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VwGH vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0081

VwGH vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde (nunmehr: Revision) des M T in B, vertreten durch Dr. Sepp Manhart, Dr. Meinrad Einsle und MMag. Dr. Rupert Manhart, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Römerstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vom , Zl. P1113256/8- PersC/2013, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport den Antrag des Revisionswerbers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes ab. Als Rechtsgrundlage war § 26 Abs. 1 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) angegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 68/2014-5, abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde die - nunmehr als Revision zu wertende - Beschwerde ergänzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1.1. Das WG 2001 lautet (auszugsweise):

"Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu verfügen.

(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus

1. hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und

2. während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.

Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.

...

(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam.

..."

1.2. Die Beschwerdefrist war im vorliegenden Fall mit Ablauf des nicht verstrichen. Für die Behandlung der nunmehr als Revision zu wertenden, vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde gelten gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/10/0029).

2. Die Revision ist unbegründet.

2.1.1. Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid folgende Annahmen zugrunde:

Der Revisionswerber habe mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom die Zusicherung der österreichischen Staatsbürgerschaft erhalten. Am sei die Verleihung der Staatsbürgerschaft erfolgt.

Der Revisionswerber sei Gesellschafter der T. GmbH (Gesellschaftsvertrag vom ; Eintragung in das Firmenbuch am ). Bei der T. GmbH handle es sich um eine kleine Kapitalgesellschaft, die Gewerbeberechtigungen umfassten "Computersoftwareerzeugung, Handelsgewerbe und Handelsagentengewerbe, Multimedia-Agentur". Wie sich aus einem Firmenbuchauszug vom ergebe, gebe es neben dem Revisionswerber noch drei weitere Gesellschafter. Einer dieser Gesellschafter und der Revisionswerber fungierten als Geschäftsführer. Der Revisionswerber sei Technischer Leiter, der "sämtliche Leistungen im Bereich Server, technische Betriebsführung für Dritte und Kundenbetreuung" durchführe. Insgesamt habe das Unternehmen fünf Angestellte. Per hätten Verbindlichkeiten in Höhe von über EUR 92.000;-- bestanden, an langfristigen Verbindlichkeiten solche in Höhe von über EUR 72.000,--. Die Vertretungskosten für die Neueinstellung eines Mitarbeiters im Falle der Präsenzdienstleistung des Revisionswerbers würden mit EUR 50.000,-- pro Jahr beziffert, falls der Vertreter keine Qualifikationskombination wie der Revisionswerber aufwiese, müssten zwei Personen eingestellt werden.

Am sei der Revisionswerber der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden.

2.1.2. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, im vorliegenden Fall lägen zwar wirtschaftliche Interessen iSd. § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 vor, weil der Revisionswerber Geschäftsführer und Gesellschafter der T. GmbH sei und an deren ordnungsgemäßer Führung sowie an der Bedienung aller finanziellen unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten ein wirtschaftliches Eigeninteresse habe. Allerdings habe für den Revisionswerber bereits seit der Zusicherung der Staatsbürgerschaft, spätestens aber seit der Verleihung derselben die Obliegenheit bestanden, die Planung und Gestaltung seiner privaten wirtschaftlichen und beruflichen Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes so vorzunehmen, dass für den Fall der zu erwartenden Einberufung vorhersehbare oder zu befürchtende Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert werden. Dieser Obliegenheit habe der Revisionswerber nicht entsprochen. Den vom Revisionswerber geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen mangle es demnach an der besonderen Rücksichtswürdigkeit. Auf eine Befreiung aus öffentlichen, insbesondere gesamtwirtschaftlichen Interessen bestehe kein Rechtsanspruch.

2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinn der Bestimmungen des WG 2001 angesehen werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/11/0022, und vom , Zl. 2003/11/0173, jeweils mwN).

2.2.2. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der maßgebliche Zeitpunkt, zu dem der Revisionswerber seine wirtschaftlichen Dispositionen mit der zu erwartenden Ableistung des Grundwehrdienstes zu harmonisieren hatte, bereits mit der Zusicherung der Staatsbürgerschaft (so das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/11/0096) oder erst mit der Verleihung derselben (so etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/11/0173, und vom , Zl. 2008/11/0011) anzusetzen ist, keinesfalls ist nämlich davon auszugehen, dass die Obliegenheit zur Harmonisierung erst mit der Feststellung der Tauglichkeit bestand, fehlt es doch an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass der Revisionswerber vor seiner Stellung vernünftiger Weise hätte annehmen können, dass es ihm an der Tauglichkeit fehlte.

Da der Revisionswerber Gesellschafter der von ihm mitgegründeten T. GmbH erst im Jahr 2011 geworden und das Unternehmen auch erst in diesem Jahr, somit nach Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Revisionswerber, seine Tätigkeit aufgenommen hat, kann die Einschätzung der belangten Behörde, der Revisionswerber habe seiner Obliegenheit zur Harmonisierung im dargestellten Sinn nicht entsprochen, weshalb seine durchaus bestehenden wirtschaftlichen Interessen nicht besonders rücksichtswürdig iSd. § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 seien, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Weder konnte der Revisionswerber aus dem Umstand, dass er durch längere Zeit nach Erlangung der Staatsbürgerschaft nicht der Stellung unterzogen wurde, schließen, dass an seiner Wehrdienstleistung kein Interesse bestehe, noch ändert die in der Revision ins Treffen geführte Änderung der geopolitischen Situation Österreichs sowie die angebliche schwierige Lage des Bundesheeres etwas an der Obliegenheit zur Harmonisierung im dargestellten Sinn. Es wird auch nicht vorgebracht, dass der Revisionswerber etwa von sich aus versucht hätte, möglichst bald nach der Verleihung der Staatsbürgerschaft eine Stellung zu erwirken, um zu einem möglichst frühen Zeitpunkt seinen Wehrdienst ableisten zu können.

Die Revision verkennt auch die Rechtslage, wenn sie insinuiert, dass der Revisionswerber, folge man der Rechtsauffassung der belangten Behörde, durch Jahre zu wirtschaftlicher Untätigkeit verhalten wäre. Bestehenden wirtschaftlichen Interessen fehlt es an der besonderen Rücksichtswürdigkeit, wenn der Wehrpflichtige, obwohl er mit der Pflicht zur Ableistung seines Wehrdienstes rechnen muss, seine Dispositionen so getroffen hat, dass für den Fall der Ableistung seines Grundwehrdienstes wirtschaftliche und berufliche Schwierigkeiten wegen der - behaupteten - Unabkömmlichkeit des Wehrpflichtigen erst entstehen. Nach der ständigen hg. Judikatur beinhaltet die Obliegenheit zur Harmonisierung auch, rechtzeitig und vorausschauend - somit durch geeignete wirtschaftliche Dispositionen - für die Möglichkeit einer Vertretung des Wehrpflichtigen während der Dauer des Grundwehrdienstes zu sorgen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/11/0026, , Zl. 2008/11/0011, und vom , Zl. 2007/11/0202). Dass eine solche vorausschauende Vorgangsweise im Falle des Revisionswerbers nicht möglich gewesen wäre, wurde nicht konkret dargelegt.

2.2.3. Soweit in der Revision schließlich gerügt wird, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob im Falle des Revisionswerbers öffentliche, nämlich gesamtwirtschaftliche Interessen an einer Befreiung bestehen, genügt der Hinweis, dass die belangte Behörde den Antrag des Revisionswerbers auf Befreiung zu erledigen hatte und eine Befreiung gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 über Antrag aus anderen als besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen nicht vorgesehen ist.

3. Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision in sinngemäßer Anwendung des § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-91515