VwGH vom 19.10.2016, Ra 2014/15/0039

VwGH vom 19.10.2016, Ra 2014/15/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Finanzamtes Spittal Villach in 9500 Villach, Meister-Friedrich-Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100325/2012, betreffend Einkommensteuer 2011 (mitbeteiligte Partei: A W in V), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mag. Hannes W, der Stiefsohn der Mitbeteiligten, erwarb mit Kaufvertrag vom eine Eigentumswohnung (Büro) in V, R-Straße, und räumte der Mitbeteiligten mit Schenkungsvertrag vom selben Tag ein lebenslängliches und unentgeltliches Fruchtgenussrecht an diesem Wohnungseigentumsobjekt ein. Aufgrund des Schenkungsvertrages war die Mitbeteiligte einerseits berechtigt, alle Nutzungen aus dem Eigentumsobjekt zu ziehen. Andererseits traf sie die Verpflichtung, unabhängig von einem allfälligen Ertrag sämtliche mit dem Fruchtgenussobjekt verbundenen Steuern, öffentlichen Abgaben, Versicherungen und sonstigen Lasten sowie die laufenden Instandhaltungskosten zu tragen. In einem Nachtrag zum Schenkungsvertrag vom wurde zudem die grundbücherliche Sicherstellung des Fruchtgenussrechtes und ein die Liegenschaftsanteile betreffendes Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Mitbeteiligten vereinbart.

2 Mit Übergabsvertrag vom wurden der Stieftochter der Mitbeteiligten, Mag. Christine W, die Anteile an einer Liegenschaft in V, K-Gasse, verbunden mit Wohnungseigentum an einer Wohnung und mehreren Garagen, von ihrem Vater ins Eigentum übergeben. Über Weisung des Vaters räumte Mag. Christine W der Mitbeteiligten ein lebenslängliches und unentgeltliches Furchtgenussrecht an der Wohnung und den Garagen ein. Die Mitbeteiligte war berechtigt, alle Nutzungen aus den Eigentumsobjekten zu ziehen, und verpflichtet, unabhängig von einem allfälligen Ertrag alle mit den Fruchtgenussobjekten verbundenen Steuern, öffentlichen Abgaben, Versicherungen und sonstigen Lasten sowie die laufenden Instandhaltungskosten zu tragen. Im Übergabsvertrag wurde zudem festgehalten, dass die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Mag. Christine W und des Fruchtgenussrechtes der Mitbeteiligten - auch über einseitiges Ansuchen - jederzeit möglich sei. Aufgrund eines mit datierten Nachtrags zum Übergabsvertrag wurde auch betreffend die Anteile an der Liegenschaft K-Gasse ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Mitbeteiligten vereinbart.

3 In der Einkommensteuererklärung 2011 erklärte die Mitbeteiligte Einkünfte aus der von ihr vorgenommenen Vermietung der Liegenschaften R-Straße und K-Gasse, wobei sie die jeweiligen Mieteinahmen u.a. um die - von fiktiven Anschaffungskosten berechnete - Absetzung für Abnutzung (im Folgenden nur: AfA) kürzte.

4 Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid 2011, in dem es die geltend gemachte AfA nicht berücksichtigte und begründete dies damit, dass der Fruchtgenussbelastete beim unentgeltlichen Zuwendungsfruchtgenuss keine Einkünfte erziele und die AfA mangels Einkunftsquelle nicht geltend machen könne. Der Fruchtgenussberechtigte habe zwar Einkünfte, allerdings treffe ihn der Wertverzehr des Fruchtgenussobjektes (Wohnung) nicht, weshalb auch er keine AfA in Anspruch nehmen könne.

5 Die Mitbeteiligte berief gegen den Einkommensteuerbescheid und brachte in der Berufung vor, dass im Streitfall das zivilrechtliche und das wirtschaftliches Eigentum an den Eigentumsobjekten auseinanderfielen, weil sie die positiven und negativen Befugnisse des zivilrechtlichen Eigentums auf Lebzeiten geltend machen könne. Es sei ihr an beiden Objekten ein grundbücherlich abgesichertes uneingeschränktes Fruchtgenussrecht und die Berechtigung aus einem Veräußerungs- und Belastungsverbot eingeräumt worden. Die Mietverträge mit den Bestandnehmern der Objekte seien von ihr abgeschlossen worden und es träfen sie alle im Zusammenhang mit dem Wohnungseigentum anfallenden Verpflichtungen. Es käme ihr sohin eine eigentümerähnliche Stellung im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO zu.

6 Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, woraufhin die Mitbeteiligte deren Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.

7 Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem (an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates tretenden) Bundesfinanzgericht gab die Mitbeteiligte u.a. zu Protokoll, dass die finanziellen Mittel für die Anschaffung der Anteile an der Liegenschaft R-Straße von ihr stammten und sie eine sehr gute Beziehung zu ihren Stiefkindern habe. Die vorliegende vertragliche Konstruktion sei - vor dem Hintergrund einer schweren Erkrankung ihres Ehemannes - gewählt worden, um zu verhindern, dass im Falle ihres Ablebens ihre Geschwister Ansprüche auf die Liegenschaften erheben könnten. Nebenabreden zum Schenkungsbzw. Übergabsvertrag, wie etwa ein Vorkaufsrecht zu ihren Gunsten oder die Möglichkeit, die Liegenschaften als Fruchtnießerin zu belasten, seien nicht getroffen worden und aufgrund ihrer finanziellen Situation auch nicht erforderlich gewesen. Allerdings hätten im Fall des Falles ihre beiden Stiefkinder als zivilrechtliche Eigentümer einer grundbücherlichen Belastung der beiden Objekte mit Sicherheit zugestimmt. Regelungen dahingehend, was im Falle des Ablebens der Stiefkinder mit den Liegenschaftsanteilen zu geschehen habe, bestünden nicht.

8 Mit dem vorliegenden Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Angaben der Mitbeteiligten, wonach die vorliegende Konstruktion aus erbrechtlichen Überlegungen gewählt worden sei und ihre Stiefkinder jederzeit einer Belastung der Liegenschaft durch die Mitbeteiligte zugestimmt hätten, glaubwürdig seien. Auch sei die zunächst nur obligatorische Fruchtgenussbestellung (beim Stiefsohn) und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot (bei beiden) im Nachhinein grundbücherlich einverleibt worden. Da die Mitbeteiligte als Fruchtnießerin im Wege der tatsächlichen Vermietung alle Nutzungen aus den Fruchtgenussobjekten ziehe und alle mit den Fruchtgenussobjekten verbundenen Lasten trage und den Stiefkindern nur das nackte Eigentum verbleibe, sei die Mitbeteiligte ab Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes als wirtschaftliche Eigentümerin anzusehen. Betreffend die Liegenschaft R-Straße sei die Einverleibung der Dienstbarkeit und des Veräußerungs- und Belastungsverbotes im Grundbuch am erfolgt. Das Veräußerungs- und Belastungsverbot betreffend die Liegenschaft K-Gasse sei am im Grundbuch eingetragen worden. Der Mitbeteiligte stehe in Bezug auf die angeführten Liegenschaften daher jeweils die Halbjahres-AfA zu.

9 Dagegen richtet sich die Revision des Finanzamts, die sich ausschließlich gegen die Anerkennung der AfA für die beiden Wohnungen wendet.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision des Finanzamtes macht geltend, dass das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des wirtschaftlichen Eigentums abweiche.

14 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet. 15 Gemäß § 24 Abs. 1 lit. d BAO werden Wirtschaftsgüter, über

die jemand die Herrschaft gleich einem Eigentümer ausübt, diesem zugerechnet.

16 Wirtschaftlicher Eigentümer ist in der Regel der zivilrechtliche Eigentümer. Ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichem Eigentum ist dann anzunehmen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven Befugnisse, die Ausdruck des zivilrechtlichen Eigentums sind (Gebrauch, Verbrauch, Veränderung, Belastung, Veräußerung), auszuüben in der Lage ist, und wenn er zugleich den negativen Inhalt des Eigentumsrechtes, nämlich den Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf die Sache, auch gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer, d.h. auf die Zeit der möglichen Nutzung, geltend machen kann (vgl. , VwSlg. 8295/F). Das Vorliegen der Voraussetzungen ist anhand des Gesamtbildes der Verhältnisse des jeweiligen Falles festzustellen (vgl. , VwSlg. 8100/F, mwN).

17 Die Einräumung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes zugunsten eines Fruchtnießers vermag - entgegen der Auffassung des Bundesfinanzgerichts - kein vom zivilrechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum an Liegenschaften zu begründen (vgl. VwSlg. 8100/F, mwN). Das Belastungs- und Veräußerungsverbot stellt zwar eine erhebliche Beeinträchtigung der Befugnisse des zivilrechtlichen Eigentümers dar, räumt aber dem Berechtigten nicht die Möglichkeit ein, mit der Liegenschaft einem Eigentümer gleich schalten und walten zu können (vgl. VwSlg. 8295/F).

18 Für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums ist insbesondere auch von Bedeutung, wer die Chance von Wertsteigerungen und das Risiko von Wertminderungen trägt (vgl. , mwN).

19 Zivilrechtliche Eigentümer der hier zu beurteilenden Liegenschaftsanteile sind unstrittig Mag. Hannes W und Mag. Christine W. Das Bundesfinanzgericht geht zu Unrecht davon aus, dass die Mitbeteiligte ab Einverleibung der Fruchtgenussrechte und der Veräußerungs- und Belastungsverbote im Grundbuch als wirtschaftliche Eigentümerin der Liegenschaftsanteile anzusehen sei. Wem die Wertsteigerungen der Liegenschaftsanteile zugutekommen oder wen Wertminderungen belasten würden, wurde vom Bundesfinanzgericht nicht geprüft.

20 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am