VwGH vom 19.06.2012, 2011/18/0276
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S E E in W, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/59/11302/2011-4, betreffend Rückkehrentscheidung (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, eine auf § 52 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützte Rückkehrentscheidung und setzte gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen.
Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge am illegal nach Österreich eingereist und habe noch am gleichen Tag einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Seit sei seine am mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe rechtskräftig geschieden. Der Beschwerdeführer verfüge über keinen Aufenthaltstitel, gehe keiner Beschäftigung nach und weise nach der Auflösung seiner Ehe keine weiteren familiären Bindungen im Bundesgebiet auf.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 52 Abs. 1 FPG aus, in Ansehung des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer nach negativer Entscheidung seines Asylverfahrens und der Auflösung seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, lägen die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG vor. Es treffe zwar zu, dass die Ausweisung (gemeint: Rückkehrentscheidung) vor dem Hintergrund der langen Dauer des Asylverfahrens und des damit verbundenen mehrjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet einen erheblichen Eingriff in dessen Privatleben darstelle. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als notwendig, um die im Art. 8 EMRK genannten Ziele, insbesondere die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zu erreichen. Der gesamte bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers gründe auf einem Asylantrag, der sich letztlich als nicht berechtigt erwiesen habe. Der Beschwerdeführer habe sich dem Asylverfahren phasenweise zufolge unbekannten Aufenthaltes entzogen und verfüge in Österreich weder über familiäre Bindungen noch gehe er einer geregelten Beschäftigung nach.
Die erstinstanzlich ausgesprochene Ausweisung sei mit der Maßgabe zu bestätigen, dass infolge der Änderung des FPG durch das FrÄG 2011 anstelle der Ausweisung eine Rückkehrentscheidung zu treffen gewesen sei. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG (in der Fassung des FrÄG 2011) sei die mit einer Rückkehrentscheidung zu verbindende Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen festgesetzt worden.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 1 erster Satz FPG (idF des FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) ist gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG (in der Fassung des FrÄG 2011) samt Überschrift lautet:
"Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
…
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. …"
Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren mehrmals vorbrachte, über einen von Spanien ausgestellten Aufenthaltstitel zu verfügen. So gab er in einem an die Bundespolizeidirektion Wien gerichteten Schreiben vom unter Vorlage eines Flugtickets von Wien nach Madrid für den bekannt, im Besitz eines spanischen Aufenthaltstitels zu sein und demnächst aus Österreich auszureisen, weshalb um Abstandnahme von fremdenpolizeilichen Maßnahmen ersucht werde. Auch im Zuge einer Vernehmung am gab er gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien an, er sei seit Juli 2009 im Besitz eines "spanischen Visums", welches fünf Jahre gültig sei, wohne derzeit in Spanien, habe auch in Österreich "eine Meldung", fahre "immer hin und her" und sei vor einer Woche "von der Tschechei" nach Österreich eingereist.
Mit diesem Vorbringen setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aufgrund Verkennung der Rechtslage überhaupt nicht auseinander. Daher befasste sie sich auch nicht mit einem auf § 31 Abs. 1 Z 3 FPG beruhenden Recht des Beschwerdeführers zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet (vgl. dazu des Näheren das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0554, sowie dem folgend die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/22/0917, und vom , Zl. 2011/23/0648).
Sohin hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-91605