die Feststellung traf, dass das jeweilige Pflege- und Betreuungszentrum der Abteilung für Soziales Verpflegungskosten wie folgt in Rechnung stelle: "Name betreute Person x Anzahl Betreuungstage x Pflegegebührentagsatz = Summe der Verpflegungskosten je Monat". Bis einschließlich 2007 seien die kostendeckenden Tagsätze der Pflege- und Betreuungszentren von der Abteilung Gebäude und Beschaffungsmanagement ermittelt und von der Abteilung für Soziales vergütet worden. Fremde (Dritte) Leistungsanbieter (im Folgenden: Vertragsanstalten) verrechneten ebenfalls Verpflegungskosten an die Abteilung für Soziales, wobei hier auch Umsatzsteuer (idR 10%) verrechnet werde. Anders als mit eigenen Pflege- und Betreuungszentren würden mit Vertragsanstalten Leistungsverträge abgeschlossen, die u.a. die Finanzierung regelten. Gemäß § 60 Abs. 3 Oö SHG 1998 sei ein kostendeckendes Entgelt vorgesehen. Die Verpflichtung des Revisionswerbers zur Kostenübernahme habe sich bis aus den §§ 7 und 27 des Landesgesetzes über die Hilfe (Förderung und Betreuung) für behinderte Menschen (Oö BhG 1991) ergeben; seit ergebe sich diese aus § 8 des Landesgesetzes betreffend die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen (Oö ChG). Bei der Berechnung der Energieabgabenvergütung seien gemäß § 1 Energieabgabenvergütungsgesetz alle steuerbaren Leistungen zu berücksichtigen. Das Konzept der Vergütung stelle auf den einzelnen Betrieb ab. Es sei der Nettoproduktionswert für den konkreten Betrieb zu ermitteln, weshalb Innenumsätze bzw. Einnahmen aus internen Leistungsverrechnungen zwischen verschiedenen Betrieben eines Unternehmens zu berücksichtigen seien. Die Verpflegungskostenvergütungen der Pflege- und Betreuungszentren seien daher - so wie die den Pflege- und Betreuungszentren zugewiesenen Ausgaben - als steuerbar im Sinne des § 1 Energieabgabenvergütungsgesetz zu behandeln. Dies sei insbesondere aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten, weil Vertragsanstalten, die Vergütungen für Unterbringungen nach dem Sozialhilfegesetz erhielten, diese als Einnahme berücksichtigten. Die Außerachtlassung der Vergütungen bei den vom Revisionswerber betriebenen Pflege- und Betreuungszentren würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen, weil sich bei Vertragsanstalten (infolge eines Personalkostenanteils von 70 bis 80% und des daraus resultierenden hohen Nettoproduktionswertes) in der Regel kein Vergütungsbetrag ergebe. Auch wenn die hier in Rede stehenden Pflege- und Betreuungszentren unstrittig Teil des Fürsorgebereichs des Revisionswerbers seien, sei für die Berechnung der Energieabgabenvergütung auf den konkreten vergütungsfähigen Betrieb abzustellen. Dies mit der Konsequenz, dass dem Betrieb alle Vergütungen zuzurechnen seien, die er für die von ihm erbrachten Leistungen erhalte.

4 Das Finanzamt folgte dem Prüfer, verfügte die Wiederaufnahme der Verfahren und setzte die Vergütungsbeträge für die Jahre 2004, 2005 und 2006 je Pflege- und Betreuungszentrum neu fest, wobei es die vom Revisionswerber gedeckten Pflegekosten als steuerbare Leistung iSd § 1 Energieabgabenvergütungsgesetz in die Berechnung des Nettoproduktionswertes einbezog.

5 Der Revisionswerber berief gegen die im Gefolge der abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Bescheide und räumte ein, dass jene Vergütungen, die Vertragsanstalten für Unterbringungen nach dem Sozialhilfegesetz erhielten, als steuerbare Umsätze zu qualifizieren seien, zumal es sich bei diesen Zahlungen um Entgelt von dritter Seite handle. Eine andere Sichtweise sei hinsichtlich der Vergütungen an die eigenen Pflege- und Betreuungszentren geboten, weil der Revisionswerber Träger des öffentlichen Fürsorgewesens sei. Er sei per gesetzlicher Fiktion des § 2 Abs. 4 UStG 1994 Unternehmer und falle unter die unechte Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994. Das UStG 1994 enthalte eine Reihe von Bestimmungen, aus denen sich ergebe, dass das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers umfasse. Demnach bildeten mehrere Betriebe desselben Unternehmens in ihrer Gesamtheit das Unternehmen, und zwar auch dann, wenn die einzelnen Betriebe wirtschaftlich und organisatorisch voneinander verschieden seien. Die Einheit des Unternehmens schließe also schon begrifflich umsatzsteuerbare Leistungen zwischen den Betrieben eines eine Einheit bildenden Unternehmens aus, zumal ein Unternehmer nicht an sich selbst umsatzsteuerbare Leistungen erbringen könne. Die Pflege- und Betreuungszentren seien als antragstellende Betriebe (gewerblicher Art) dem Träger des öffentlichen Fürsorgewesens zugeordnet. Die Abteilung für Soziales sei das Leitungsorgan des Trägers des öffentlichen Fürsorgewesens. Sie ermittle die tatsächlichen Ausgaben für die vom Träger des öffentlichen Fürsorgewesens selbst geführten Pflege- und Betreuungszentren und den daraus resultierenden Finanzbedarf, wobei es sich hier um eine rein interne Zuordnung und Verbuchung handle. Damit sei im gegenständlichen Fall von einer nicht umsatzsteuerbaren Abgangsdeckung auszugehen, die der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens für seine eigenen Einrichtungen leiste. Es handle sich nicht um eine Leistungsbeziehung mit einem fremden Dritten. Auch ein Entgelt von dritter Seite liege nicht vor.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch das Bundesfinanzgericht - die belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet - erwogen hat:

8 Die §§ 1 und 2 des Energieabgabevergütungsgesetzes in der für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 92/2004 lauten auszugsweise:

"§ 1. (1) Die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs. 3 genannten Energieträger sind für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5% des Unterschiedsbetrages zwischen

1. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 und

2. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die an das Unternehmen erbracht werden,

übersteigen (Nettoproduktionswert).

(...)

§ 2. (1) Ein Anspruch auf Vergütung besteht für alle Betriebe, soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger liefern oder Wärme (Dampf oder Warmwasser) liefern, die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde."

9 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom , 2010/17/0144, zu Recht erkannt, dass die Kostenabdeckung eines Sozialversicherungsträgers für Leistungen, die an die eigenen Versicherten erbracht würden, einen Eigenverbrauch darstelle. Ein Vergleich mit Sozialversicherungsträgern sei aber unzutreffend, weil es sich bei Versicherungsverhältnissen um eine Leistungs- /Gegenleistungsbeziehung handle. Demgegenüber sei die Sozialhilfe eine subsidiäre Fürsorgeleistung, die nur erbracht werde, wenn eigene Ressourcen und Leistungen Dritter nicht mehr ausreichten, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Die Finanzierung erfolge aus Steuermitteln, daher könne die Kostentragung des Fürsorgeträges in eigenen Einrichtungen keinen Eigenverbrauch darstellen. Abgesehen davon würden Fürsorgeträger gemäß der Fiktion des § 2 Abs. 4 Z 1 UStG 1994 umsatzsteuerlich keine Hoheitssphäre aufweisen, weil ihre Tätigkeit insgesamt als gewerblich oder beruflich fingiert werde. Der Aufwand des Fürsorgeträgers diene somit jedenfalls Zwecken des Unternehmens, weshalb ein allfälliger Eigenverbrauch gar nicht denkbar sei.

10 Die Revision ist zulässig aber nicht begründet. 11 Die Regelung des § 2 Abs. 4 Z 1 UStG 1994 betreffend die Unternehmereigenschaft von Trägern der öffentlichen Fürsorge muss in Zusammenhang mit der unechten Steuerbefreiung für diese Unternehmer in § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 gesehen werden (vgl. Achatz/Ruppe, UStG4, § 2 Tz 225). Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 7 UStG ist in Umsetzung von Art 13 Teil A Abs. 1 lit. g der bis anzuwendenden Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: 6. RL), der Art. 132 Abs. 1 lit. g der mit in Kraft getretenen Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: MwStSystRL) entspricht, ergangen (vgl. ErlRV 1715 BlgNR 18. GP 52); diese Richtlinienbestimmung sieht eine Steuerbefreiung für Dienstleistungen (und Lieferungen) im Bereich der sozialen Sicherheit und Sozialfürsorge vor. Aus Art. 4 Abs. 2 und Abs. 5 der 6. RL, der Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 1 und Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 der MwStSystRL entspricht, ergibt sich, dass auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts nur im Bereich ihrer wirtschaftlichen Betätigungen Unternehmer sein können (vgl. das , C-369/04, T-Mobile Austria u.a.). Aufgrund der genannten Richtlinienbestimmungen kann sohin § 2 Abs. 4 UStG Z 1 1994 nur dahingehend interpretiert werden, dass Körperschaften öffentlichen Rechts auch im Bereich der öffentlichen Fürsorge nur insoweit Unternehmereigenschaft zukommt, als sie wirtschaftliche Betätigungen (etwa Betrieb eines Pflegeheimes) entfalten, also Lieferungen und Dienstleistungen erbringen.

12 Im gegenständlichen Fall erstreckt sich die Unternehmereigenschaft des Revisionswerbers somit auf die von ihm selbst geführten Pflege- und Betreuungszentren, welche an dort untergebrachte bzw. betreute Personen entgeltliche Leistungen erbringen. Der Revisionswerber kann aber nicht in seiner Gesamtheit Unternehmer sein.

13 Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel, dass die von den Pflege- und Betreuungszentren des Revisionswerbers an hilfsbedürftigen Personen unentgeltlich erbrachte Leistungen dem Tatbestand des § 3a Abs. 1a Z 2 1. Teilstrich UStG 1994 (früher § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994) subsumiert werden können. Mit der Versorgung der Hilfebedürftigen kommt der Revisionswerber seinem gesetzlichen Auftrag nach. Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht von jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/17/0144, zugrunde lag (vgl. auch ). Wenn die hilfebedürftige Person kein Entgelt an die vom Revisionswerber geführten Pflege- und Betreuungszentren leistet, sondern der Aufwand von der öffentlichen Hand getragen wird, dann liegt - jedenfalls für die Bemessung der Energieabgabenvergütung - auch dann ein Eigenverbrauch vor, wenn der öffentlichen Hand ein teilweiser Regress offensteht.

14 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am