VwGH 24.02.2011, 2009/10/0125
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 1 | § 9 Abs. 1 OÖ NatSchG 2001 verbietet an Seen und ihren Ufern bis zu einer gegenteiligen Feststellung jeden Eingriff in das Landschaftsbild, dh jede Maßnahme, die den optischen Eindruck der die Seen umgebenden Landschaft maßgeblich verändert (vgl. E , 2003/10/0195; E , 2004/10/0235). Entscheidend für eine solche maßgebliche Veränderung ist dabei, inwieweit das aktuelle, durch eine Vielzahl von (der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegenden) Merkmalen geprägte Bild der Landschaft infolge Hinzutretens der beantragten Maßnahmen optisch so verändert wird, dass es eine neue Prägung erfährt (vgl. E , 2008/10/0287). |
Normen | NatSchG OÖ 2001 §1 Abs1; NatSchG OÖ 2001 §3 Z8; NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1 Z1; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
RS 2 | Landschaft ist ein charakteristischer, individueller Teil der Erdoberfläche, bestimmt durch das Wirkungsgefüge der hier vorhandenen Geofaktoren einschließlich der anthropogeographischen, mögen auch die Einwirkungen des Menschen, etwa durch bauliche Anlagen, nur untergeordnete Teile der Landschaft ausmachen (Hinweis E , 1082/68, VwSlg 7538 A/1969, und E , 83/10/0228, VwSlg 11253 A/1983). Zur Landschaft gehört auch die Kulturlandschaft. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 91/10/0129 E RS 12
(Hier mit dem Zusatz: Vom Schutz, den das Naturschutzgesetz dem
Landschaftsbild gewährt, ist auch das Bild der Kulturlandschaft
erfasst (vgl. E , 95/10/0122).) |
Normen | B-VG Art118 Abs2; NatSchG OÖ 2001 §3 Z2; NatSchG OÖ 2001 §3 Z8; NatSchG OÖ 2001 §58 Abs5; NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1 Z1; NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1 Z2; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
RS 3 | Unter "Landschaftsbild" iSd naturschutzgesetzlichen Regelungen ist, im Gegensatz zum "Ortsbild", das Bild der weiteren Umgebung zu verstehen, die in erster Linie durch die Natur gestaltet ist, mag auch der Mensch in sie eingegriffen haben, und in der die baulichen Anlagen eines Ortes eine nur untergeordnete Rolle spielen (vgl. E , 90/10/0140). "Ortsbild" hingegen ist die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles, die grundsätzlich von den baulichen Anlagen des Ortes geprägt wird und deren Schutz in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG fällt (vgl. E VfSlg. 8944/1980). Nun bestehen zwischen dem "Ortsbild" und dem "Landschaftsbild" regelmäßig Wechselwirkungen (vgl. E VfSlg 8944/1980). Eine bauliche Maßnahme kann - abhängig von ihrer Situierung, Dimensionierung etc. - sowohl das "Ortsbild", dessen Schutz der Gemeinde im Rahmen der örtlichen Baupolizei obliegt, als auch das (überörtliche) "Landschaftsbild" verändern, dessen Schutz von der Naturschutzbehörde nach den Bestimmungen des OÖ NatSchG 2001 wahrzunehmen ist. Um jedoch von einem Eingriff in das Landschaftsbild iSd § 3 Z. 2 OÖ NatSchG 2001 sprechen zu können, bedarf es einer maßgeblichen ("prägenden") Veränderung der das Bild der "weiteren Umgebung" bestimmenden Landschaftsmerkmale. Eine Veränderung bloß des durch die baulichen Anlagen bestimmten optischen Eindrucks eines Ortes oder Ortsteiles ist dafür nicht ausreichend. Nicht die Veränderung des "Ortsbildes" allein ist nämlich entscheidend, sondern gegebenenfalls, ob diese Veränderung - darüber hinaus - zu einer maßgeblichen Veränderung des (dem Schutz des OÖ NatSchG 2001 unterliegenden) "Landschaftsbildes" führt. Erst im letzteren Fall kann die Tatbestandsvoraussetzung des "Eingriffes in das Landschaftsbild" iSd §§ 9 Abs. 1 Z. 2 und 58 Abs. 5 OÖ NatSchG 2001 als erfüllt angesehen werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde 1.) des FR und
2.) der BR, beide in A, beide vertreten durch Dr. Michael Raninger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. N-105812/8-2009-Mö/HI, betreffend naturschutzbehördliche Feststellung und Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der OÖ Landesregierung vom wurde der Feststellungsantrag der beschwerdeführenden Parteien, durch die bereits errichtete straßenseitige blickdichte Einfriedung in Form einer aus Holzlatten mit schwarzem Bitumen hinterlegten Schallschutzbzw. Lärmschutzwand entlang der B 145 in einer Länge von ca. 20 m auf dem Grundstück Nr. X, KG A., in der 500 m-Seeuferschutzzone des Traunsees, würden solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt, abgewiesen (Spruchpunkt 1). Gleichzeitig wurde den beschwerdeführenden Parteien aufgetragen, die konsenslos errichtete Einfriedung binnen festgesetzter Frist auf ihre Kosten zu entfernen und den gesetzeskonformen Zustand herzustellen (Spruchpunkt 2).
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, das erwähnte Grundstück sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde A. als "Bauland - Wohngebiet" ausgewiesen. Es liege weiters in einem Bereich, der von der 3. Seeuferschutz-Ausnahmeverordnung erfasst werde; es liege im so genannten "rot umrandeten Bereich" entsprechend den Anlagen 1 und 2 zu dieser Verordnung. Innerhalb dieses Bereiches bestehe für die Errichtung oder Änderung bestimmt gestalteter Einfriedungen (d.h. Einfriedungen in Form von blickdurchlässigen Holzlattenzäunen mit mindestens 40 % Zwischenraumanteil, Maschendrahtzäunen und lebenden Hecken bis zu einer Höhe von 1,5 m), nicht aber für Lärmschutzwände und geschlossene Sichtschutzwände, eine Ausnahme vom Eingriffsverbot des § 9 Abs. 1 OÖ Naturschutzgesetz 2001. Im vorliegenden Fall gehe es um die Errichtung einer Schallschutz- bzw. Lärmschutzwand, bestehend aus einem ca. 80 cm hohen Betonsockel, Metallstehern und Holzsegmenten mit einer Höhe von ca. 1,4 m. Es handle sich somit um eine blickdichte, insgesamt ca. 2,2 m hohe Konstruktion, für die die Ausnahme vom Eingriffsverbot daher nicht in Betracht komme.
Für die Beurteilung dieser Einfriedung als Eingriff in das Landschaftsbild sei maßgeblich, inwieweit das aktuelle, durch eine Vielzahl von der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegenden Merkmalen geprägte Bild der Landschaft infolge des Hinzutretens der Einfriedung optisch verändert werde.
Dem Gutachten des naturkundefachlichen Amtssachverständigen folgend sei als Beurteilungsraum eine ca. 300 m lange Strecke entlang der B 145 heranzuziehen, beginnend bei der Ortseinfahrt A. bis zur Abzweigung zur Schiffsanlegestelle. Das verfahrensgegenständliche Grundstück liege etwa in der Mitte dieses Abschnittes, und zwar in einem Siedlungsraum, der sich ostseitig der B 145 bis zum Ufer des Traunsees erstrecke und der sich neben der Wohnbebauung und größeren Gebäuden durch eine bestimmte Art der Grundstückseinfriedung auszeichne (überwiegend Hecken, Maschendrahtzäune und Metallgitterzäune sowie Holzlattenzäune mit einer Höhe von durchschnittlich etwa 1 m). Rechtmäßig bestehende Lärmschutzwände bestünden nicht; für die blickdichten Bretterwände und Lärmschutzwände bei den Grundstücken Nr. 196/4 und 157/10 bestehe weder eine naturschutzbehördliche Bewilligung/Feststellung, noch liege ein rechtmäßiger Altbestand vor. Zwar übten bestehende größere Gebäude, wie z.B. ein Supermarkt oder das - dem Grundstück der beschwerdeführenden Partei gegenüberliegende - Alpenhotel eine dominante Wirkung auf das Landschaftsbild aus. Lärmschutzwände entlang der Bundesstraße stellten in diesem Abschnitt jedoch ein neues künstliches Element dar, das zum Teil eine großflächige Wirkung erzeuge und daher dem unmittelbaren Straßenraum ein völlig neues Gepräge gäbe. Durch die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien werde auch eine Zerschneidung dieses Teilraumes bewirkt, was gleichbedeutend sei mit einer Störung der Sichtbeziehungen bis hin zu einer gänzlichen Sichtbarriere. Die Lärmschutzwand bewirke eine blickdichte, flächenhafte Wirkung mit einer Regelgeometrie, die dem Erscheinungsbild einer üblichen Hecke oder eines Zaunes mit mindestens 40 % Zwischenraumanteil und Hinterpflanzung entgegensteht. Verstärkt werde die Kontrastwirkung durch die Höhenentwicklung von mehr als 1 - 1,2 m, weil dabei auch eine dreidimensionale Wirkung erreicht werde und zusätzlich die Barrierewirkung die Wahrnehmung des dahinterliegenden Umfeldes gänzlich einschränke. Zur Frage einer Begrünung der Lärmschutzwand mit Rank- oder Klettergewächsen habe der Sachverständige ausgeführt, dass diese absolut nicht geeignet sei, die Barrierewirkung zu mildern; die geometrische Ausformung der Lärmschutzwand könne damit nicht aufgehoben, die Eingriffswirkung auf das Landschaftsbild nicht reduziert werden. Als künstliches Element mit einer völlig neuen Struktur trete die Einfriedung der beschwerdeführenden Parteien im erwähnten Umgebungsbereich als Fremdkörper in Erscheinung. Es komme zu einer zusätzlichen Verdichtung von künstlichen Faktoren mit neuen geometrischen Formen, sodass das Gepräge des Umgebungsbereiches entscheidend verändert werde. Der Hinweis der beschwerdeführenden Parteien auf bestehende Eingriffe (Bootshütten an der Uferlinie des Traunsees) sei zu entgegnen, dass diese keinesfalls in Zuordnung zur gegenständlichen Lärmschutzwand gesehen werden können und Bootshütten auch eine deutlich andere Formensprache aufwiesen. Sie könnten daher allenfalls eine maßgebliche Eingriffswirkung in das Landschaftsbild bewirken, sie könnten aber nicht als Argument für den Verbleib der 100 - 150 m entfernten Lärmschutzwand herangezogen werden.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens sei daher zunächst festzustellen, dass ein maßgeblicher Eingriff in das Landschaftsbild vorliege, der auch durch Auflagen nicht gemildert werden könne.
Wegen der besonderen Schönheit der Seeuferlandschaft des Traunsees komme dem Schutz des Landschaftsbildes eine überragende Bedeutung zu. Es bestehe daher ein besonderes öffentliches Interesse am Unterbleiben der mit dem beantragten Vorhaben verbundenen dominanten und prägenden Auswirkungen auf das sich darstellende Landschaftsbild.
Interessen der beschwerdeführenden Parteien, den von der B 145, einer der am stärksten frequentierten Bundesstraßen Oberösterreichs, ausgehenden Verkehrslärm zu mindern, seien zwar anzuerkennen. Allerdings handle es sich dabei um rein private Interessen. Das gesetzlich verankerte öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz sei höher zu bewerten, weil bloß privaten Interessen im Regelfall nicht dasselbe Gewicht zukomme wie dem öffentlichen Interesse.
Eine befristete Bewilligung der Lärmschutzwand bis zur Realisierung einer Umfahrung von A. komme nicht in Betracht, weil eine Realisierung eines solchen Projekts derzeit nicht abschätzbar sei.
Da eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden könne, sei den beschwerdeführenden Parteien gleichzeitig die Entfernung der konsenslos errichteten Lärmschutzwand aufzutragen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des OÖ Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001, LGBl. Nr. 129/2001 idF LGBl. Nr. 138/2007, (OÖ NSchG 2001) lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 1
Zielsetzungen und Aufgaben
(1) Dieses Landesgesetz hat zum Ziel, die heimische Natur und Landschaft in ihren Lebens- oder Erscheinungsformen zu erhalten, sie zu gestalten und zu pflegen und dadurch dem Menschen eine ihm angemessene bestmögliche Lebensgrundlage zu sichern (öffentliches Interesse am Natur- und Landschaftsschutz).
(2) Durch dieses Landesgesetz werden insbesondere geschützt:
1. das ungestörte Wirkungsgefüge des Naturhaushaltes (Ablauf natürlicher Entwicklungen);
2. der Artenreichtum der heimischen Pflanzen-, Pilz- und Tierwelt (Artenschutz) sowie deren natürliche Lebensräume und Lebensgrundlagen (Biotopschutz);
3. die Vielfalt, Eigenart, Schönheit und der Erholungswert der Landschaft;
Mineralien und Fossilien;
Naturhöhlen und deren Besucher.
...
(4) Im Sinn des Abs. 1 sind Eingriffe in die Natur und Landschaft, wie insbesondere Schädigungen des Naturhaushaltes oder der Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten, Beeinträchtigungen des Erholungswertes der Landschaft und Störungen des Landschaftsbildes nach Maßgabe der näheren Bestimmungen dieses Landesgesetzes verboten. Wenn nach diesem Landesgesetz solche Maßnahmen zulässig sind, sind sie jedenfalls so durchzuführen, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.
...
§ 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:
...
2. Eingriff in das Landschaftsbild: eine Maßnahme von nicht nur vorübergehender Dauer, die zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert;
...
8. Landschaftsbild: Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft;
...
§ 9
Natur- und Landschaftsschutz im Bereich von Seen
(1) Jeder Eingriff
in das Landschaftsbild und
im Grünland (§ 3 Z. 6) in den Naturhaushalt an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts ist verboten, solang die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.
...
(3) Eine bescheidmäßige Feststellung gemäß Abs. 1 kann auch unter Bedingungen, befristet oder mit Auflagen erteilt werden, wenn dies zur Wahrung der öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes erforderlich ist.
...
§ 58
Besondere administrative Verfügungen
(1) Wurden bewilligungs- oder anzeigepflichtige Vorhaben ohne Bewilligung oder sonst rechtswidrig ausgeführt oder wurden in Bescheiden verfügte Bedingungen, Befristungen oder Auflagen nicht eingehalten, kann die Behörde unabhängig von einer Bestrafung nach § 56 demjenigen, der rechtswidrig das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen, oder dessen Rechtsnachfolger mit Bescheid auftragen, binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist auf seine Kosten den vorherigen Zustand wieder herzustellen bzw. den bescheidmäßigen oder angezeigten projektmäßigen Zustand herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.
...
(5) Die Abs. 1 bis 4 sind sinngemäß bei widerrechtlichen Eingriffen in das Landschaftsbild oder in den Naturhaushalt gemäß §§ 9 oder 10 und bei verbotenen Werbeeinrichtungen gemäß § 13 anzuwenden."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das Gutachten eines Sachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz gestützte Auffassung zu Grunde, die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien befinde sich zum einen im Seeuferschutzbereich des § 9 OÖ NSchG 2001 und zum anderen im Ortsgebiet von A. Der für die landschaftsbildliche Beurteilung herangezogene Umgebungsbereich entlang der Bundesstraße B 145 weise neben der Wohnbebauung und größeren Gebäuden Einfriedungen in Form von Maschendrahtzäunen, Metallgitterzäunen, Holzlattenzäunen und Hecken mit einer Höhe von durchschnittlich 1 m auf. Rechtmäßig bestehende Lärmschutzwände seien hier nicht vorhanden und stellten daher ein neues künstliches Element dar, welches eine großflächige Wirkung erzeuge und dem unmittelbaren Straßenraum ein völlig neues Gepräge gebe. Die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien bewirke auch eine Zerschneidung dieses Teilraumes, was gleichbedeutend mit einer Störung der Sichtbeziehungen bis hin zu einer gänzlichen Sichtbarriere sei. Die Lärmschutzwand bewirke eine blickdichte, flächenhafte Wirkung mit einer Regelgeometrie, welche dem Erscheinungsbild einer üblichen Hecke oder eines Zaunes mit mindestens 40 % Zwischenraumanteil und Hinterpflanzung entgegensteht. Verstärkt werde die Kontrastwirkung durch die Höhenentwicklung von mehr als 1 - 1,2 m, weil dabei auch eine dreidimensionale Wirkung erreicht und die Wahrnehmung des dahinterliegenden Umfeldes gänzlich eingeschränkt werde. Die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien habe daher dominante und prägende Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Die privaten Interessen der beschwerdeführenden Parteien an der Lärmschutzwand könnten die öffentlichen Interessen des Naturschutzes am Unterbleiben dieses Eingriffs nichts überwiegen. Eine Feststellung gemäß § 9 Abs. 1 OÖ NSchG 2001 komme daher nicht in Betracht; der Antrag der beschwerdeführenden Parteien sei daher abzuweisen und ihnen gleichzeitig die Entfernung der konsenslos errichteten Lärmschutzwand aufzutragen.
Die beschwerdeführenden Parteien wenden ein, das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Gutachten sei gerade in der wesentlichen Feststellung, dass es im zu beurteilenden Bereich keine rechtmäßigen Lärmschutzwände gäbe, unrichtig. Im Gutachten selbst werde nämlich festgestellt, dass in unmittelbarer Nähe zur verfahrensgegenständlichen Lärmschutzwand eine blickdichte Betonwand in einer Länge von 30 m und einer Höhe von rund 1,5 - 1,6 m als Einfriedung errichtet worden sei. Diese auch dem Schallschutz dienende blickdichte Mauer sei mit dem nicht nachvollziehbaren Hinweis, dass sie im Zusammenhang mit einem überdachten Autoabstellplatz geschaffen worden und die Einfahrt zur Gänze offen sei, aus der Beurteilung ausgeklammert worden, obwohl in landschaftsbildlicher Hinsicht kein Unterschied zu einer Lärmschutzwand bestehe. Von einer neuen Prägung des Landschaftsbildes durch die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien könne also keine Rede sein. Es sei nur der Bereich entlang der B 145 berücksichtigt worden, nicht hingegen die nur ca. 80 m entfernten Bootshäuser. Schließlich habe die belangte Behörde zu Unrecht das Interesse der beschwerdeführenden Parteien auf Abwehr der durch Verkehrslärm von der Bundesstraße befürchteten Gesundheitsbeeinträchtigungen als untergeordnet bewertet. Der Schutz des Landschaftsbildes könne rechtens nicht höher bewertet werden als der Schutz der menschlichen Gesundheit. Jedenfalls wäre aber die Erteilung einer befristeten Bewilligung bis zur Herstellung einer Umfahrung von A. in Erwägung zu ziehen gewesen.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:
§ 9 Abs. 1 OÖ NSchG 2001 verbietet an Seen und ihren Ufern bis zu einer gegenteiligen Feststellung jeden Eingriff in das Landschaftsbild, d.h. jede Maßnahme, die den optischen Eindruck der die Seen umgebenden Landschaft maßgeblich verändert (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/10/0195, vom , Zl. 2004/10/0235, u.a.).
Entscheidend für eine solche maßgebliche Veränderung ist dabei, inwieweit das aktuelle, durch eine Vielzahl von (der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegenden) Merkmalen geprägte Bild der Landschaft infolge Hinzutretens der beantragten Maßnahmen optisch so verändert wird, dass es eine neue Prägung erfährt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0287, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Mit "Landschaft" ist ein charakteristischer, individueller Teil der Erdoberfläche gemeint, bestimmt durch das Wirkungsgefüge der hier vorhandenen Geofaktoren einschließlich der anthropogeographischen, mögen auch die Einwirkungen des Menschen, etwa durch bauliche Anlagen, nur untergeordnete Teile der Landschaft ausmachen. Es ist daher vom Begriff der "Landschaft" auch die Kulturlandschaft und vom Schutz, den das Naturschutzgesetz dem Landschaftsbild gewährt, auch das Bild der Kulturlandschaft erfasst (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/10/0122, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Zu beachten ist allerdings, dass unter "Landschaftsbild" iSd naturschutzgesetzlichen Regelungen, im Gegensatz zum "Ortsbild", das Bild der weiteren Umgebung zu verstehen ist, die in erster Linie durch die Natur gestaltet ist, mag auch der Mensch in sie eingegriffen haben, und in der die baulichen Anlagen eines Ortes eine nur untergeordnete Rolle spielen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/10/0140, und die dort zitierte Vorjudikatur). "Ortsbild" hingegen ist die bauliche Ansicht eines Ortes oder Ortsteiles, die grundsätzlich von den baulichen Anlagen des Ortes geprägt wird und deren Schutz in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gemäß Art. 118 Abs. 2 B-VG fällt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 8944/1980).
Nun bestehen zwischen dem "Ortsbild" und dem "Landschaftsbild" regelmäßig Wechselwirkungen (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom ). Eine bauliche Maßnahme kann - abhängig von ihrer Situierung, Dimensionierung etc. - sowohl das "Ortsbild", dessen Schutz der Gemeinde im Rahmen der örtlichen Baupolizei obliegt, als auch das (überörtliche) "Landschaftsbild" verändern, dessen Schutz von der Naturschutzbehörde nach den Bestimmungen des OÖ NSchG 2001 wahrzunehmen ist. Um jedoch von einem Eingriff in das Landschaftsbild iSd § 3 Z. 2 OÖ NSchG 2001 sprechen zu können, bedarf es einer - wie dargelegt - maßgeblichen ("prägenden") Veränderung der das Bild der "weiteren Umgebung" bestimmenden Landschaftsmerkmale. Eine Veränderung bloß des durch die baulichen Anlagen bestimmten optischen Eindrucks eines Ortes oder Ortsteiles ist dafür nicht ausreichend. Nicht die Veränderung des "Ortsbildes" allein ist nämlich entscheidend, sondern gegebenenfalls, ob diese Veränderung - darüber hinaus - zu einer maßgeblichen Veränderung des (dem Schutz des OÖ NSchG 2001 unterliegenden) "Landschaftsbildes" führt. Erst im letzteren Fall kann die Tatbestandsvoraussetzung des "Eingriffes in das Landschaftsbild" iSd §§ 9 Abs. 1 Z. 2 und 58 Abs. 5 OÖ NSchG 2001 als erfüllt angesehen werden.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Annahme, die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien bewirke einen Eingriff in das Landschaftsbild, darauf gestützt, dass der optische Eindruck des als Beurteilungsraum gewählten Teiles des Ortes von A., der durch die Wohnbebauung, größere Gebäude, die Bundesstraße und eine bestimmte Art von Einfriedungen bestimmt werde, durch die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien eine prägende Veränderung erfährt: Die Lärmschutzwand stelle ein neues künstliches Element dar, das dem unmittelbaren Straßenraum ein völlig neues Gepräge gäbe. Überdies werde eine Zerschneidung dieses Teilraumes bewirkt, was gleichbedeutend sei mit einer Störung der Sichtbeziehungen bis hin zu einer gänzlichen Sichtbarriere.
Die von der belangten Behörde angenommenen Veränderungen betreffen also ausschließlich Veränderungen des durch bauliche Merkmale (Wohnbebauung, größere Gebäude, Einfriedungen, Straße) bestimmten Bildes eines Teiles des Ortsgebietes von A., folglich ausschließlich das "Ortsbild" eines Teiles von A. Die belangte Behörde ist somit auf Grund einer am Maßstab einer Beeinträchtigung des Ortsbildes orientierten Beurteilung zu ihrer Auffassung gelangt, die Lärmschutzwand der beschwerdeführenden Parteien bewirke einen "Eingriff in das Landschaftsbild" iSd § 9 OÖ NSchG 2001, ohne weiter zu prüfen, ob die Veränderung der baulichen Ansicht von A. auch zu Veränderungen des Landschaftsbildes im dargelegten Sinn führt. Vielmehr hat sie es - dem Gutachten des Sachverständigen folgend - abgelehnt, über den ausschließlich durch bauliche Merkmale bestimmten Beurteilungsraum hinauszugehen und den weiteren, durch die Natur gestalteten Umgebungsbereich in die Beurteilung einzubeziehen: Bereits die 100 m von der Lärmschutzwand entfernt an der Uferlinie des Traunsees gelegenen Boothäuser könnten "keinesfalls in Zuordnung zur gegenständlichen Lärmschutzwand" gesehen werden.
Die belangte Behörde hat daher in Verkennung des im naturschutzbehördlichen Verfahren anzuwendenden Beurteilungsmaßstabes Beeinträchtigungen des "Ortsbildes" mit einem "Eingriff in das Landschaftsbild" iSd OÖ NSchG 2001 gleichgesetzt. Die Auffassung, die Tatbestandsvoraussetzung des "Eingriffes in das Landschaftsbild" iSd §§ 9 Abs. 1 Z. 1 und 58 Abs. 5 OÖ NSchG 2001 seien durch den angenommenen Sachverhalt als erfüllt anzusehen, beruht somit auf einer Verkennung der Rechtslage. Der folglich mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
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Normen | B-VG Art118 Abs2; NatSchG OÖ 2001 §1 Abs1; NatSchG OÖ 2001 §3 Z2; NatSchG OÖ 2001 §3 Z8; NatSchG OÖ 2001 §58 Abs5; NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1 Z1; NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1 Z2; NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1; VwGG §42 Abs2 Z1; VwRallg; |
Sammlungsnummer | VwSlg 18063 A/2011 |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2009100125.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAE-91524