VwGH vom 24.11.2016, Ra 2014/13/0019

VwGH vom 24.11.2016, Ra 2014/13/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision der O in W, vertreten durch die FAL-CON Steuerberatungsgesellschaft mbH in 1040 Wien, Brucknerstraße 6/7a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7104195/2009, betreffend Einkommensteuer 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im Jahr 2005 stand eine Liegenschaft in Wien, X-Straße, mit einem Gebäude, in dem die als Händlerin und Hausverwalterin berufstätige Revisionswerberin ihre Geschäftslokale hatte und auch wohnte, nach dem Tod des bisherigen Eigentümers zum Verkauf, wobei sie aber nur zusammen mit einer zweiten Liegenschaft in Wien, Y-Gasse, erworben werden konnte.

2 Am schlossen die Revisionswerberin und ihr als Immobilienmakler und gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Immobilienwesen berufstätiger Bruder als Käufergemeinschaft (im Folgenden auch: Eigentümergemeinschaft) mit den Anbietern der beiden Liegenschaften einen Vorvertrag über den Ankauf der Liegenschaften zu einem Gesamtkaufpreis von EUR 850.000,--.

3 Am selben Tag schlossen die Revisionswerberin und ihr Bruder als Optionsgeber mit dem Bruder der Revisionswerberin als Optionsnehmer eine Optionsvereinbarung, mit der dem Optionsnehmer bis längstens das Recht eingeräumt wurde, selbst oder durch eine von ihm namhaft gemachte Person oder Gesellschaft die Liegenschaft in der Y-Gasse um EUR 200.000,-- zu erwerben. Als Grund dieser Vereinbarung wurde in ihr unter Bezugnahme auf den Vorvertrag festgehalten, dass die beiden Liegenschaften nur zusammen erworben werden könnten.

4 Im Kaufvertrag vom über den Erwerb der beiden Liegenschaften erfolgte eine Aufteilung des Kaufpreises von EUR 850.000,-- auf die Liegenschaften in der X-Straße (EUR 700.000,--) und in der Y-Gasse (EUR 150.000,--). Die Revisionswerberin und ihr Bruder verpflichteten sich, den Gesamtkaufpreis spätestens bis zur allseits beglaubigten Unterfertigung des Kaufvertrages auf ein bestimmtes Treuhandkonto einzuzahlen.

5 Am veräußerten die Revisionswerberin und ihr Bruder die Liegenschaft in der Y-Gasse um EUR 200.000,-- an eine GmbH, deren Alleingesellschafter der Bruder der Revisionswerberin war. Diese GmbH verkaufte die Liegenschaft am selben Tag um EUR 340.000,-- an Dr. B.

6 In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 gab die Revisionswerberin Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Geschäftsführerin einer Hausverwaltungs-GmbH, Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend die beiden Liegenschaften in (geringfügig) der X-Straße und (weit überwiegend) der Y-Gasse an. Über Vorhalt des Finanzamtes gab sie an, ihre anteiligen (und fälschlich in die Feststellungserklärung der Hausgemeinschaft aufgenommenen) Spekulationseinkünfte aus dem Verkauf der Liegenschaft in der Y-Gasse betrügen EUR 25.000,-- (Hälfte der Differenz zwischen EUR 150.000,-- und EUR 200.000,--).

7 Im Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2007 rechnete das Finanzamt der Revisionswerberin einen Spekulationsgewinn in der Höhe von EUR 95.000,-- zu (Hälfte der Differenz zwischen EUR 150.000,-- und EUR 340.000,--). Zur Begründung wurde ausgeführt, es sei "die GmbH offenbar zwecks Vermeidung eines höheren Spekulationsgewinnes nur zwischengeschalten" worden, was einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten bedeute.

8 In ihrer Berufung dagegen brachte die Revisionswerberin im Wesentlichen vor, sie sei nur an der Liegenschaft in der X-Straße interessiert gewesen. Da diese nur zusammen mit der anderen Liegenschaft angeboten worden sei und auch die Preisvorstellungen der Anbieter die finanziellen Möglichkeiten der Revisionswerberin überstiegen hätten, habe sie ihren Bruder hinzugezogen, dessen Know-how und Verhandlungsgeschick einen günstigen Kauf und dessen Vermögenslage und Besicherungsmöglichkeiten die Finanzierung des Kaufes durch seine Hausbank erst ermöglicht hätten. Zum Ausgleich dafür sei ihm die Option zugestanden worden. Dazu, dass der Bruder der Revisionswerberin, dessen Alltagsberuf im Kauf und Verkauf von Liegenschaften bestehe, schließlich einen Preis von EUR 340.000,-- erzielt habe, habe die Revisionswerberin nichts beigetragen. Vom dabei erzielten Gewinn sei ihr auch nichts zugeflossen, womit "der Tatbestand der Steuerumgehung ohne wirtschaftliche Begründung gar nicht gegeben sein" könne.

9 Das Finanzamt richtete ein Auskunftsersuchen an den Bruder der Revisionswerberin, worin u.a. darauf hingewiesen wurde, bei Bestätigung der Angaben der Revisionswerberin sei "eine Zurechnung des Veräußerungserlöses (gemeint: des Gewinns) der GmbH iHv EUR 140.000,-- wegen Missbrauch gem. § 22 BAO bei Herrn (Bruder der Revisionswerberin) als Einkünfte aus Spekulation möglich".

10 In seiner Antwort auf dieses Auskunftsersuchen bestätigte der Steuerberater des Bruders der Revisionswerberin im Wesentlichen deren Angaben, wobei er u.a. auch darauf hinwies, dass der Kaufpreis laut Optionsvereinbarung die Anschaffungskosten schon um ein Drittel überstiegen und sich die Gelegenheit zum Weiterverkauf zu einem "sehr attraktiven Preis" erst fast zwei Jahre nach dem Abschluss der Optionsvereinbarung ergeben habe. Weiters wurde erwähnt, dass der Bruder der Revisionswerberin von der GmbH eine Provision erhalten habe und es ihm aus vertraglichen Gründen nicht erlaubt gewesen wäre, das Geschäft außerhalb der GmbH abzuschließen.

11 Nach Durchführung eines weiteren Vorhalteverfahrens mit der Revisionswerberin, betreffend die Einzelheiten der Finanzierung der Anschaffung, wies das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Vereinbarungen zwischen der Revisionswerberin und ihrem Bruder seien - im Sinne der Voraussetzungen für die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen - zwar klar nach außen zum Ausdruck gekommen, sie hätten jedoch "keinen angemessenen Inhalt" gehabt. Die Behauptung, der Bruder der Revisionswerberin habe "einen maßgeblichen Leistungsanteil an dem Veräußerungsgewinn gehabt", sei "unzutreffend", weil erstens auch die Revisionswerberin als Hausverwalterin "über einiges Know-How verfügen wird", zweitens die Eigentümergemeinschaft der GmbH des Bruders der Revisionswerberin ohnedies ein Honorar von EUR 10.000,-- zzgl. USt für die "Finanzierungsberatung und -vermittlung" gezahlt habe und drittens die Kreditaufnahme samt Gehaltsverpfändung und Blankowechsel durch die Revisionswerberin und ihren Bruder "zu gleichen Teilen" erfolgt sei. Es liege eine "unangemessene Vereinbarung" vor, die ihren Grund nur im Naheverhältnis habe und "nicht anzuerkennen" sei. Daher sei "zurecht die gesetzlich vorgesehene Gewinnverteilung vorgenommen" worden.

12 Im Antrag vom auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ergänzte die nun steuerlich vertretene Revisionswerberin ihr Vorbringen zu den Gründen, aus denen die Vereinbarungen zwischen ihr und ihrem Bruder einem Fremdvergleich standhielten. Dazu zähle, dass die Revisionswerberin, ohne sich selbst um einen Weiterverkauf zu bemühen, eine Rendite von rund 33% erzielt habe. Dass die Option seitens ihres Bruders erst bei Vorliegen einer gewinnbringenden Weiterverkaufsmöglichkeit als Ergebnis seiner fast zweijährigen Bemühungen darum ausgeübt worden sei, liege in der Natur der Vereinbarung. Für die Erledigung der Berufung könne es dahinstehen, ob der Weiterverkaufsgewinn dem Bruder der Revisionswerberin oder seiner GmbH zuzurechnen sei. Die an der GmbH nicht beteiligte Revisionswerberin könne davon jedenfalls nicht profitieren.

13 In der mündlichen Verhandlung am vernahm die Richterin des inzwischen zuständig gewordenen Bundesfinanzgerichtes den Erwerber der Liegenschaft Dr. B als Zeuge. Beiträge der Revisionswerberin zur Anbahnung des Verkaufs an ihn kamen dabei nicht hervor. Im weiteren Verlauf der Verhandlung wiederholten die Parteien ihre Standpunkte, wobei die Vertreterin des Finanzamtes u.a. die "fürstliche" Entlohnung der GmbH des Bruders der Revisionswerberin mit EUR 10.000,-- und der Vertreter der Revisionswerberin das Fehlen eines Zuflusses des ihr zugerechneten Differenzbetrages hervorhob. Die Revisionswerberin betonte, sie sei auf die Hilfe ihres Bruders angewiesen gewesen und habe seine Bedingungen akzeptiert. Zur Aufteilung des Kaufpreises im Vertrag vom gab sie an, diese sei von den Verkäufern vorgenommen worden. Wie es zur Festsetzung des Betrages von EUR 200.000,-- in der Optionsvereinbarung gekommen war, konnte sie nicht mehr angeben.

14 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung als unbegründet ab. Es hielt zum Sachverhalt fest, die eingehaltene Vorgangsweise habe dazu geführt, dass von der Revisionswerberin nur der aus dem Verkauf an die GmbH ihres Bruders resultierende Gewinn anteilsmäßig zu versteuern gewesen sei, "während den weitaus größeren Spekulationsgewinn die GmbH durch den nachfolgenden Verkauf um EUR 340.000,-- zu tragen hatte". Über die Versteuerung dieses Spekulationsgewinns durch die GmbH geht aus dem angefochtenen Erkenntnis nichts hervor. Die vorgelegten Akten des Finanzamts enthalten in einer Kontrollmitteilung vom die Behauptung, bei der GmbH sei der Spekulationsgewinn infolge hoher Verlustvorträge "steuerlich ohne Auswirkung" geblieben.

15 In der rechtlichen Würdigung des Falles vertrat das Bundesfinanzgericht unter Hinweis auf Judikatur betreffend die Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen die Ansicht, die Optionsvereinbarung sei aus näher dargestellten Gründen nicht fremdüblich gewesen. Durch den Verkauf der Liegenschaft an die GmbH des Bruders zu dem im Vergleich zur Anschaffung "nur unwesentlich höheren" Preis von EUR 200.000,-- statt um einen "dem tatsächlichen Wert entsprechenden" Preis, dem der letztlich erzielte Kaufpreis von EUR 340.000,-- "eher" entsprochen habe, sei der auf die Eigentümergemeinschaft entfallende Spekulationsgewinn "in fremdunüblicher Weise bewusst niedrig gehalten" worden. Dadurch, dass die Eigentümergemeinschaft die Liegenschaft nicht in fremdüblicher Weise veräußert habe, habe sie "den Spekulationsgewinn in missbräuchlicher Weise verkürzt". Der Revisionswerberin sei daher "anteilsmäßig der Spekulationsgewinn aus fremdüblicher Veräußerung, nämlich aus der Differenz der Anschaffungskosten von EUR 150.000,-- und dem Veräußerungserlös von EUR 340.000,--, somit EUR 95.000,-- zuzurechnen".

16 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die Abweisung der Revision beantragt.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Gemäß § 22 Abs. 1 BAO kann durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt Missbrauch (Abs. 1) vor, so sind die Abgaben gemäß § 22 Abs. 2 BAO so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

19 Auf dieser rechtlichen Grundlage kann es auch zur Zurechnung von Spekulationsgewinnen abweichend von der zivilrechtlichen Gestaltung kommen (vgl. dazu die - jeweils eine Schenkung an eine Ehegattin mit nachfolgendem Verkauf an eine GmbH des Schenkers betreffenden - Erkenntnisse vom , 91/14/0253, und vom , 2004/15/0020, 0021).

20 Die Annahme eines Missbrauchs setzt jedoch Missbrauchsabsicht voraus, die (im Verwaltungsverfahren) von der Behörde nachzuweisen ist (vgl. Ritz , BAO5, § 22 Tz 3, m. w.N; zum Erfordernis ausreichender Tatsachenfeststellungen dazu etwa das Erkenntnis vom , 2001/15/0095, 0096). Im vorliegenden Fall ist nicht klar, worin die Missbrauchsabsicht der Revisionswerberin bei ihrer Mitwirkung am Zustandekommen der Optionsvereinbarung bestanden haben soll. Dass die Revisionswerberin auf einen höheren Anteil am endgültigen Verkaufserlös verzichtet habe, nur um keine Verminderung dieses Mehrerlöses durch dessen Besteuerung erleiden zu müssen, scheint das Bundesfinanzgericht nicht anzunehmen und wäre wohl auch lebensfremd, sodass auf die rechtliche Relevanz einer solchen Annahme nicht eingegangen werden muss. Eine Absicht, die Gesamtsteuerbelastung für sich selbst und den Bruder zu verringern, hätte das Wissen der Revisionswerberin etwa dahingehend vorausgesetzt, dass ihr Bruder die GmbH zwischenschalten und der Spekulationsgewinn bei der GmbH aus dem in der Kontrollmitteilung behaupteten Grund zum gegebenen Zeitpunkt nicht steuerwirksam werden würde. Das Bundesfinanzgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen und aus der seines Erachtens nicht fremdüblichen, den Bruder bevorzugenden Vertragsgestaltung auf das Vorliegen eines Missbrauchs geschlossen, ohne sich mit der Frage der zugrunde liegenden Steuervermeidungsabsicht - über die formelhafte Behauptung einer solchen hinaus - auseinanderzusetzen.

21 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

22 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

23 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am