VwGH vom 28.08.2012, 2011/21/0008
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der B, vertreten durch die Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in 1220 Wien, Wagramer Straße 135, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Peking vom , betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Mongolei und seit mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet.
Am stellte die Beschwerdeführerin bei der Österreichischen Botschaft in Peking den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums D" zum Zweck der "Familienzusammenführung" mit ihrem in Wien lebenden Ehegatten. Dem Antrag angeschlossen waren u.a. eine dem Ehemann ausgestellte Auftragsbestätigung vom betreffend die Überweisung von EUR 262,68 an seine Vermieterin mit dem Beisatz "monatliche Zinskosten 2010", ein gleichartiger Beleg über EUR 148,95 vom mit der Anmerkung "Abrechnung 2010 nur im August" sowie eine Bestätigung vom , aus der sich monatliche Unterhaltszahlungen des Ehemannes an seinen Sohn von EUR 325,-- ergeben. Einer Gehaltsbestätigung vom zufolge verdiente ihr Ehemann als Installateur EUR 1.500,-- netto monatlich. Die Beschwerdeführerin selbst geht keiner Beschäftigung nach.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag unter Verwendung des im Visakodex, Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , vorgesehenen Formblattes ab. Dabei wurde durch Ankreuzen eines bestimmten Textfeldes (Punkt 3) zum Ausdruck gebracht, die Beschwerdeführerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass sie über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts oder für die Rückkehr in ihren Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat verfüge, in dem ihre Zulassung gewährleistet sei, oder sie sei nicht in der Lage, diese Mittel rechtmäßig zu erlangen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der bekämpfte Bescheid auf Basis der bei seiner Erlassung geltenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist. Soweit im Folgenden von Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG die Rede ist, wird daher auf die im Dezember 2010 gültige Fassung Bezug genommen.
Die belangte Behörde hat sich für ihre Entscheidung - wie erwähnt - des im Visakodex vorgesehenen Formblattes bedient. Dazu ist allerdings anzumerken, dass der Visakodex im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar war. Gemäß seinem Art. 1 Abs. 1 werden mit ihm nämlich die Verfahren und Voraussetzungen für die Erteilung von Visa für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von höchstens drei Monaten je Sechsmonatszeitraum festgelegt. Die Beschwerdeführerin hat aber - wenn auch ohne Angabe der beabsichtigten Dauer ihres Aufenthaltes - die Ausstellung eines Aufenthaltsvisums (Visum "D") nach § 20 Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG beantragt. Dadurch ergibt sich unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 5 vierter Satz FPG noch erkennbar, dass ein drei Monate übersteigender Aufenthalt in Österreich angestrebt wurde. Von daher wäre daher ausschließlich nach den Vorschriften des FPG vorzugehen gewesen.
Dies hätte zunächst erfordert, dass die belangte Behörde die ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen anführt (§ 11 Abs. 2 FPG). Vor allem hätte sie sich aber nicht, wie durch das Ankreuzen des entsprechenden Textfeldes in dem verwendeten Formblatt zum Ausdruck gebracht, auf den Versagungsgrund nach Art. 32 Abs. 1 lit. a sublit. iii des Visakodex stützen dürfen (vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0028).
Im Übrigen leidet der angefochtene Bescheid zwar - wie in Erwiderung des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens anzumerken ist - nicht schon deshalb an einem Begründungsmangel, weil er sich auf das Ankreuzen eines Textbausteines beschränkte, ohne auf den konkreten Fall Bezug zu nehmen und dazu Feststellungen zu treffen. Diese Vorgangsweise entspräche vielmehr - sofern der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt im Akt nachvollziehbar wäre - den besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden (vgl. § 11 FPG und dazu grundlegend den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/21/0216; ebenso etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0423, mwN).
Dies ist hier jedoch - selbst wenn man von der erwähnten unrichtig herangezogenen Rechtsgrundlage absieht, auf die der angefochtene Bescheid gestützt wurde - nicht der Fall:
Gemäß § 21 Abs. 5 FPG stehen öffentliche Interessen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt und für die Wiederausreise verfügt (Z. 2) oder der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs (Z. 3).
Die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang - zudem erstmals in der Gegenschrift - als Grundlage ihrer Entscheidung dargestellte Annahme, den erwähnten monatlichen Nettoeinkünften des - unstrittig den Aufenthalt der Beschwerdeführerin finanzierenden - Ehemannes von EUR 1.500,-- stünden Belastungen von EUR 1.000,-- pro Monat gegenüber, kann aus der - eingangs insoweit wiedergegebenen - Aktenlage nicht nachvollziehbar abgeleitet werden. Das dem Inhalt nach zur Antragsabweisung herangezogene Fehlen ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0560) ist hieraus somit nicht ersichtlich. Auch wurde die im Antrag verschwiegene Dauer des beabsichtigten Aufenthalts im Verfahren nicht abgeklärt.
Der Aktenlage lässt sich darüber hinaus auch nicht entnehmen, dass die belangte Behörde die nach § 21 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 4 FPG erforderliche Interessenabwägung, die angesichts des beabsichtigten Besuchs des in Österreich lebenden Ehemannes indiziert gewesen wäre, vorgenommen hätte (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/21/0578, und vom , Zl. 2009/21/0215).
Dazu kommt als weitere Verletzung von Verfahrensvorschriften, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin entgegen § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG keine Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme gegeben hat (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0344).
Der angefochtene Bescheid war aber schon im Hinblick auf die eingangs dargestellte Unrichtigkeit wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am