VwGH 22.12.2010, 2007/08/0128
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Es ist ohne Relevanz, wenn die Behörde das Verhalten des Arbeitslosen bloß nicht dem richtigen Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG unterstellt hat, soferne die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrfrist nach einem anderen Tatbestand vorlagen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0037). |
Normen | |
RS 2 | Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen der Arbeitslose aufgefordert worden war, in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachzuweisen, ausgesprochen, dass dies nichts daran ändern kann, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0323 mwN). Nichts anderes kann in einem Fall gelten, in dem das Arbeitsmarktservice den Arbeitslosen zwar nicht zu einer bestimmten Anzahl von Bewerbungen aufgefordert hat, ihm aber "verbindliche Vorgaben hinsichtlich Umfang und Form der Eigeninitiative" dahingehend machte, dass er sich auf bestimmte von einem Dritten aufgezeigte Arbeitsmöglichkeiten hin zu bewerben habe. Auch in diesem Fall kann die Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG nicht schematisch darauf gestützt werden, dass der Arbeitslose diese "Vorgaben" in einem Fall nicht erfüllt hat, sondern setzt Feststellungen über das Gesamtverhalten des Arbeitslosen in rechtlicher Hinsicht voraus, um in Bezug auf die Arbeitssuche beurteilen zu können, ob er "ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung" nachweisen kann. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des K H in P, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kärntner Ring 10, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2007, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 und § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 26. März bis ausgesprochen. Nachsicht wurde nicht erteilt.
Nach Wiedergabe des Wortlauts von § 10 Abs. 1 und 3 und § 9 Abs. 1 und 2 AlVG und der Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde - unter anderem - folgenden Sachverhalt fest:
"Aufgrund der langen Arbeitslosigkeit des (Beschwerdeführers) wurde mit diesem vereinbart, dass er zusätzlich von den MitarbeiterInnen der Aus- und Weiterbildungs-GesmbH betreut wird. Im Rahmen dieser Jobworking-Maßnahme wurde er von Herrn (B.) betreut. Niederschriftlich vereinbarte die Regionale Geschäftsstelle Neunkirchen mit dem (Beschwerdeführer) am verbindliche Vorgaben hinsichtlich Umfang und Form der Eigeninitiative zur Erlangung einer Beschäftigung bei jenen Unternehmen, die von den Jobworkern im Rahmen der Maßnahme 'Jobworking' bekannt gegeben werden. Der Umfang dieser verbindlichen Vorgaben richtet sich nach den Bewerbungen bei den von den Jobworkern aufgezeigten Stellen und der zeitliche Rahmen wurde auf die Dauer der Betreuung durch die Jobworker angegeben. Weiters wurde dem (Beschwerdeführer) in dieser Niederschrift nachweislich zur Kenntnis gebracht, dass, wenn er diese Vorgaben zur Eigeninitiative nicht einhält bzw. nicht ausreichend glaubhaft macht, oder diese Vorgaben nicht erfüllt, er den Leistungsanspruch gemäß § 10 AlVG für die Dauer der auf die Weigerung folgenden 6 Wochen verliert. Der Berufungswerber hat diese verbindlichen Vorgaben mit seiner Unterschrift am nachweislich bestätigt."
B. habe mit dem Beschwerdeführer vereinbart, dass dieser am ein Vorstellungsgespräch bei der Firma A. für eine Stelle als Hilfsarbeiter im Metallbereich absolvieren werde. Als Treffpunkt sei die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Neunkirchen vereinbart worden. Der Beschwerdeführer sei zu diesem mit B. vereinbarten Treffpunkt erschienen, habe sich in weiterer Folge jedoch geweigert, das Bewerbungsgespräch zu absolvieren. In einer noch am selben Tag aufgenommenen Niederschrift habe er angegeben, sich erniedrigt zu fühlen, bei dem Bewerbungsgespräch von einem "Jungen" (gemeint B.) begleitet zu werden. Er wolle die Adresse der Firma haben und sich ohne Begleitung dort selbst bewerben.
Das Arbeitsmarktservice habe B. aufgefordert, sich zu diesen Vorkommnissen zu äußern. In seiner Stellungnahme habe B. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei bisherigen Gruppensitzungen immer sehr interessiert und engagiert gewesen sei. Von dem geplanten Bewerbungsgespräch am sei der Beschwerdeführer zwei Tage vorher telefonisch unter Angabe des Namens der Firma und des Tätigkeitsbereichs am angebotenen Arbeitsplatz von B. informiert worden. Von einer Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice sei dem Beschwerdeführer noch telefonisch bestätigt worden, dass dieses Bewerbungsgespräch Vorrang vor einem zeitgleich stattfindenden Kurs habe. Am Tag des Bewerbungsgesprächs habe der Beschwerdeführer B. mitgeteilt, dass er keinen Babysitter brauche und nicht mit ihm mitfahren würde. B. habe daraufhin gemeint, dass der Beschwerdeführer das Gespräch bei der Firma A. auch alleine absolvieren könne und er sich beeilen müsse, um nicht zu spät zu kommen. Dies sei dem Beschwerdeführer auch von dem hinzugezogenen Abteilungsleiter der Beratungszone der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bestätigt worden. Der Beschwerdeführer habe aber weiter die Teilnahme an dem Bewerbungsgespräch verweigert und sich nunmehr auf ein "Anrecht auf Arbeitslosigkeit" für mindestens weitere eineinhalb Jahre berufen. Das Bewerbungsgespräch sei daraufhin abgesagt und der Beschwerdeführer schriftlich einvernommen worden.
Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren zur Wahrung des Parteiengehörs die Stellungnahme von B. per E-Mail nachweislich (an seine damalige Vertreterin) übermittelt worden sei. In einer Antwort auf diese E-Mail sei von der Vertreterin des Beschwerdeführers mitgeteilt worden, dass die Berufung vollinhaltlich aufrechterhalten werde und keine Vereitelung einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen Beschäftigung vorliege. Die Verpflichtung, im Rahmen der Eigeninitiative Bewerbungen bei von der Aus- und Weiterbildungs-GmbH aufgezeigten Stellen vorzunehmen, entfalte als sittenwidrige Vereinbarung keine Rechtswirkung und könne daher auch nicht zum Verlust der Notstandshilfe führen.
In einem Antwortmail an die Vertreterin des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde klargestellt, dass im vorliegenden Fall keine Zuweisung durch das Arbeitsmarktservice vorliege, der Beschwerdeführer aber im Rahmen der vereinbarten Eigeninitiative dem Stellenangebot nachgehen hätte müssen.
Rechtlich erwog die belangte Behörde, dass sich der Beschwerdeführer niederschriftlich am dazu verpflichtet habe, Bewerbungen bei den von "Jobworking" aufgezeigten Stellen durchzuführen. Er sei in dieser Niederschrift auch darauf hingewiesen worden, dass er bei Nichterfüllung dieser verbindlichen Vorgaben den Leistungsanspruch gemäß § 10 AlVG verliere. Durch die Weigerung, an dem von B. vorgeschlagenen Vorstellungsgespräch bei der Firma A. teilzunehmen, habe der Beschwerdeführer daher gegen seine niederschriftlich vereinbarten Verpflichtungen verstoßen. Das Berufungsvorbringen, wonach die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht richtig sei, da keine Zuweisung durch das Arbeitsmarktservice vorgelegen habe, werde "ausdrücklich als richtig festgestellt." Im gegenständlichen Fall läge weder eine Zuweisung durch die regionale Geschäftsstelle vor, noch habe der Beschwerdeführer "den Tatbestand gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ('Nichtannahme einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit') erfüllt. Der (Beschwerdeführer) habe jedoch den Tatbestand gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ('auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternimmt, um eine Beschäftigung zu erlangen') gesetzt." Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es jedoch ohne Relevanz, wenn die Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers bloß nicht dem richtigen Tatbestand gemäß § 10 AlVG unterstelle, sofern die Voraussetzungen für die Verhängung einer Ausschlussfrist nach einen anderen Tatbestand vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 9 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:
"§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."
§ 10 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde."
Die genannten Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
2. Nach ständiger hg. Rechtsprechung sind die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0035 mwN).
3. Die Beschwerde verweist zunächst darauf, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur das Arbeitsmarktservice selbst Arbeitsgelegenheiten vermitteln dürfe, nicht aber Dritte, was im gegenständlichen Fall jedoch geschehen sei. Die Ablehnung einer solchen Zuweisung durch einen Dritten könne daher nicht die Sanktion des § 10 Abs. 1 AlVG nach sich ziehen. Der Beschwerdeführer vertrete nun die Auffassung, die Ablehnung eines von einem Dritten vermittelten Vorstellungsgesprächs könne auch nicht § 9 Abs. 1 "5. Teilstrich" AlVG (gemeint: "von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen") verwirklichen, weil es sonst zu einer Umgehung des ausschließlichen Kompetenzbereichs des Arbeitsmarktservice käme. Daran ändere auch die Niederschrift vom nichts, weil diese im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtswidrig sei. Es könnten nämlich nicht über den Weg einer Vereinbarung zu Lasten des Beschwerdeführers neue Tatbestände des § 10 AlVG geschaffen werden.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde den ausgesprochenen Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe nicht darauf gestützt hat, dass sich der Beschwerdeführer geweigert habe, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0037, wonach § 9 Abs. 1 AlVG - in der auch im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 104/2007 - nur die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ermächtigt, Arbeitsgelegenheiten mit der Sanktionsmöglichkeit des § 10 AlVG zu vermitteln, nicht aber auch außerhalb der regionalen Geschäftsstelle stehende Dritte).
4. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid weiters ausdrücklich festgehalten, dass dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werde, er habe eine "sonst sich bietende Beschäftigung" nicht angenommen.
Zwar wäre es im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ohne Relevanz, wenn die belangte Behörde das Verhalten des Beschwerdeführers bloß nicht dem richtigen Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG unterstellt hätte, soferne die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrfrist nach einem anderen Tatbestand vorlagen (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ; zur Sanktionierbarkeit der Nichtannahme einer "sonst sich bietenden Beschäftigung" vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0252). Im Beschwerdefall wurde jedoch nicht festgestellt, dass das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses allein am Beschwerdeführer gelegen wäre oder dass der potenzielle Dienstgeber (oder ein von diesem Bevollmächtigter) direkt mit dem Beschwerdeführer in Kontakt getreten wäre, sodass nach der Aktenlage auch keine ausreichende Grundlage dafür besteht, die Verhängung einer Sperrfrist wegen Nichtannahme einer sonst sich bietenden Beschäftigung als gerechtfertigt zu beurteilen.
5. Die belangte Behörde begründete den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe ausschließlich damit, dass der Beschwerdeführer nicht auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus unternommen habe, um eine Beschäftigung zu erlangen, wobei sie sich auf die Niederschrift vom bezog, in der sich der Beschwerdeführer dazu verpflichtet habe, sich "bei den von den Jobworkern aufgezeigten Stellen" zu bewerben. Durch die Weigerung, an dem von seinem "Betreuer" organisierten Bewerbungsgespräch bei der Firma A. teilzunehmen, habe der Beschwerdeführer gegen seine in der Niederschrift vom vereinbarten Verpflichtungen verstoßen.
In der vom Beschwerdeführer unterzeichneten Niederschrift vom wurde unter anderem Folgendes festgehalten:
"Gegenstand der Verhandlung:
Verbindliche Vorgaben hinsichtlich Umfang und Form der Eigeninitiative einer Beschäftigung bei jenen Unternehmen, die von den Jobworkern im Rahmen der Maßnahme Jobworking bekannt gegeben werden.
Mit mir wurden folgende verbindliche Vorgaben vereinbart:
Umfang: Bewerbung bei den von Jobworkern aufgezeigten
Stellen
Form der Bewerbung: wie vom Betrieb gewünscht
zeitlicher Rahmen: max. 18 Monate
Art der Nachweise: wie mit den Jobworkern vereinbart,
z. B. Angabe einer Kontaktperson, Kopie der Bewerbung
Ich nehme zur Kenntnis, dass, wenn ich diese Vorgaben zur Eigeninitiative nicht einhalte bzw. nicht glaubhaft mache, oder diese Vorgaben nicht erfülle, den Leistungsanspruch gemäß § 10 AlVG für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen verliere."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen der Arbeitslose aufgefordert worden war, in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachzuweisen, ausgesprochen, dass dies nichts daran ändern kann, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat. Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0323 mwN).
Nichts anderes kann in einem Fall wie dem hier vorliegenden gelten, in dem das Arbeitsmarktservice den Beschwerdeführer zwar nicht zu einer bestimmten Anzahl von Bewerbungen aufgefordert hat, ihm aber "verbindliche Vorgaben hinsichtlich Umfang und Form der Eigeninitiative" dahingehend machte, dass er sich auf bestimmte von einem Dritten aufgezeigte Arbeitsmöglichkeiten hin zu bewerben habe. Auch in diesem Fall kann die Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG nicht schematisch darauf gestützt werden, dass der Arbeitslose diese "Vorgaben" in einem Fall nicht erfüllt hat, sondern setzt Feststellungen über das Gesamtverhalten des Arbeitslosen in rechtlicher Hinsicht voraus, um in Bezug auf die Arbeitssuche beurteilen zu können, ob er "ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung" nachweisen kann.
Da die belangte Behörde auf Grund ihrer unzutreffenden Rechtsansicht, bereits der Verstoß gegen die in der Niederschrift vom festgelegten "Vorgaben" für sich reiche für die Verhängung der Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 4 AlVG aus, keine Gesamtbeurteilung der vom Beschwerdeführer entwickelten Eigeninitiative vorgenommen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 18014 A/2010 |
Schlagworte | Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2007080128.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAE-91538