VwGH vom 09.11.2016, Ro 2014/11/0096

VwGH vom 09.11.2016, Ro 2014/11/0096

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. LVwG- 7/35/2-2014, LVwG-7/37/2-2014, betreffend Übertretungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, KA-AZG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: B V in S, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkennntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit zwei Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom wurden dem Mitbeteiligten als handelsrechtlichem Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenem Organ der Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken BetriebsgesellschaftmbH (iF: S) Übertretungen des § 4 Abs. 4 Z 4 iVm § 12 Abs. 1 Z 1 KA-AZG angelastet, weil die S als Arbeitgeberin näher genannte Arbeitnehmer zu näher genannten Zeiten im November und Dezember 2011 bzw. im Oktober 2012 beschäftigt habe, wobei die höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 72 Stunden in jeweils näher genanntem Ausmaß überschritten worden sei. Über ihn wurden Geldbzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen (nun als Beschwerde zu behandelnden) Berufung Folge, hob die angefochtenen Straferkenntnisse auf und stellte die betreffenden Verwaltungsstrafverfahren ein; die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

3 In der Begründung stellte es (abgesehen von einer Wiedergabe des Spruchs der Straferkenntnisse, der dagegen erhobenen Berufung und des in der mündlichen Berufungsverhandlung erstatteten Parteienvorbringens) fest, dass der Mitbeteiligte im Tatzeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der S gewesen sei, an der die in den Tatvorwürfen angesprochenen Ärzte ihren Dienst versehen hätten; die im Spruch genannten - unzulässigen - Ärztedienstzeiten seien unstrittig.

4 Nach einer Darlegung der maßgebenden Bestimmungen des KA-AZG und des Salzburger Landesbediensteten-Zuweisungsgesetzes, LGBl. Nr. 119/2003 idF LGBl. Nr. 44/2009 (iF: LZG), führte es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - zusammengefasst - Folgendes aus:

5 Der Mitbeteiligte berufe sich zu Recht auf die Ausnahmebestimmung nach § 12 Abs. 2 KA-AZG, wonach (die Strafbestimmung des) Abs. 1 nicht anzuwenden sei, wenn die Zuwiderhandlung von Organen einer Gebietskörperschaft begangen wurde.

6 Die bei der S beschäftigten Ärzte seien der S entweder als Bedienstete des Landes Salzburg (Vertragsbedienstete oder Beamte) gemäß § 1 LZG zur Dienstleistung zugewiesen oder gemäß § 3 LZG von der Geschäftsführung der S zur Besorgung ihrer Aufgaben als Landes-Vertragsbedienstete aufgenommen worden. Für die dienstrechtliche Stellung der Vertragsbediensteten sei das Landes-Vertragsbedienstetengesetz, für die der Beamten das Landes-Beamtengesetz maßgeblich, die Diensthoheit stehe der Landesregierung zu. Die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft, der S also, übe gleichzeitig die Funktion der Dienstbehörde gegenüber den Beamten als auch jene des Vertreters des Landes als Dienstgeber gegenüber den Vertragsbediensteten aus. Sie sei bei ihren diesbezüglichen Aufgaben an die Weisungen der Landesregierung gebunden.

7 Der Mitbeteiligte als Geschäftsführer der S sei daher, insoweit er Aufgaben der Dienstbehörde bzw. des Dienstgebers ausübte, funktionell als Organ des Landes tätig gewesen. Bestätigt werde dies durch die aktenkundigen Dienstverträge, die als Dienstgeber das Land Salzburg und als Dienststelle die S aufwiesen.

8 Mit der Regelung des § 11a KA-AZG, wonach die Beschäftiger von überlassenen Dienstnehmern als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten, hätte der Bundesgesetzgeber zwar grundsätzlich auch die Träger der öffentlichen Krankenanstalten in die Sanktionsnorm des § 12 KA-AZG einbeziehen wollen. Doch bleibe es dem jeweiligen Landesgesetzgeber anheimgestellt, in welcher Form er den vom Land getragenen Krankenanstalten Personal zur Verfügung stelle. Wenn das Land - wie im vorliegenden Fall - sein Personal der Betriebsgesellschaft in der Weise überlasse, dass sich die dienstrechtlichen Entscheidungsbefugnisse (etwa hinsichtlich der Arbeitszeit) nicht aus ihrer Funktion als Beschäftiger, sondern als weisungsgebundenes Organ gegenüber den Organen des Landes als Dienstgeber ergeben, dann werde der Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft in dieser Beziehung als Organ einer Gebietskörperschaft iSd § 12 Abs. 2 KA-AZG tätig, nicht als solches des ausgegliederten Rechtsträgers.

9 Diese Rechtslage werde im vorliegenden Fall auch dadurch "offenbart", dass einzelne Primare der Landeskliniken beim zuständigen Mitglied der Landesregierung interveniert hätten, um eine Umsetzung des Arbeitszeitmodells des Mitbeteiligten, dem die strikte Einhaltung des KA-AZG zu Grunde gelegen sei, zu verhindern. Dieses Mitglied sei befugt gewesen, dem Mitbeteiligten Weisungen in Bezug auf arbeitszeitrechtliche Anordnungen an das Klinikpersonal zu erteilen, es habe davon aber nach einer Darlegung der Rechtslage durch den Mitbeteiligten Abstand genommen. Damit sei die Letztverantwortung für die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften dem Mitbeteiligten nicht als zur Vertretung nach außen berufenem Organ der S oblegen, sondern als Organ des Landes Salzburg, sodass er gemäß § 12 Abs. 2 KA-AZG verwaltungsstrafrechtlich nicht belangt werden könne.

10 Die angefochtenen Straferkenntnisse seien daher aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen.

11 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs für die vom Land Salzburg gewählte Form der Personalzurverfügungstellung an die Landeskliniken vorliege.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte (ordentliche) Revision.

13 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

15 Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten (auszugsweise):

16 1. KA-AZG (idF der Novelle BGBl. I Nr. 125/2008):

" Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Dienstnehmer/innen, die in

1. Allgemeinen Krankenanstalten,

...

als Angehörige von Gesundheitsberufen tätig sind oder deren Tätigkeit sonst zur Aufrechterhaltung des Betriebes ununterbrochen erforderlich ist.

(2) Als Angehörige von Gesundheitsberufen im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten

1. Ärzte/Ärztinnen gemäß Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169,

...

Arbeitszeit

§ 3. ...

(2) Die Wochenarbeitszeit darf

1. innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von bis zu

17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden und

2. in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes

60 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes

bestimmt wird.

...

Verlängerter Dienst

§ 4. ...

(4) Bei verlängerten Diensten darf

...

4. die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des

Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten.

...

Überlassung

§ 11a. (1) Eine Überlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn Dienstnehmer/innen Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie unter deren Kontrolle zu arbeiten. Überlasser/in ist, wer als Dienstgeber/in Dienstnehmer/innen zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet. Beschäftiger/in ist, wer diese Dienstnehmer/innen zur Arbeitsleistung einsetzt.

(2) Für die Dauer der Überlassung gelten die Beschäftiger/innen als Dienstgeber/innen im Sinne dieses Bundesgesetzes.

Strafbestimmungen

§ 12. (1) Dienstgeber/innen, die

1. Dienstnehmer/innen über die Grenzen gemäß §§ 3 oder 4 hinaus beschäftigen,

...

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 218 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 360 Euro bis 3 600 Euro zu bestrafen.

...

(2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zuwiderhandlung von Organen einer Gebietskörperschaft begangen wurde. Besteht bei einer Bezirksverwaltungsbehörde der Verdacht einer Zuwiderhandlung durch ein solches Organ, so hat sie, wenn es sich um ein Organ des Bundes oder eines Landes handelt, eine Anzeige an das oberste Organ, dem das der Zuwiderhandlung verdächtigte Organ untersteht (Art. 20 Abs. 1 erster Satz des B-VG), in allen anderen Fällen aber eine Anzeige an die Aufsichtsbehörde zu erstatten."

17 2. Salzburger Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz, LGBl. Nr 119/2003 idF LGBl. Nr. 44/2009 (iF auch LZG):

" Zuweisung

§ 1

(1) Landesbedienstete, die am Tag vor dem Inkrafttreten

dieses Gesetzes in

1. der Holding der Landeskliniken Salzburg oder

2. in einem der Holding zugeordneten Bereich (St Johanns-

Spital - Landeskrankenhaus, Christian-Doppler-Klinik - Landesnervenklinik, Landeskrankenhaus St Veit im Pongau, Institut für Sportmedizin, Zentral- und Servicebereiche, Bildungszentrum)

beschäftigt waren, werden unter Wahrung ihrer Rechte und Pflichten mit Inkrafttreten dieses Gesetzes als Landesbedienstete mit ihrem derzeitigen Dienstort der Gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken Betriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden kurz ‚Betriebsgesellschaft') zur dauernden Dienstleistung zugewiesen.

(2) Soweit nicht Abweichendes bestimmt ist, sind Landesbedienstete im Sinn dieses Gesetzes Beamte (§ 1 LBG) und Vertragsbedienstete (§ 1 L-VBG) des Landes Salzburg.

Dienstbehörde, Vertretung des Dienstgebers § 2

(1) Die Diensthoheit über die der Betriebsgesellschaft nach § 1 Abs. 1 zugewiesenen oder gemäß § 3 neu aufgenommenen Landesbediensteten steht der Landesregierung zu. Die Geschäftsführung ist bei der Besorgung der Aufgaben der Dienstbehörde oder des Dienstgebers an die Weisungen der Landesregierung gebunden. Die Landesregierung hat in den mit der Betriebsgesellschaft abzuschließenden Verträgen Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Nichtbefolgung einer solchen Weisung vorzusehen.

(2) Die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ist

Dienstbehörde erster Instanz für alle der Betriebsgesellschaft

zugewiesenen Landesbeamten. Die Zuständigkeit der Dienstbehörde

erster Instanz umfasst alle Personalangelegenheiten, die der

Landesregierung oder dem Amt der Landesregierung als Dienst-

bzw Disziplinarbehörde obliegen, mit Ausnahme

1. der Erlassung von Verordnungen auf Grund der

Dienstrechtsgesetze,

2. der Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches

Dienstverhältnis,

3. der Dienstzuteilungen und Versetzungen, die über den

Bereich der Betriebsgesellschaft hinausgehen.

Über Berufungen gegen Bescheide der Dienstbehörde erster Instanz entscheidet in Leistungsfeststellungsangelegenheiten die Leistungsfeststellungskommission (§ 22 L-BG), in Disziplinarangelegenheiten die Disziplinarkommission (§ 39 L-BG) und in sonstigen Angelegenheiten die Landesregierung.

(3) Die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ist mit der Vertretung des Landes Salzburg als Dienstgeber gegenüber allen der Betriebsgesellschaft zugewiesenen oder gemäß § 3 neu aufgenommenen Landesbediensteten, die nicht Landesbeamte sind, betraut.

(4) Die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft kann andere Personen, die mit der Führung von Personalangelegenheiten betraut sind, ermächtigen, in ihrem Namen die ihr übertragenen Aufgaben der Dienst- oder Disziplinarbehörde oder des Dienstgebers wahrzunehmen.

(5) Die im Sinn des Abs. 4 ermächtigten Personen sind in der Salzburger Landes-Zeitung kundzumachen sowie in den Geschäftsräumen der Betriebsgesellschaft an allgemein einsichtiger Stelle bekannt zu machen.

Neuaufnahme von Bediensteten

§ 3

(1) Die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ist ermächtigt, das zur Besorgung der Aufgaben der Betriebsgesellschaft nach Maßgabe des Dienstpostenplans (§ 4 L-VBG) erforderliche Personal für das Land Salzburg und im Namen des Landes Salzburg unter Anwendung des Salzburger Objektivierungsgesetzes aufzunehmen.

§ 2 Abs 4 und 5 ist auch für Neuaufnahmen anzuwenden.

(2) Personen, die gemäß Abs 1 aufgenommen wurden, sind Vertragsbedienstete des Landes Salzburg nach Maßgabe des § 1 L-VBG und gelten als der Betriebsgesellschaft zugewiesen."

18 Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, der - an Weisungen der Landesregierung gebundene - Mitbeteiligte sei als "Organ einer Gebietskörperschaft" iSd § 12 Abs. 2 KA-AZG anzusehen und folglich auf Grund dieser Ausnahmebestimmung nach § 12 Abs. 1 KA-AZG nicht strafbar.

19 Demgegenüber macht die Revision (zusammengefasst) geltend, das Verwaltungsgericht habe die Doppelfunktion des Mitbeteiligten, einerseits als Organ des Landes nach § 2 Abs. 2 LZG, andererseits als Organ der S gemäß § 18 GmbHG, übersehen: Der Mitbeteiligte sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der S; diese und nicht das Land Salzburg sei wegen der Regelung des § 11a KA-AZG als im Sinne des KA-AZG für Verstöße gegen die Arbeitszeitvorschriften dieses Gesetzes verantwortlicher Dienstgeber anzusehen. Das Land Salzburg bleibe zwar (individualarbeitsrechtlicher) Dienstgeber, was auch durch die §§ 1 und 2 LZG bestätigt würde. Die Überlassung der Dienstnehmer an einen Dritten, eben die S, für die die Dienstnehmer tätig seien, mache die S zur Beschäftigerin iSd § 11a KA-AZG. Die Verpflichtungen des KA-AZG träfen daher die S als juristische Person des Privatrechts, weshalb der Mitbeteiligte als zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei. Die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 2 KA-AZG könne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil durch § 11a KA-AZG die Dienstgebereigenschaft in Angelegenheiten des KA-AZG auf die Beschäftigerin, also die S, übertragen werde.

20 Dieses Vorbringen ist zielführend.

21 Gemäß § 12 Abs. 1 KA-AZG sind für Übertretungen der in § 12 Abs. 1 genannten Verpflichtungen nach dem KA-AZG grundsätzlich die "Dienstgeber" verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Mangels Definition des Dienstgeberbegriffs im KA-AZG ist ihm grundsätzlich das Begriffsverständnis des Individualarbeitsrechts zu Grunde zu legen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/11/0079, mwN); verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher "Dienstgeber" ist daher regelmäßig der zivilrechtliche Arbeitgeber (vgl. auch Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar3 (2015), Rz 5 zu § 12 KA-AZG).

22 Nach § 11a Abs. 2 KA-AZG gelten für die Dauer einer Überlassung (iSd Abs. 1) die Beschäftiger als Dienstgeber im Sinne des KA-AZG. Eine Überlassung liegt nach Abs. 1 dann vor, wenn Dienstnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie unter deren Kontrolle zu arbeiten. Beschäftiger ist, wer diese Dienstnehmer zur Arbeitsleistung einsetzt.

23 Diese Regelung, wonach für die Dauer der Überlassung die Beschäftiger als Dienstgeber iSd KA-AZG gelten, verschiebt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für Übertretungen des KA-AZG vom "eigentlichen", also nach den Maßstäben des Individualarbeitsrechts als solchen anzusehenden "Dienstgeber" auf den "Beschäftiger", also denjenigen, der die ihm vom (eigentlichen) Dienstgeber überlassenen Dienstnehmer zur Arbeitsleistung einsetzt.

24 § 11a KA-AZG geht auf die Novelle BGBl. I Nr. 125/2008 zurück. In der Regierungsvorlage zu dieser Novelle (588 BlgNR 23. GP) werden als deren Inhalt (ua) "Maßnahmen gegen Verletzungen des Arbeitszeitrechts" genannt, die damit verbundene "bessere Durchsetzbarkeit des Arbeitszeitschutzes" betont und die Auswirkungen einer "effizientere(n) Durchsetzung der ohnehin weiten Arbeitszeitgrenzen" (Behandlungsfehler würden reduziert, der Gesundheitszustand der Beschäftigten werde verbessert) hervorgehoben.

25 Zu § 11a wird Folgendes ausgeführt:

"Diese Bestimmung entspricht § 9 Abs. 1 und 2 ASchG, der eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der Beschäftiger/innen im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung auch dann normiert, wenn die Überlassung durch eine Gebietskörperschaft erfolgt. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat im Vorfeld zur Frage der kompetenzrechtlichen Grundlage für eine derartige Regelung im KA-AZG darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 21 Abs. 2 B-VG die Gesetzgebung und Vollziehung in Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes von Bediensteten der Länder und Gemeinden, die in Betrieben tätig sind, dem Bund auch dann obliegt, wenn die Bediensteten auf Grund einer Arbeitskräfteüberlassung in einem Betrieb eines anderen Rechtsträgers tätig sind. Auch eine Regelung, wonach der/die Beschäftiger/in als Dienstgeber/in im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften gilt - und somit gegenüber den staatlichen Behörden für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich ist -, ist kompetenzrechtlich eine Angelegenheit des Arbeitnehmerschutzes, für die gemäß Art. 21 Abs. 2 B-VG die Bundesgesetzgebung zuständig ist. Das Verhältnis zwischen Überlasser/in und Beschäftiger/in, für dessen Regelung im Fall der Überlassung durch Länder oder Gemeinden die Landesgesetzgebung zuständig ist, bleibt von einer derartigen arbeitnehmerschutzrechtlichen Regelung unberührt."

26 Bei Inkrafttreten des § 11a KA-AZG bestanden bereits Regelungen in Arbeitnehmerschutzvorschriften (iwS), welche die Verantwortlichkeit eines vom Dienstgeber abweichenden Dritten, nämlich des "Beschäftigers", normierten:

Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988 (AÜG), regelte die Überlassung von Arbeitskräften (§ 3 AÜG) und normierte in seinem § 6 Abs. 1, dass für die Dauer der Beschäftigung im Betrieb des Beschäftigers dieser als Arbeitgeber im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften gilt. Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist nach § 4 Abs. 1 AÜG der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.

Nach § 9 Abs. 1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 (ASchG), wiederum liegt eine Überlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie und unter deren Kontrolle zu arbeiten. Überlasser ist, wer als Arbeitgeber Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung an Dritte verpflichtet. Beschäftiger ist, wer diese Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung einsetzt.

Nach Abs. 2 gelten für die Dauer der Überlassung die Beschäftiger als Arbeitgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes.

27 § 11a KA-AZG knüpft erkennbar an diese Regelungen an; die (in den Materialien betonte) Erfassung von Überlassungen durch Gebietskörperschaften entspricht dem ASchG (während nach der "allgemeinen" Regelung des § 1 Abs. 2 AÜG die Überlassung von Arbeitskräften durch Gebietskörperschaften vom Geltungsbereich dieses Gesetzes - soweit hier von Interesse - ausgenommen war). Auch das Fehlen einer Einschränkung auf vertragliche Überlassungen (wie nach § 3 Abs. 2 AÜG) entspricht dem Konzept des ASchG.

28 Vor dem dargestellten Hintergrund ist im Revisionsfall primär entscheidend, ob die durch das LSG (im Jahr 2003, also Jahre vor Inkrafttreten des § 11a KA-AZG) erfolgte "Zuweisung" von Landesbediensteten an die damit geschaffene Betriebsgesellschaft, die S, dem Tatbestand einer Überlassung iSd § 11a KA-AZG entspricht; liegt eine solche Überlassung vor, trifft die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für Übertretungen des KA-ZG den Beschäftiger, nicht aber den arbeitsvertragsrechtlichen Dienstgeber.

29 Entgegen der Auffassung des Mitbeteiligten ist dies nicht zu bezweifeln: Wenn die betreffenden Landesbediensteten der Betriebsgesellschaft "zur dauernden Dienstleistung zugewiesen" werden (§ 1 Abs. 1 LSG), wird mit dieser Zuweisung auch die Verfügung über den Einsatz dieser Arbeitskräfte der Betriebsgesellschaft übertragen, ihr werden damit iSd § 11a KA-AZG Dienstnehmer zur Verfügung gestellt, um für sie unter ihrer Anweisung und Kontrolle zu arbeiten.

So wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum LSG (RV 102, BlgLT, 12. GP) ausgeführt, die zu gründende Betriebsgesellschaft solle "unter Wahrung der gesundheitspolitischen Verantwortung des Landes die Landeskrankenanstalten als Rechtsträger führen", der "Geschäftsführer der GmbH soll im Sinn einer klaren und wirksamen Führungsverantwortung umfassende Zuständigkeiten auch auf dem Gebiet des Personalwesens erhalten".

30 Daran ändern die vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen Bestimmungen des § 2 LSG nichts:

Zwar steht nach § 2 Abs. 1 LSG (nur) die "Diensthoheit" über die der Betriebsgesellschaft zugewiesenen oder von ihr aufgenommenen Landesbediensteten der Landesregierung zu; die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ist bei Besorgung der Aufgaben der Dienstbehörde oder des Dienstgebers an die Weisungen der Landesregierung gebunden. Die Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft ist "Dienstbehörde" für alle ihr zugewiesenen Landesbeamten bzw. mit der Vertretung des Landes als Dienstgeber gegenüber allen ihr zugewiesenen nichtbeamteten Landesbediensteten betraut (§ 2 Abs. 2 bzw. 3 LSG).

31 Diese Regelungen sind offenbar den bundesverfassungsgesetzlichen Vorgaben nach Art. 21 Abs. 3 zweiter Satz B-VG, wonach die "Diensthoheit" gegenüber den Bediensteten der Länder von deren obersten Organen ausgeübt wird, geschuldet (vgl. insbesondere die Ausführungen in der Regierungsvorlage, wonach "ausdrücklich klargestellt werden (soll), dass durch die Zuweisung von Landesbediensteten zur Betriebsgesellschaft die verfassungsgesetzlich normierte Diensthoheit ... nicht verletzt wird"). Sie ändern aber - auch vor dem Hintergrund der Maßgeblichkeit des "wahren wirtschaftlichen Gehalts" und nicht der "äußeren Erscheinungsform" des Sachverhalts nach § 4 Abs. 1 AÜG sowie der nach Art. 21 Abs. 2 B-VG eingeschränkten Kompetenz der Länder in Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes (vgl. die wiedergegebenen Materialien zu § 11a KA-AZG) - nichts am Vorliegen einer Überlassung iSd § 11a KA-AZG und damit an der dadurch auf den Beschäftiger verlagerten verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten als Geschäftsführer des Unternehmens, dem die Bediensteten zur Arbeitsleistung überlassen wurden; dieser wurde insoweit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Beschäftigers und nicht als Organ einer Gebietskörperschaft iSd § 12 Abs. 2 KA-AZG tätig.

32 Die gegenteilige, vom Verwaltungsgericht vertretene Sichtweise würde zudem deutlich die Zielsetzungen des § 11a KA-AZG konterkarieren: Das KA-AZG (BGBl. I Nr. 8/1997 in der Stammfassung) normierte erstmals einheitliche Arbeitszeitregelungen für Dienstnehmer in Krankenanstalten unabhängig vom Rechtsträger, während zuvor für Krankenanstalten von Gebietskörperschaften keine gesetzlichen Arbeitszeitbegrenzungen bestanden. In den Materialien zur Stammfassung (RV 386 BlgNR, 20. GP) wird ausgeführt, dass damit die arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 93/104/EG innerstaatlich umgesetzt würden. Die in den Materialien zu § 11a KA-AZG angesprochene "bessere Durchsetzbarkeit des Arbeitszeitschutzes" durch Eröffnung einer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beschäftiger im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung auch dann, wenn die Überlassung durch eine Gebietskörperschaft erfolgt, wäre inhaltsleer, wenn der Beschäftiger als "Organ einer Gebietskörperschaft" iSd § 12 Abs. 2 KA-AZG angesehen würde, weil damit erst recht keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit bestünde.

33 Eine Regelung wie die des LSG, wonach die Diensthoheit über die einer Betriebsgesellschaft zugewiesenen Landesbediensteten der Landesregierung zusteht, an deren Weisungen ihr Geschäftsführer bei Besorgung der Aufgaben der Dienstbehörde oder des Dienstgebers gebunden ist, ändert daher nichts an der durch § 11a KA-AZG normierten Zuordnung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung, die durch § 12 Abs. 2 KA-AZG insofern nicht berührt wird.

34 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht die Rechtslage unrichtig beurteilt hat, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am