VwGH vom 06.09.2012, 2011/18/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des CL in W, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/454119/2010, betreffend Entziehung eines Reisepasses sowie Versagung der Ausstellung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid entzog die belangte Behörde gestützt auf § 14 Abs. 1 Z 3 lit. b iVm § 15 Abs. 1 Passgesetz 1992 (PassG) dem Beschwerdeführer einen ihm ausgestellten österreichischen Reisepass und wies seine Anträge auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses gemäß § 14 Abs. 1 Z 3 lit. b PassG ab.
Der gegenständliche Fall gleicht darin, dass die belangte Behörde die Zulässigkeit der Einschränkung des dem Beschwerdeführer an sich unionsrechtlich zustehenden Rechts auf Freizügigkeit nicht anhand des unionsrechtlich vorgegebenen Maßstabes geprüft hat, und auch nicht beurteilt hat, ob sich diese Maßnahme als verhältnismäßig darstellt, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/18/0168, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Die belangte Behörde beruft sich - insoweit durch Verweis auf die Ausführungen im Bescheid der Behörde erster Instanz - allerdings im vorliegenden Fall auch auf § 14 Abs. 3 PassG. Nach dieser Bestimmung ist, wenn den in § 14 Abs. 1 Z 3 lit. b bis f und Z 4 und Z 5 PassG angeführten Tatsachen gerichtlich strafbare Handlungen zu Grunde liegen, bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von dem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach den §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Vor dem Hintergrund der nunmehr vom EuGH klargestellten - und im oben genannten Erkenntnis 2009/18/0168 näher dargelegten - Rechtslage stellt sich die Vorschrift des § 14 Abs. 3 PassG, mit der - ohne dass eine Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles möglich wäre - eine gesetzliche Vermutung des Bestehens einer maßgeblichen Gefahr für eine im Vorhinein festgelegte Zeit angeordnet wird, mit den unionsrechtlichen Vorgaben der RL 2004/38/EG, denen zufolge nicht schon für sich genommen der Umstand der strafrechtlichen Verurteilung die Einschränkung des aus dem Unionsrecht herrührenden Rechts auf Freizügigkeit zur Folge haben darf (Art. 27 Abs. 2), als nicht vereinbar dar. § 14 Abs. 3 PassG hat daher infolge der dem Unionsrecht beizumessenden Vorrangwirkung unangewendet zu bleiben.
Der angefochtene Bescheid ist somit aus den angeführten Gründen mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Er war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf weitere unionsrechtliche Problemstellungen hätte eingegangen werden müssen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am