VwGH vom 13.05.2011, 2009/10/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des H B in Wien, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk Nau, Rechtsanwälte in 2340 Mödling, Bahnhofsplatz 1a/Stg. I/Top 5, gegen den Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend vom , Zl. D 13/2004, betreffend Disziplinarvergehen nach dem Apothekerkammergesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Disziplinarberufungserkenntnis des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend vom wurde der Beschwerdeführer eines Disziplinarvergehens nach § 39 Abs. 1 Z. 2 Apothekerkammergesetz schuldig erkannt und über ihn die Strafe des schriftlichen Verweises verhängt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seit zumindest 2003 den betriebsärztlichen Dienst eines näher bezeichneten Unternehmens (entsprechend dessen Bestellungen) mit Medikamenten, und zwar mit Impfstoffen, Arzneimitteln für die Reiseapotheken des Personals, sowie mit Ordinationsbedarf beliefert. Die Bestellungen seien per Fax einbis zweimal wöchentlich erfolgt, der Beschwerdeführer habe die bestellten Arzneimittel je nach Verfügbarkeit mit dem apothekeneigenen Zustelldienst oder per Taxi/ Botendienst zugestellt. Für diesen regelmäßigen Zustelldienst habe der Beschwerdeführer jedoch über keine Ausnahmegenehmigung iSd Abschnittes IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte verfügt. Er habe sich darum auch nicht bemüht, weil er eine solche Ausnahmegenehmigung nicht für erforderlich gehalten habe.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers habe er einen regelmäßigen Zustelldienst iSd erwähnten Feststellungen der Berufssitte eingerichtet: Die Bestellungen und damit auch die Zustellungen seien regelmäßig ein- bis zweimal wöchentlich erfolgt, und es sei die Lieferung auf zwei verschiedene Arten organisiert gewesen, auf die je nach Bedarf im konkreten Fall zurückgegriffen worden sei. Dass es sich nur um sporadische Zustellungen in einzelnen Bedarfsfällen gehandelt habe, sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden.
Unzutreffend sei weiters die Auffassung des Beschwerdeführers, dem Abschnitt IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte sei durch § 8a Apothekengesetz materiell derogiert worden. Denn § 8a Apothekengesetz habe einen anderen Regelungsinhalt als Abschnitt IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte, nämlich die Zustellung dringend benötigter Medikamente im Einzelfall, nicht aber die Einrichtung eines regelmäßigen Zustelldienstes.
Schließlich sei Abschnitt IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte aus näher dargelegten Gründen weder gesetz- noch verfassungswidrig, noch liege ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom , B 1418/07, abgewiesen und über nachträglichen Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Apothekerkammergesetzes 2001, BGBl. I Nr. 111/2001 idF BGBl. I Nr. 41/2004, lauten auszugsweise wie folgt:
"Disziplinarvergehen
§ 39 (1) Apotheker oder Aspiranten machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie
1. durch ihr Verhalten der Allgemeinheit, den Kunden oder den Kollegen gegenüber die Ehre oder das Ansehen der Apothekerschaft beeinträchtigen oder
2. Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.
...
Disziplinarstrafen
§ 41. (1) Disziplinarstrafen sind
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1. | der schriftliche Verweis, |
2. | Geldstrafen bis zur Höhe des 15fachen Betrages der Gehaltskassenumlage, die für einen im Volldienst angestellten Apotheker auf Grund der Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes, BGBl. Nr. 254/1959, jeweils zu leisten ist, |
3. | die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten, |
4. | die zeitliche oder dauernde Entziehung des Wahlrechtes und der Wählbarkeit zur Apothekerkammer, |
5. | die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke, |
6. | das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes bis zur Dauer von drei Jahren. |
(2) Welche dieser Strafen zu verhängen ist, ist ebenso wie die Bemessung der Strafe insbesondere nach der Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen oder drohenden Nachteile, vor allem auch für die Kunden und Patienten, sowie dem Ausmaß der Beeinträchtigung des Standesansehens zu beurteilen. Bei Bemessung der Geldstrafe ist auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden. Die Disziplinarstrafen können auch nebeneinander verhängt werden.
..."
Die maßgeblichen Bestimmungen der "Feststellungen der Berufssitte hinsichtlich Zuwendungen, Rabattgewährung, Werbung, Vorschubleistung rechtswidriger Arzneimittelabgabe, unzulässige Dienstleistungen, Hausierhandel und unbefugter Weiterverkauf" (Beschlüsse des Vorstandes vom , vom und vom , idF. Feststellungen der Berufssitte) lauten auszugsweise wie folgt:
"Abschnitt IV
Unzulässige Dienstleistungen
Die Übernahme von Obliegenheiten, die den Kunden zukommen, ist unzulässig, wenn sie geeignet ist, einen unlauteren Konkurrenzkampf gegenüber anderen Apotheken hervorzurufen.
Die Einrichtung eines ständigen oder regelmäßigen Abhol- oder Zustelldienstes ist unzulässig, sofern nicht seitens der Österreichischen Apothekerkammer Ausnahmen als zulässig erklärt werden."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe durch die - näher dargestellte - Organisation der Arzneimittellieferungen an den betriebsärztlichen Dienst eines Unternehmens einen regelmäßigen Zustelldienst iSd Abschnittes IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte eingerichtet, ohne dafür über die erforderliche Ausnahmebewilligung der Österreichischen Apothekerkammer zu verfügen. Er habe sich dadurch eines Disziplinarvergehens nach § 39 Abs. 1 Z. 2 Apothekerkammergesetz 2001 schuldig gemacht.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen im Wesentlichen ein, der von ihm belieferte betriebsärztliche Dienst sei - ebenso wie Ärzte im Allgemeinen - nach dem Ärztegesetz zur Vorratshaltung von Arzneimitteln insoweit berechtigt, als diese zur Erfüllung des Behandlungsvertrages benötigt würden; ausschließlich um solche Arzneimittel habe es sich im vorliegenden Fall gehandelt. Der betriebsärztliche Dienst sei weiters befugt, diese Arzneimittel aus jeder beliebigen Apotheke im EWR zu beziehen. Daraus sei zu folgern, dass Apotheker berechtigt seien, Ärzte einschließlich betriebsärztliche Einrichtungen ohne Einschränkungen, wie sie im § 8a Apothekengesetz bzw. im Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte verankert seien, zu beliefern. Eine Ausnahmegenehmigung der Österreichischen Apothekerkammer sei daher im vorliegenden Fall nicht notwendig gewesen. Im Übrigen beziehe sich Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte auf Dienstleistungen, die über die gewöhnliche Form der Abwicklung der Geschäftsbeziehungen hinausgingen. Gegenüber Endverbrauchern sei ein Abhol- bzw. Zustelldienst eine zusätzliche Dienstleistung, gegenüber Einrichtungen des Gesundheitswesens wie dem betriebsärztlichen Dienst jedoch der Regelfall. Dieser Regelfall sei von Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte nicht erfasst. Schließlich sei dem Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte durch § 8a Apothekengesetz sehr wohl derogiert worden:
Beide Bestimmungen hätten nämlich den Zweck der Hintanhaltung regelmäßiger Arzneimittelzustellungen an Patienten. Auch der Verfassungsgerichtshof habe im oben zitierten Erkenntnis § 8a Apothekengesetz als Ausnahme einer entsprechenden, unmittelbar aus dem Apothekengesetz ableitbaren Regel qualifiziert.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer noch das Fehlen von Feststellungen über den genauen Zweck der dem betriebsärztlichen Dienst gelieferten Arzneimittel und über die Erteilung der Lieferaufträge. Auch sei die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat nicht hinreichend konkretisiert worden und es sei ihm die verletzte Verwaltungsvorschrift unrichtig vorgehalten worden, weil ihm (zunächst) ein Verstoß gegen "Abschnitt IV der Berufssitte" und nicht gegen "Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte" vorgeworfen worden sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Zunächst übersieht die Beschwerde bei ihrer Auffassung, Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte finde auf die Belieferung von Ärzten und sonstigen Gesundheitseinrichtungen keine Anwendung, dass Abschnitt IV der Feststellungen der Berufssitte nach seinem normativen Gehalt nicht die Lieferung von Arzneimitteln an Ärzte oder sonstige Gesundheitseinrichtungen verbietet, sondern die Einrichtung eines ständigen oder regelmäßigen Abhol- oder Zustelldienstes an eine Genehmigung der Österreichischen Apothekerkammer bindet. Aus den Regelungen der §§ 57 Ärztegesetz und 31 Abs. 3 Apothekengesetz, wonach ein Arzt die für den ärztlichen Notapparat und die zur Einrichtung und Ergänzung seiner Hausapotheke erforderlichen Drogen, chemischen und pharmazeutischen Präparate sowie sonstige ärztliche Zubereitungen nur aus einer öffentlichen Apotheke im EWR beziehen darf, ergibt sich jedoch nicht, dass Apotheker, insoweit es um diese Bedarfsdeckung geht, auch ohne Ausnahmebewilligung berechtigt wären, einen ständigen oder regelmäßigen Zustelldienst einzurichten.
Die Annahme einer materiellen Derogation des Abschnittes IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte durch § 8a Apothekengesetz kommt gleichfalls nicht in Betracht. § 8a Apothekengesetz regelt, dass innerhalb des im § 10 Abs. 3 und 4 Apothekengesetz genannten Umkreises dringend benötigte Arzneimittel an Patienten durch apothekeneigene Zustelleinrichtungen zugestellt werden dürfen. Davon, dass in diesen Fällen ein ständiger oder regelmäßiger Zustelldienst eingerichtet werden dürfte, ist nicht die Rede. Im Übrigen könnte aus § 8a Apothekengesetz für den vorliegenden Fall schon deshalb nichts gewonnen werden, weil sich diese Bestimmung lediglich auf die Abgabe "an Patienten" bezieht.
Abschnitt IV Abs. 2 der Feststellungen der Berufssitte stellt auch nicht auf einen bestimmten Kreis von Abnehmern (Ärzte, Unternehmen, Patienten) ab, die mit Medikamenten beliefert werden sollen, sondern erklärt - wie gesagt - die Einrichtung eines ständigen oder regelmäßigen Abhol- oder Zustelldienstes generell für unzulässig, soweit dafür keine Ausnahmebewilligung vorliegt. Auf die Frage, ob ein regelmäßiger Zustelldienst für die Belieferung von Patienten oder für die Belieferung von Unternehmen eingerichtet wird, kommt es somit entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht an.
Soweit der Beschwerdeführer eine mangelhafte Konkretisierung der ihm zur Last gelegten Tat rügt, hat er nicht aufgezeigt, in welcher Hinsicht der Tatvorwurf einer weiteren Konkretisierung bedürfe. Die verletzte Verwaltungsvorschrift jedoch wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid mit Hinweis auf das (von der Beschwerde nicht bestrittene) Vorliegen eines offensichtlichen Schreibfehlers richtig gestellt. Soweit der Beschwerdeführer aber weitere Feststellungen vermisst, hat er nicht aufgezeigt, zu welchem iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG anderen Bescheid die belangte Behörde diesfalls gelangt wäre.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am