VwGH vom 13.05.2011, 2009/10/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der A GesmbH in H, vertreten durch Dr. Wolfgang List, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 413.16-1/2008-11, betreffend Auftrag nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (UVS) vom wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 39 Abs. 1 Z. 11 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) aufgetragen, die Sachbezeichnung des Produktes "sel marin de l'atlantique, Meersalz aus dem Atlantik" durch den Begriff "unjodiert" zu ergänzen. Im Gegenstande handle es sich um unjodiertes Speisesalz (Gesamtjodgehalt 1,3 mg/kg), das gemäß § 2 Abs. 4 des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Speisesalz (Speisesalzgesetz) nur in Umschließungen, die mit der deutlich lesbaren Aufschrift "unjodiert" versehen sind, in Verkehr gebracht werden dürfe. Auf der Verpackung der wie näher dargestellt gezogenen Lebensmittelprobe sei die Aufschrift "unjodiert" nicht angebracht gewesen. Die Ergänzung der Kennzeichnung sei daher gemäß § 39 Abs. 1 Z. 11 LMSVG anzuordnen gewesen.
Im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei stehe Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür der Regelung des § 2 Abs. 4 des Speisesalzgesetzes nicht entgegen, weil diese Regelung dem Gesundheitsschutz diene und daher mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 13/2006 idF BGBl. I Nr. 121/2008, (LMSVG) lauten auszugsweise wie folgt:
"Maßnahmen
§ 39. (1) Bei Wahrnehmung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften hat der Landeshauptmann mit Bescheid, gegebenenfalls unter einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist und unter Ausspruch der notwendigen Bedingungen oder Auflagen, die nach Art des Verstoßes und unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominderung anzuordnen, wie insbesondere:
...
11. die Anpassung der Kennzeichnung;
..."
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Speisesalz, BGBl. Nr. 112/1963 idF BGBl. I Nr. 115/1999, (Speisesalzgesetz) lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 1. (1) Speisesalz im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Natriumsalz der Chlorwasserstoffsäure, das für die menschliche Ernährung bestimmt ist.
(2) Vollsalz im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 jodierte Speisesalz.
§ 2. (1) Wer Speisesalz herstellt oder importiert, darf dieses, außer in den in Abs. 3 genannten Fällen, nur in den Verkehr bringen, wenn
1. der Gesamtjodgehalt mindestens 15 und höchstens 20 Milligramm je Kilogramm in Form von Jodid oder Jodat beträgt und
2. auf der Umschließung der Hinweis 'jodiert' und die Form der Jodierung aufscheinen.
(2) Im Verkehr mit Speisesalz ist die Bezeichnung 'Vollsalz' für unjodiertes Speisesalz und der Gebrauch des Wortes 'Vollsalz' in Wortverbindungen für unjodiertes Speisesalz verboten.
(3) Unjodiertes Speisesalz darf vom Hersteller oder Importeur an Wiederverkäufer oder Verbraucher nur auf ausdrückliches Verlangen abgegeben werden.
(4) Unjodiertes Speisesalz darf vom Hersteller oder Importeur nur in Umschließungen, die mit der deutlich lesbaren Aufschrift 'unjodiert' versehen sind, in den Verkehr gebracht werden.
(5) Unjodiertes Speisesalz ist ausschließlich in den vom Hersteller oder Importeur angelieferten Umschließungen (Abs. 4) feilzuhalten oder zu verkaufen.
§ 3. Wer unjodiertes Speisesalz im Einzelhandel abgibt, hat auch Vollsalz zum Verkauf vorrätig zu halten. Unjodiertes Speisesalz darf im Einzelhandel an den Verbraucher nur auf ausdrückliches Verlangen abgegeben werden.
§ 4. Der Landeshauptmann kann, soweit dies im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung geboten ist, für Gebiete, in denen zufolge Jodmangels Kropf gehäuft auftritt, nach Anhörung des Landessanitätsrates anordnen, dass
a) im Einzelhandel ausschließlich Vollsalz feilzuhalten und zu verkaufen ist;
b) bei gewerbsmäßiger Herstellung von Brot und Backwaren ausschließlich Vollsalz zu verwenden ist."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, beim Produkt "sel marin de l'atlantique, Meersalz aus dem Atlantik" handle es sich um unjodiertes Speisesalz, das von der beschwerdeführenden Partei, die dieses Produkt importiere, nur in Umschließungen in Verkehr gebracht werden dürfe, die mit der deutlich lesbaren Aufschrift "unjodiert" versehen seien. Es sei ihr daher der Auftrag zu einer entsprechenden Ergänzung der Kennzeichnung des Produktes zu erteilen gewesen.
Die beschwerdeführende Partei wendet ein, § 2 Abs. 4 des Speisesalzgesetzes verstoße gegen "Prinzipien und Bestimmungen des EU-Rechtes": Waren, die in einem Mitgliedstaat "hergestellt oder dort regelmäßig in Verkehr gebracht" würden, verfügten über eine freie Einfuhr- und Verkehrsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft. Das in Rede stehende Produkt werde in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU zulässigerweise in den Verkehr gebracht, ohne dass es erforderlich sei, die Bezeichnung "unjodiert" in die Kennzeichnung aufzunehmen. Das Gebot der Anführung des Zusatzes "unjodiert" durch § 2 Abs. 4 des Speisesalzgesetzes verstoße somit gegen Gemeinschaftsrecht. Unjodiertes Speisesalz (wie das in Rede stehende Produkt) sei auch keineswegs gesundheitsgefährdend, zumal es sich um ein "qualitatives Naturprodukt" handle. Die Auffassung, Jod sei "gut für die Gesundheit", sei in letzter Zeit relativiert worden. Es sei ersichtlich, dass nicht jodiertes Salz in vielen Fällen "die gesündere Variante" sei und keineswegs gesundheitsschädlich. Die Annahme, dass die von der Behörde im vorliegenden Fall vermisste Kennzeichnung aus Gründen des Gesundheitsschutzes notwendig sei, bedürfe wissenschaftlich fundierter und belegter Untersuchungen. Diese lägen aber nicht vor. Auch in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union seien Gesundheitsgründe, die die Anbringung der Kennzeichnung "unjodiert" erforderten, bis jetzt nicht erkannt worden, wie auch der gleichzeitig vorgelegten Ausfertigung eines Auszugs des Codex Alimentarius entnommen werden könne.
Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür (Richtlinie) geht gemäß ihrer zweiten Begründungserwägung davon aus, dass die Unterschiede, die zwischen den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Lebensmitteln bestehen, den freien Verkehr mit diesen Erzeugnissen behindern und eine ungleiche Wettbewerbslage hervorrufen können. Die Richtlinie bezweckt daher - so die dritte Begründungserwägung - diese Rechtsvorschriften für ein besseres Funktionieren des Binnenmarktes anzugleichen.
"Etikettierung" iSd Richtlinie sind gemäß ihrem Art. I Abs. 3 lit. a alle Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und auf jeglicher Art von Verpackung, Schriftstück, Tafel, Etikett, Ring oder Verschluss angebracht sind und dieses Lebensmittel begleiten oder sich auf dieses Lebensmittel beziehen.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht durch die Anwendung nicht harmonisierter einzelstaatlicher Vorschriften verbieten, die die Etikettierung und Aufmachung einzelner Lebensmittel oder der Lebensmittel im Allgemeinen regeln.
Gemäß Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie findet Abs. 1 keine Anwendung auf nicht harmonisierte einzelstaatliche Vorschriften, die u.a. zum Schutz der Gesundheit gerechtfertigt sind.
Im vorliegenden Beschwerdefall steht unbestritten fest, dass § 2 Abs. 4 Speisesalzgesetz eine Etikettierungsbestimmung iSd Art. 1 Abs. 3 lit. a der Richtlinie darstellt, und zwar eine nicht harmonisierte nationale Bestimmung iSd Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie, deren Zulässigkeit daher davon abhängt, dass sie durch einen der im Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie genannten Gründe gerechtfertigt ist.
Während die belangte Behörde der Auffassung ist, dass die Bestimmung des § 2 Abs. 4 Speisesalzgesetz, wonach unjodiertes Speisesalz vom Hersteller oder Importeur nur in Umschließungen in Verkehr gebracht werden darf, die mit der deutlich lesbaren Aufschrift "unjodiert" versehen sind, iSd Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie zum Schutz der Gesundheit gerechtfertigt ist, steht die Beschwerde auf dem Standpunkt, dass dies nicht der Fall sei.
Der Gesetzgeber des Speisesalzgesetzes ging davon aus (vgl. RV BlgNR 44, 10. GP, S. 3), es könne als erwiesen angesehen werden, dass die mangelnde Zufuhr des physiologischen Jodminimums eine Beeinträchtigung der Hormonproduktion der Schilddrüse bewirkt, was wiederum zu manigfaltigen krankhaften Veränderungen führt, von denen die Kropfbildung am auffallendsten ist. In Jodmangelgebieten, zu denen weiteste Gebiete Österreichs zu zählen seien, werde das physiologische Jodminimum jedoch ohne Jodzufuhr über jodiertes Salz vielfach nicht einmal annähernd erreicht. Namhafte, beispielsweise genannte Vertreter der medizinischen Wissenschaft hätten daher ebenso wie die Kommission zur Herausgabe des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex-Kommission) die Bedeutung der Verwendung jodierten Salzes als Kropfprophylaktikum betont. Um dem jodierten Speisesalz aber jene Stellung einzuräumen, die in Österreich zur Gesundheitsvorsorge notwendig sei, bedürfe es des Zusammenwirkens verschiedener Maßnahmen. Dazu gehöre u.a., dass die Abgabe unjodierten Speisesalzes sowohl im Zwischenhandel als auch im Einzelhandel nur in den vom Hersteller oder Importeur in den Handel gebrachten, mit dem Aufdruck "Speisesalz unjodiert" versehenen Umschließungen und nur über ausdrückliches Verlangen des Käufers nach unjodiertem Speisesalz zulässig sein solle.
Im vorliegenden Zusammenhang ist auch auf die Amtliche Begründung zur (deutschen) Verordnung zur Änderung der Vorschriften über jodiertes Speisesalz vom , dBGBl. I S. 1123, hinzuweisen, wonach "die Sicherstellung einer ausreichenden alimentären Jodzufuhr aus Gründen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes als "präventiv-medizinische Maßnahme geboten ist" (zitiert nach Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 140 Vorb. 34 ff).
Auf dem Boden dieser Darlegungen ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zweifelhaft, dass die Regelungen des Speisesalzgesetzes insgesamt der Gesundheitsvorsorge und damit dem Schutz der Gesundheit dienen. Dies gilt daher auch für die in Rede stehende Kenntlichmachung unjodierten Speisesalzes als unjodiert.
Dass unjodiertes Speisesalz für sich nicht gesundheitsgefährdend ist - so die Beschwerde -, geht an der Sache vorbei. Denn es geht hier nicht um eine durch den Genuss unjodierten Speisesalzes hervorgerufene Gesundheitsgefährdung, sondern um eine von mehreren zur Vermeidung einer die Volksgesundheit beeinträchtigenden Jodunterversorgung zusammenwirkenden Maßnahmen, nämlich um die unmissverständliche Klarstellung, um welche Art von Speisesalz es sich bei einem bestimmten Produkt handelt: Um Vollsalz, dessen Verzehr zur Deckung des physiologischen Minimalbedarfes an Jod beiträgt, oder um unjodiertes Speisesalz, das diesen Bedarf ungedeckt lässt.
Bleibt zu fragen, ob die Regelung des § 2 Abs. 4 Speisesalzgesetzes auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl. z.B. das , Douwe Egberts NV, Slg. 2004, I-07007, Rn 40). In diesem Punkt besteht angesichts des Umstandes, dass lediglich die Aufschrift "unjodiert" verlangt wird, allerdings kein Grund zur Annahme, dass diese Maßnahme über das für den angestrebten Schutz der Gesundheit Notwendige hinausginge (vgl. dazu auch das , Müller, Slg. 2003, I-02587). Auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens besteht daher kein Zweifel, dass die Regelung des § 2 Abs. 4 Speisesalzgesetz durch den im Art. 18 Abs. 2 genannten Grund des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt ist.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen; der Einholung einer Vorabentscheidung iSd Art. 267 AEUV bedurfte es nicht.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Beschwerde weder Tatsachennoch Rechtsfragen aufgeworfen hat, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert. Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK steht einem Absehen von der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weil die bereits im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertretene beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht beantragt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/03/0241, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-91559