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VwGH vom 16.06.2011, 2009/10/0159

VwGH vom 16.06.2011, 2009/10/0159

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Pelant, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der Medizinischen Universität Innsbruck, vertreten durch Czernich, Hofstädter, Guggenberger Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen den Bescheid der Schiedskommission der Medizinischen Universität Innsbruck vom , Zl. B1/09, betreffend Abweisung einer Beschwerde wegen behaupteter Diskriminierung auf Grund des Geschlechts (mitbeteiligte Partei:

Universitätsrat der Medizinischen Universität Innsbruck in 6020 Innsbruck, Innrain 52), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Kostenbegehren der beschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Schiedskommission der Medizinischen Universität Innsbruck vom wurde die Beschwerde des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen gegen die Wahlentscheidung des Universitätsrates vom , mit dem ein männlicher Bewerber zum Rektor gewählt wurde, abgewiesen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Wahlentscheidung des Universitätsrates das Ergebnis einer Diskriminierung einer Bewerberin auf Grund ihres Geschlechts gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 43 Abs. 7 Universitätsgesetz 2002 erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bringt zunächst vor, die belangte Behörde, die Schiedskommission der Medizinischen Universität Innsbruck, sei bei der Beschlussfassung über den angefochtenen Bescheid nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt gewesen. Es seien lediglich drei Mitglieder anwesend gewesen, obwohl die Geschäftsordnung für die Schiedskommission vorsehe, dass Beschlüsse nur in Anwesenheit von mindestens vier Stimmberechtigten gefasst werden könnten.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 134/2008, (UG 2002) lauten auszugsweise wie folgt:

"Schiedskommission

§ 43. (1) An jeder Universität ist eine Schiedskommission einzurichten. Zu ihren Aufgaben zählen:

...

2. die Entscheidung über Beschwerden des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen wegen einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts durch die Entscheidung eines Universitätsorgans;

...

(9) Die Schiedskommission besteht aus sechs Mitgliedern, die keine Angehörigen der betreffenden Universität sein müssen. Je ein männliches und ein weibliches Mitglied sind vom Senat, vom Universitätsrat und vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen für eine Funktionsperiode von zwei Jahren zu nominieren. Zwei der Mitglieder müssen rechtskundig sein.

...

(11) Die Schiedskommission entscheidet mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme der oder des Vorsitzenden den Ausschlag.

..."

Die Geschäftsordnung für die Schiedskommission der Medizinischen Universität Innsbruck (Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Innsbruck, Studienjahr 2004/05,

23. Stück, Nr. 100) lautet auszugsweise wie folgt:

"Anträge und Beschlüsse

Jedes Mitglied ist berechtigt, Anträge zu den einzelnen Tagesordnungspunkten zu stellen.

Die Anträge sind so zu formulieren, dass über sie mit 'ja' oder 'nein' abgestimmt werden kann.

Beschlüsse können nur gefasst werden, wenn mindestens 4 stimmberechtigte Kommissionsmitglieder anwesend sind. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Im Falle einer Befangenheit ist das betroffene Mitglied von der Beschlussfassung ausgeschlossen.

Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst. Stimmrechtübertragungen sind nicht zulässig. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Die Abstimmung hat offen zu erfolgen. Der Vorsitzende hat das Ergebnis der Abstimmung zu verkünden.

Gefasste Beschlüsse können nur abgeändert werden, wenn eine neuerliche Behandlung beantragt und mit 2/3-Mehrheit zugelassen wird. Eine Abänderung ist ausgeschlossen, sobald eine schriftliche Ausfertigung einer Entscheidung an Verfahrensbeteiligte übermittelt wurde."

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nahmen an der Sitzung der Schiedskommission der Medizinischen Universität Innsbruck am , in der der angefochtene Bescheid beschlossen wurde, lediglich drei Mitglieder teil. Zwei Mitglieder - so das Sitzungsprotokoll - seien wegen der von ihnen geltend gemachten Befangenheit nicht eingeladen worden, ein weiteres Mitglied könne aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen.

In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde die Auffassung, § 43 UG 2002 sehe weder ein bestimmtes Präsenzquorum für Entscheidungen der Schiedskommission, noch die Möglichkeit der Nominierung von Ersatzmitgliedern vor. Im Falle der Befangenheit eines Mitgliedes müsse daher notwendigerweise eine Entscheidung durch weniger als die an sich vorgesehenen Mitglieder erfolgen. Es sei zwar grundsätzlich danach zu trachten, Entscheidungen durch "die vollständige Kommission" zu treffen. Wenn aber in einer angemessenen Zeitspanne (vorgesehen sei eine vierwöchige Entscheidungsfrist) kein Termin gefunden werden könne, an dem alle Kommissionsmitglieder teilnehmen können, sei es nicht unzulässig, eine Entscheidung "in unvollständiger Besetzung" zu treffen. In diesem Sinne sei auch die Geschäftsordnung der Schiedskommission auszulegen: Es sollten hier jene Fälle erfasst werden, in denen es nicht möglich sei, einen Termin zu finden, zu dem alle Mitglieder, die durchwegs andere Hauptberufe ausübten, anwesend sein können. Diesfalls sollte eben ein Sitzungstermin gewählt werden, der zumindest von vier Mitgliedern wahrgenommen werden könne. Die unvermeidliche Verkleinerung der Schiedskommission wegen Befangenheit einzelner Mitglieder sollte hier jedoch nicht erfasst werden.

Wie dargelegt, regelt § 43 Abs. 9 UG 2002 die Zusammensetzung der Schiedskommission und bestimmt, dass diese aus sechs Mitgliedern besteht. § 43 Abs. 11 UG 2002 normiert, dass die Schiedskommission mit einfacher Mehrheit zu entscheiden hat; ausdrückliche Regelungen über das Präsenzquorum enthält das Gesetz nicht.

In einem solchen Fall, in dem der Gesetzgeber keine ausdrücklichen Regelungen über das Präsenzquorum getroffen hat, ist eine Kollegialbehörde, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , VfSlg. 15971, und die dort zitierte Vorjudikatur), nur bei Anwesenheit aller ihr zugehörigen Mitglieder beschlussfähig.

Die Beschlussfassung über den angefochtenen Bescheid erforderte daher im Grunde des § 43 UG 2002 die Anwesenheit sämtlicher Mitglieder der Schiedskommission. Daran änderte eine Befangenheit ebenso wenig wie eine länger dauernde Verhinderung einzelner Mitglieder. Das Gesetz ermächtigt nämlich auch in solchen Fällen nicht dazu, vom Erfordernis der Anwesenheit aller zugehörigen Mitglieder bei der Beschlussfassung abzugehen (vgl. aber die nunmehrige Fassung des § 43 Abs. 9 UG 2002, BGBl. I Nr. 81/2009, durch die bisher fehlende Regelungen (so die RV, 225 BlgNR 24. GP, 20) getroffen und die Nominierung von Ersatzmitgliedern vorgesehen werden).

Ob die Verringerung des Anwesenheitsquorums durch die Geschäftsordnung auf "mindestens 4 stimmberechtigte Kommissionsmitglieder" dem Gesetz entspricht, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ebenso die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift aufgeworfene Frage, ob der vorliegende Fall von dieser Regelung der Geschäftsordnung überhaupt erfasst ist. Bei der Beschlussfassung über den angefochtenen Bescheid waren nämlich unbestrittener Maßen nur drei Mitglieder anwesend. Die Beschlussfähigkeit der Schiedskommission war daher weder nach der Geschäftsordnung, noch -für den Fall, dass diese nicht anzuwenden ist- nach dem Gesetz gegeben.

Da eine Kollegialbehörde, die nicht in der vorgeschriebenen Besetzung entscheidet, als unzuständige Behörde iSd § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG anzusehen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 15.580 A/2001), war der angefochtene Bescheid im Grunde dieser Bestimmung wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Da die beschwerdeführende Partei ebenso wie die belangte Behörde ein Organ der Medizinischen Universität Innsbruck ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist, liegt Identität des Rechtsträgers vor, dem Kosten zuzusprechen bzw. der zum Kostenersatz verpflichtet wäre. Ein Kostenzuspruch an die beschwerdeführende Partei findet daher nicht statt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0087, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-91579