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VwGH vom 13.05.2011, 2009/10/0112

VwGH vom 13.05.2011, 2009/10/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des LM in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-SOZ/53/5068/2008-9, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Geldleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes abgewiesen.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges (insbesondere der vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat stattgefundenen mündlichen Verhandlung) und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, sei seit Beginn seines Aufenthaltes in Österreich im Jahre 1988 lediglich sporadisch in selbständiger bzw. unselbständiger Form erwerbstätig gewesen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Sozialhilfe (Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes) sei er unstrittigerweise nicht mehr erwerbstätig gewesen. Die Eigenschaft als Erwerbstätiger sei ihm auch nicht erhalten geblieben, weil er sich nicht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie dem zuständigen Arbeitsamt unmittelbar nach dem Ende seiner Beschäftigung zur Verfügung gestellt habe. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer als Unionsbürger in Österreich auf Arbeitssuche sei, begründe für sich alleine keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Soweit der Beschwerdeführer aber behaupte, es bestehe mit Polen auf Grund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit bei der Gewährung von Sozialhilfe, sei ihm zu entgegnen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dieser allgemeinen Regelung vorgingen und der geltend gemachte Anspruch daher ausschließlich nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu prüfen sei.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 153/09, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 idF LGBl. Nr. 3/2009 (WSHG), lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 7a. (1) Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur Staatsbürgern zu.

(2) Den Staatsbürgern sind folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich erlaubterweise im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:

a) Fremde, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen ergibt, oder

b) Fremde, wenn mit ihrem Heimatstaat auf Grund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit besteht, insoweit sie dadurch nicht besser gestellt sind als Staatsbürger in dem betreffenden Staat, oder

c) Fremde, denen nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, oder

d) durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum begünstigte Arbeitnehmer, Selbstständige, Personen, denen dieser Status gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. Nr. L 158 vom , S. 77 in der Fassung ABl. Nr. L 229 vom , S. 35, erhalten bleibt, und ihre Familienangehörigen oder

e) nicht unter lit. d fallende durch den Europäischen Wirtschaftsraum Begünstigte nach Ablauf von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise oder gegebenenfalls nach dem längeren Zeitraum der Arbeitssuche, wenn die Einreise zur Arbeitssuche erfolgte, oder

f) Fremde, denen nach § 45 oder § 48 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 31/2006, der Aufenthaltstitel ,Daueraufenthalt - EG' bzw. ,Daueraufenthalt - Familienangehöriger' erteilt wurde oder deren vor In-Kraft-Treten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 weiter gelten, oder

g) Fremde, die einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen und denen eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 NAG erteilt wurde."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für eine Gleichstellung mit Staatsbürgern im Sinne des § 7a Abs. 2 WSHG nicht. Er sei insbesondere weder erwerbstätig, noch sei ihm dieser Status gemäß § 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG erhalten geblieben, zumal er sich dem zuständigen Arbeitsamt nicht unmittelbar nach dem Ende seiner Beschäftigung zur Verfügung gestellt habe.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, es sei der erwähnten Richtlinie nicht zu entnehmen, dass er sich unmittelbar nach dem Ende seiner Beschäftigung beim Arbeitsamt hätte melden müssen. Selbst wenn er jedoch den Status als Erwerbstätiger dadurch verloren habe, komme ihm auch als nicht erwerbstätigem Unionsbürger nach einem dreimonatigen Aufenthalt ein gemeinschaftsrechtlicher Anspruch auf Sozialhilfe gemäß Art. 24 der genannten Richtlinie zu. Schließlich hätte seinem Sozialhilfeantrag auch wegen tatsächlich geübter Gegenseitigkeit im Sinne des § 7a Abs. 2 lit. b WSHG stattgegeben werden müssen:

In Polen bestehe Anspruch auf dauernde oder zeitweilige Sozialhilfe (Ermessensanspruch). Bedingungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit gebe es nicht. Im Rahmen dieses Anspruches werde Lebensunterhalt gewährt, wie dies auch nach dem WSHG der Fall sei. Im Übrigen habe die belangte Behörde aus näher dargelegten Gründen Art. 3 und Art. 14 EMRK verletzt.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Soweit er die Erfüllung der Voraussetzungen des § 7a Abs. 2 lit. d WSHG behauptet, ist er auf Art. 7 der dort zitierten Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) hinzuweisen: Gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist. Die Erwerbstätigeneigenschaft bleibt für Zwecke des Abs. 1 lit. a dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie in folgenden Fällen erhalten:

"a) er ist wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig;

b) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c) er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

d) er beginnt eine Berufsausbildung; die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit setzt voraus, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren."

Im vorliegenden Fall hätte der Beschwerdeführer trotz Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger eine aus einer solchen Tätigkeit sich ergebende Erwerbstätigeneigenschaft als Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. a der Richtlinie dann nicht verloren, läge in Ansehung dieser Tätigkeit eine ordnungsgemäß bestätigte Arbeitslosigkeit vor und hätte sich der Beschwerdeführer dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung gestellt. Ein konkretes Vorbringen, dem die Erfüllung dieser Voraussetzungen entnommen werden könnte, hat der Beschwerdeführer jedoch weder im Verwaltungsverfahren, noch selbst in der vorliegenden Beschwerde erstattet. Der belangten Behörde kann daher schon aus diesem Grund nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass § 7a Abs. 2 lit. d WSHG nicht erfüllt sei.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit einer Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV hinweist, ist ihm zu entgegnen, dass eine Würdigung der Tatsachen, ob die erwähnten Voraussetzungen erfüllt sind, allein in den innerstaatlich wahrzunehmenden Verantwortungsbereich fällt (vgl. das Vatsouras ua, C-22/08, C-23/08, Rz 31).

Dem weiteren Beschwerdevorbringen, auch nicht erwerbstätigen Unionsbürgern komme gemäß Art. 24 der genannten Richtlinie nach einem dreimonatigen Aufenthalt ein Sozialhilfeanspruch zu, ist zu entgegnen, dass Gleichbehandlung im Sinne dieser Bestimmung jene Unionsbürger genießen, die sich "auf Grund dieser Richtlinie" im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhalten (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/10/0139, und vom , Zl. 2009/10/0212). Ein konkretes Vorbringen, demzufolge der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten gemäß Art. 7 der Richtlinie erfüllte, hat er nicht erstattet.

Ebenso wenig hat er mit dem Hinweis, es bestehe im Sinne des § 7a Abs. 2 lit. b WSHG mit Polen auf Grund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit bei der Sozialhilfegewährung, konkret dargelegt, dass österreichischen Staatsbürgern in Polen Sozialhilfe in einem über die gemeinschaftsrechtlich normierte Gleichbehandlung (Art. 24 der Unionsbürgerrichtlinie) hinausgehenden Ausmaß gewährt würde.

Was jedoch die Beschwerdebehauptung anlangt, die belangte Behörde habe Art. 3 und 14 EMRK verletzt, hat bereits der Verfassungsgerichtshof das entsprechende Vorbringen im oben zitierten Beschluss als offenbar aussichtslos beurteilt und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden; die belangte Behörde hat vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am