VwGH vom 27.11.2012, 2009/10/0169
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landes Salzburg als Sozialhilfeträger, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. SO-130407/11-2008-Heu, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom wurden der im Jahr 1928 geborenen J K. gemäß §§ 6, 7, 8, 17 und 29 des Salzburger Sozialhilfegesetzes die Aufenthaltskosten in einem näher bezeichneten Seniorenheim in G. ab bis in Höhe von täglich EUR 38,95 aus Sozialhilfemitteln abzüglich der Eigenleistung gewährt.
Mit Schreiben vom sowie vom ersuchte das Land Salzburg den Sozialhilfeverband Braunau am Inn um Anerkennung der Kostenerstattungspflicht. Begründet wurde dieses Ersuchen damit, dass sich Frau K. während der letzten sechs Monate vor der Antragstellung zumindest durch fünf Monate "im dortigen Zuständigkeitsbereich tatsächlich aufgehalten" habe.
Dieses Ersuchen wurde vom Sozialhilfeverband Braunau am Inn mit Schreiben vom bzw. abgelehnt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 17 Abs. 5 Oberösterreichisches Sozialhilfegesetz (Oö. SHG 1998) ein Rechtsanspruch auf Hilfe in stationären Einrichtungen nur dann bestehe, wenn der Pflegebedarf nicht durch andere Hilfen gemäß § 12 Oö. SHG 1998 abgedeckt werden könne. Frau K. besitze lediglich einen Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2. In der Praxis habe sich herausgestellt, dass den Pflegestufen auch "eine gewisse Indizwirkung hinsichtlich der 'Heimbedürftigkeit', also des Vorliegens eines Rechtsanspruches auf Unterbringung in einer stationären Einrichtung zuzubilligen" sei. In Anwendung der Bestimmungen des Oö. SHG 1998 stehe Frau K. zweifelsfrei kein Rechtsanspruch auf Hilfe in stationären Einrichtungen zu, da der notwendige Pflegebedarf durch die im § 12 Abs. 2 Z. 1 Oö SHG 1998 aufgelistete aktivierende Betreuung und Hilfe (ua. Mobile Betreuung und Hilfe, Hauskrankenpflege etc.) - allenfalls auch im Rahmen von betreutem Wohnen - abgedeckt bzw. sichergestellt werden könne.
Mit Schreiben vom stellte das Land Salzburg daraufhin einen Antrag auf Entscheidung gemäß Art. 7 der Vereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde unter Berufung auf "§§ 17, 29 und 62 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 (Oö. SHG 1998) idgF. iVm der Ländervereinbarung über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe (vgl. die Anlage zur Verordnung LGBl. Nr. 83 idF. LGBl. Nr. 102/1999 …), iVm §§ 56 ff AVG" aus, dass der Sozialhilfeverband Braunau am Inn nicht verpflichtet sei, dem Land Salzburg die im Rahmen der Unterbringung von Frau K. angefallenen Kosten zu ersetzen.
Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens legte die belangte Behörde dar, auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass Frau K. lediglich über ein Pflegegeld der Stufe 2 verfüge. Dieser Umstand indiziere, dass nur ein geringer Pflegebedarf (75 bis 120 Stunden pro Monat) gegeben sei, der, sofern keine sonstigen Umstände (wie zB. geistige oder psychische Behinderung iSd § 17 Oö SHG 1998) hinzutreten würden, üblicherweise durch die erwähnten Maßnahmen der aktivierenden Betreuung und Hilfe abgedeckt werden könne.
Vor ihrer Aufnahme in das Seniorenheim G. (am ) habe Frau K. alleine an einer näher genannten Adresse in Braunau gelebt, wo sie seit einem Schlaganfall im Jahr 2004 durch eine Heimhilfe im Ausmaß von neun Stunden monatlich durch 10 Hausbesuche mobil betreut worden sei.
Aus den eingeholten pflegfachlichen Gutachten gehe hervor, dass Frau K. zum Zeitpunkt des Einzuges in das Seniorenheim G. zwar Unterstützung in den Aktivitäten des täglichen Lebens benötigt habe, sie jedoch in der Lage sei, ein selbständiges Leben zu führen. Weiters werde im Gutachten festgehalten, dass zur Unterstützung der selbständigen Lebensführung mit einer Betreuung durch mobile Dienste (weiterhin) das Auslangen gefunden werden könne.
In rechtlicher Hinsicht sei von § 62 Oö. SHG 1998 auszugehen. Danach könne in Vereinbarungen mit anderen Bundesländern gemäß Art. 56 Abs. 2 L-VG 1991 für den Fall Vorsorge getroffen werden, dass Hilfeempfänger, denen nach den Rechtsvorschriften eines anderen Bundeslandes Hilfe wegen eines Bedarfes geleistet werde, auf dessen Deckung nach diesem Landesgesetz ein Rechtsanspruch bestehe, während einer in der Vereinbarung zu bestimmenden Frist vor der Leistung dieser Hilfe ihren Hauptwohnsitz (Aufenthalt) in Oberösterreich gehabt hätten. Dabei könne festgelegt werden, dass die Träger sozialer Hilfe entweder Kostenersatz in der Höhe der tatsächlichen Kosten der Hilfeleistung im anderen Bundesland oder aber Ersatz der Kosten zu leisten hätten, die angefallen wären, wenn soziale Hilfe nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes geleistet worden wäre. Gegenseitigkeit müsse gewährleistet sein.
§ 62 Abs. 2 Oö. SHG normiere, dass die Landesregierung die Pflichten, die sich aus einer Vereinbarung gemäß Abs. 1 leg. cit. ergäben, mit Verordnung umzusetzen habe.
Ein Kostenersatz komme daher - unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit - nur in Frage, wenn eine Hilfe wegen eines Bedarfes (iSd § 62 Oö SHG 1998) geleistet werde, auf dessen Deckung nach dem Oö. SHG 1998, ein Rechtsanspruch bestehe und für die jeweils geltend gemachte konkrete Leistung eine Kostenersatzpflicht nach den in der Verordnung LGBl. Nr. 83/1973 idF LGBl. Nr. 102/1999 wiedergegebenen Bestimmungen der erwähnten Ländervereinbarung gegeben sei.
Während § 63 Oö. SHG 1998 vom "Bedarf" spreche, gehe der "im Verordnungsrang stehende Text der Ländervereinbarung" vom Begriff der "Leistungen" aus. Aus Art. 5 Abs. 2 lit. c der Ländervereinbarung ergebe sich, dass Kosten für "Leistungen", die in den für den verpflichteten Träger geltenden Vorschriften in der Art nicht vorgesehen seien, kein Kostenersatz gebühre. Der Begriff "Bedarf" sei der weitere als der Begriff der "Leistung"; der "Bedarf" umschreibe die Notsituation, während die "Leistung" die zur Bewältigung einer bestimmten Notsituation, also eines Bedarfes, gewährte Maßnahme beschreibe.
Es sei daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die in Salzburg erbrachte Hilfeleistung einen Bedarf decke, für den im Oö SHG 1998 eine Bedarfsdeckung - und zwar mit Rechtsanspruch - vorgesehen sei.
In diesem Zusammenhang bestimme § 17 Abs. 5 Oö. SHG 1998, dass auf Hilfe in stationären Einrichtungen nur ein Rechtsanspruch bestehe, sofern der Pflegebedarf nicht durch andere Hilfen gemäß § 12 leg. cit. abgedeckt werden könne und die Zusicherung der Hilfeleistung durch den Träger der Einrichtung vorliege.
§ 12 Abs. 2 Z. 1 (lit a) Oö. SHG 1998 sehe die mobile Betreuung und Hilfe vor, die gemäß Abs. 3 leg. cit. auch in betreubaren Wohnungen erbracht werden könne.
Der bei Frau K. festgestellte Pflegegeldanspruch der Stufe 2 indiziere, dass nur ein geringer Pflegebedarf gegeben sei, der durch die aktivierenden Maßnahmen nach § 12 Oö. SHG 1998 abgedeckt werden könne.
Der vorliegende Bescheid der BH Salzburg-Umgebung vom könne nicht "weiterhelfen", zumal § 17 des Salzburger Sozialhilfegesetzes neben der Unterbringung in Anstalten oder Heimen wegen besonderer Pflege auch den Fall kenne, dass der Hilfe Suchende auf Grund der familiären und häuslichen Verhältnisse nicht imstande sei, ein selbständiges und unabhängiges Leben zu führen. Dieser letzte Grund werde aber im Oö. SGH 1998 nicht (mehr) als anspruchsbegründend anerkannt. Es sei daher bei einer umfassenden Würdigung der bekannten Umstände im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass kein Bedarf vorgelegen sei, der einen Rechtsanspruch nach dem Oö. SHG 1998 begründen könnte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z. 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Dem angefochtene Bescheid liegt im Wesentlichen die Auffassung zu Grunde, dem Land Salzburg gebühre der Ersatz der gegenüber Frau K. erbrachten Sozialhilfeleistungen deshalb nicht, weil Frau K. keinen Anspruch auf Unterbringung in einem Seniorenheim nach § 17 Abs. 5 Oö. SHG 1998 gehabt hätte.
Der vorliegende Beschwerdefall gleicht hinsichtlich Sachverhalt, maßgeblicher Rechtslage und Rechtsfrage dem mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/10/0220, entschiedenen Beschwerdefall (vgl. auch das darauf verweisende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0002). Aus den dort genannten Erwägungen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet.
Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid (bzw. näher in der Gegenschrift) im Besonderen darauf verweist, dass § 62 Abs. 1 Oö. SHG 1998 auf eine konkrete Bedarfssituation und nicht auf eine "Leistung" abstelle, ist dem entgegen zu halten, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung für die Frage der Kostenersatzpflicht nach der erwähnten Ländervereinbarung abstrakt auf den jeweiligen Leistungstypus abzustellen ist bzw. es nicht auf das Vorliegen eines konkreten Leistungsanspruches nach den gesetzlichen Bestimmungen des zum Kostenersatz verpflichteten Landes ankommt (vgl. neben den erwähnten Erkenntnissen vom und etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/08/0590, vom , Zl. 2002/10/0085, vom , Zl. 2005/10/0100 und vom heutigen Tag, Zl. 2011/10/0115). Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Das Kostenbegehren war abzuweisen, weil für die nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachte Beschwerde gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG kein Schriftsatzaufwand gebührt (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Wien, am
Fundstelle(n):
AAAAE-91607