VwGH vom 30.09.2015, Ra 2014/15/0005

VwGH vom 30.09.2015, Ra 2014/15/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Kärntner Gesundheitsfonds in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink, Mag. Klaus Haslinglehner, Dr. Bernd Peck, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/4100194/2010, betreffend u.a. Rückerstattung von Kapitalertragsteuer 2004 bis 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Rückerstattung von Kapitalertragsteuer 2004 bis 2007) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Revisionswerber handelt es sich um den Kärntner Gesundheitsfonds, eine Körperschaft (ein Fonds) öffentlichen Rechts. Er ist u.a. dazu bestimmt, die Verwaltung der "Härtefallentschädigungsmittel" gemäß § 57 Abs. 5 der Kärntner Krankenanstaltenordnung 1999 (K-KAO) wahrzunehmen (§ 1 Abs. 3 Kärntner Gesundheitsfondsgesetz - K-GFG).

Mit Schreiben vom beantragte der Revisionswerber die Rückerstattung der von ihm bzw. vom "Härtefall-Gremium" bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt (nach den beigelegten Kontoauszügen für die Jahre 2001 bis 2007) geleisteten Kapitalertragsteuerbeträge.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, für die Gelder des Härtefall-Gremiums sei bei der X-Bank ein Konto eingerichtet worden. Hiezu sei eine Rückerstattung der von der Bank abgeführten Kapitalertragsteuer beantragt worden. Ziel und Zweck des Härtefall-Gremiums sei in erster Linie die Zuerkennung eines Schaden- und Kostenersatzes in einem außergerichtlichen Verfahren. Der Anspruch auf Entschädigungszahlung sei bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen nicht auf hilfsbedürftige und notleidende Personen eingeschränkt, sondern umfasse alle Geschädigten unabhängig von ihrer Einkommens- und Vermögenssituation. Da keine Unterstützungs- bzw. Versorgungseinrichtung iSd § 21 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 bzw. § 94 Z 6 lit. c EStG 1988 vorliege, seien die Voraussetzungen für die Befreiung von der Körperschaftsteuer bzw. der Kapitalertragsteuer hinsichtlich der Erträge aus dem Konto nicht gegeben. Die Kapitalertragsteuer sei folglich nicht zu Unrecht einbehalten worden, weshalb eine Rückerstattung nach § 240 BAO nicht erfolgen könne.

Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig. Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, zu den begünstigten Einrichtungen gehörten nur jene, die Leistungen aus dem Titel der Altersversorgung sowie aus dem Titel der Unterstützung bei Krankheit, Unfall oder persönlicher Hilfs- und Fürsorgebedürftigkeit der Leistungsempfänger erbringen würden. Im vorliegenden Fall diene die Verwendung von Härtefallentschädigungsmitteln, die aus Beiträgen von Patienten aufgebracht würden, dazu, Schäden, die durch Behandlung in Krankenanstalten entstanden seien, abzugelten. Demnach könne aber in diesem Zusammenhang vom Vorliegen einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht die Rede sein, weil erlittene Schäden abgegolten würden.

Der Vollständigkeit halber werde angemerkt, dass dem mit Antrag vom gestellten Rückzahlungsbegehren betreffend die Jahre 2001 bis 2003 zudem der Ablauf der von § 240 Abs. 3 BAO gesetzten Fünfjahresfrist entgegenstehe.

Gegen dieses Erkenntnis - soweit es die Jahre 2004 bis 2007 betrifft (das Jahr 2008 ist entgegen der Revision vom angefochtenen Erkenntnis nicht umfasst) - wendet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Gegenschrift durch das Finanzamt erwogen hat:

Mit BGBl. I Nr. 5/2001 wurde u.a. das Krankenanstaltengesetz (nunmehr: Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten - KAKuG, vgl. BGBl. I Nr. 65/2002) geändert. Nach der damit eingefügten Grundsatzbestimmung des § 27a Abs. 5 KAKuG ist für jeden Verpflegstag ein zusätzlicher Betrag einzuheben. Nach Abs. 6 leg. cit wird dieser Betrag von den Trägern der Krankenanstalten eingehoben und zur Entschädigung nach Schäden, die durch die Behandlung in Krankenanstalten entstanden sind und bei denen eine Haftung des Rechtsträgers nicht eindeutig gegeben ist, zur Verfügung gestellt. Mit BGBl. I Nr. 124/2009 wurde diese Bestimmung dahin ergänzt, dass die Landesgesetzgebung eine Entschädigung auch für Fälle vorzusehen hat, bei denen eine Haftung des Rechtsträgers nicht gegeben ist, wenn es sich um eine seltene, schwerwiegende Komplikation handelt, die zu einer erheblichen Schädigung geführt hat. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (237 BlgNR 24. GP, 3) soll es sich hiebei im Wesentlichen um eine Klarstellung handeln.

In Ausführung der Grundsatzbestimmungen des Gesetzes BGBl. I Nr. 5/2001 wurde die Kärntner Krankenanstaltenordnung (K-KAO) mit LGBl. Nr. 67/2001 geändert. Gemäß § 57 Abs. 5 K-KAO ist demnach zusätzlich zum Aufenthaltskostenbeitrag für jeden Verpflegstag ein weiterer Betrag von 0,73 Euro einzuheben. Dieser Beitrag wird zur Entschädigung nach Schäden, die durch die Behandlung in Krankenanstalten entstanden sind und bei denen eine Haftung des Rechtsträgers nicht eindeutig gegeben ist, dem Kärntner Krankenanstaltenfonds zur Verfügung gestellt. Mit Gesetz LGBl. Nr. 75/2010 wurde § 57 (nunmehr) Abs. 6 K-KAO dahin geändert, dass der Beitrag zur Entschädigung nach Schäden, die durch die Behandlung in dieser Krankenanstalt entstanden sind, verwendet wird, wenn eine Haftung der Rechtsträger nicht eindeutig gegeben ist; eine bislang unbekannte oder eine sehr seltene und zugleich auch schwerwiegende Komplikation eingetreten ist; oder eine aufgeklärte Komplikation außerordentlich schwer verlaufen und ein großer Schaden entstanden ist.

Mit LGBl. Nr. 15/2002 wurde das Kärntner Krankenanstaltenfondsgesetz K-KAFG geändert. Damit wurde dem Fonds die Verwaltung der Härtefallentschädigungsmittel (§ 57 Abs. 5 K-KAO) übertragen. Nach § 9a Abs. 2 K-KAFG dürfen Anträge auf Entscheidung über eine Abgeltung von Schäden, die durch die Behandlung in Krankenanstalten entstanden sind, vom Gremium nur dann in Behandlung genommen werden, wenn diese vom Patientenanwalt eingebracht oder befürwortet werden. Nach § 9a Abs. 4 K-KAFG besteht auf Entschädigungen kein Rechtsanspruch; das Gremium entscheidet endgültig. Gemäß § 9a Abs. 5 K-KAFG ist während eines anhängigen gerichtlichen Schadenersatzverfahrens eine Antragstellung hinsichtlich desselben Schadensfalles nicht zulässig. Wird einem Patienten nach Gewährung einer Entschädigung im Sinne von Abs. 1 wegen desselben Schadensfalles ein Schadenersatz vom Gericht zuerkannt, so geht der Anspruch im Ausmaß der Entschädigung nach Abs. 1 auf den Fonds über.

Mit LGBl. Nr. 83/2005 wurde u.a. das Kärntner Gesundheitsfondsgesetz (K-GFG) erlassen. Der Gesundheitsfonds ist Gesamtrechtsnachfolger des Krankenanstaltenfonds. Dieser Gesundheitsfonds ist nunmehr zur Verwaltung der von den Trägern der Krankenanstalten eingenommenen Beträge gemäß § 57 Abs. 5 K-KAO sowie zur Entscheidung über deren Vergabe zuständig. Die Entschädigung in Härtefällen ist nunmehr - soweit hier von Bedeutung - im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der bisherigen Regelung in §§ 14 und 15 K-GFG geregelt.

Nach Artikel 4 der Geschäftsordnung des Härtefallgremiums prüft das Gremium die vom Patientenanwalt eingebrachten oder befürworteten Fälle. Die Entscheidung, insbesondere über die Höhe der Entschädigung orientiert sich an dem Umfang der objektiven Härte für den Entschädigungsbegehrenden, dem erlittenen Nachteil (soziale Lage, Einkommens- und Vermögensverluste) sowie den kausalen mit dem Schadensereignis zusammenhängenden tatsächlichen und notwendigen Aufwendungen. Der gesamte Entschädigungsbetrag darf grundsätzlich einen Betrag von 35.000 EUR nicht übersteigen. Bei Vorliegen von außergewöhnlichen sozialen Härten kann eine Entschädigung bis zu einem Höchstbetrag von 70.000 EUR zuerkannt werden.

Nach Artikel 5 der Geschäftsordnung soll durch die Härteentschädigung die teilweise Abgeltung eines Schadens erreicht werden, wenn die Haftung des Rechtsträgers einer Krankenanstalt zwar nicht eindeutig gegeben ist, aber eine Nichtabgeltung des Schadens gemeinhin als unbillig erscheinen würde.

Gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 sind inländische Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig.

Nach § 21 Abs. 2 KStG 1988 erstreckt sich die Steuerpflicht bei beschränkt Steuerpflichtigen iSd § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 auf Einkünfte, bei denen die Steuer durch Steuerabzug erhoben wird. Dies gilt nach Z 3 leg. cit. u.a. nicht für näher genannte Kapitalerträge, die einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nachweislich zuzurechnen sind. In ähnlicher Weise sieht § 94 Z 6 EStG 1988 vor, dass der zum Abzug Verpflichtete bei näher genannten Kapitalerträgen keine Kapitalertragsteuer abzuziehen hat, wenn die Kapitalerträge u.a. einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zugehen.

Diese Bestimmungen waren mit dem Privatstiftungsgesetz, BGBl. Nr. 694/1993, neu gefasst worden, wobei in den Erläuterungen zur RV darauf verwiesen wurde, dass es sich hiebei um eine systematische Zusammenfassung der bisher zum Teil im Einkommensteuergesetz und zum Teil im Körperschaftsteuergesetz enthaltenen Abzugssteuerbefreiungstatbestände handle (vgl. 1132 BlgNR 18. GP, 39 (zu § 94 Z 6 und 10 EStG 1988) und 42 (zu § 21 Abs. 2 KStG 1988)). Das EStG 1988 hatte bereits in der Stammfassung, BGBl. Nr. 400/1988, vorgesehen, dass bei derartigen Kapitalerträgen, wenn sie u.a. einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zugehen, der zum Abzug Verpflichtete keine Kapitalertragsteuer abzuziehen habe. Im Bericht des Finanzausschusses zum EStG 1988 (673 BlgNR 17. GP, 8) wurde hiezu festgehalten, durch die Änderung des § 94 Z 7 solle für Pensions- und Versorgungskassen bzw. vergleichbare Einrichtungen von Körperschaften öffentlichen Rechts eine Befreiung von der Kapitalertragsteuer normiert werden. Weiters wurde ausgeführt (aaO, 10):

"Kapitalerträge aus Einlagen bei Banken sowie aus Forderungseinrichtungen unterliegen nicht der Kapitalertragsteuer, wenn es sich um Veranlagungen von Pensions- und Unterstützungskassen, von Hilfskassen sowie von Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen von Körperschaften des öffentlichen Rechtes (insbesondere Kammern) handelt."

Dem Gesetz kann eine Definition des Begriffes der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung nicht entnommen werden. Das Bundesfinanzgericht ging davon aus, dass unter diesen Begriff jene Einrichtungen fallen, die Leistungen aus dem Titel der Altersversorgung sowie aus dem Titel der Unterstützung bei Krankheit, Unfall oder persönlicher Hilfs- und Fürsorgebedürftigkeit der Leistungsempfänger erbringen. Dieser Auslegung des Begriffes anhand der Verkehrsauffassung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.

Eine Einrichtung, die durch Behandlungen in Krankenanstalten verursachte Schäden der Höhe nach begrenzt ersetzt, erbringt aber ebenfalls Leistungen, die (zumindest) im Nahebereich der Unterstützung bei Krankheit, Unfall oder persönlicher Hilfsbedürftigkeit liegen.

Die Einrichtung zur Entschädigung in "Härtefällen" im Sinne von § 27a Abs. 5 und 6 KAKuG bzw. § 57 Abs. 5 K-KAO iVm §§ 14 und 15 K-GFG ist demnach als Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechtes iSd § 21 Abs. 2 KStG 1988 zu beurteilen.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am